Tiere und ihr Bewusstsein für das Leiden

Tiere und ihr Bewusstsein für das Leiden
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Sonia Budner

Letzte Aktualisierung: 09. Februar 2023

Wenn Tiere leiden, sind sie sich dessen bewusst? Jeder, der mit einem Tier lebt, kennt wohl die Antwort auf diese Frage. Aber was sagt die Neurowissenschaft dazu? Können wir endlich sicherstellen, dass die Wissenschaft für das Bewusstsein bürgt, das Tiere bezüglich ihres eigenen Leidens und dem von anderen Lebenwesen haben?

Wir haben eine gute Nachricht: Die Antwort lautet ja. Die Neurowissenschaften haben überwältigende Beweise dafür gesammelt, dass alle Säugetiere, Vögel und viele andere Arten sich ihres eigenen Leidens bewusst sind. Diese Information ist auch nicht neu. Bereits 2013 wurde dieses Thema in der Cambridge Declaration on Consciousness  mit unbestreitbaren Beweisen zur Sprache gebracht. Die Forschung ist seitdem aber noch weitere Schritte gegangen.

Es wurden homologe Kreisläufe identifiziert, sowohl beim Menschen als auch bei Tieren, deren Aktivierung mit der bewussten Erfahrung in Verbindung gebracht wird. Es scheint, dass die neuronalen Schaltkreise, die aktiviert werden, während ein Tier eine Emotion empfindet, die gleichen sind wie die beim Menschen, der diese Emotion verspürt. Renommierte Neurologen aus aller Welt unterstützen diese Hypothese und sind sich einig, dass Tiere ein Bewusstsein für ihr eigenes Leiden entwickeln.

Cambridge Declaration on Consciousness

Vor sieben Jahren, am 7. Juli 2012, unterzeichnete eine Gruppe anerkannter Wissenschaftler die Cambridge Declaration on ConsciousnessDieses Dokument besagt, dass nicht nur der Mensch, sondern auch eine beträchtliche Anzahl von Tieren, einschließlich Wirbeltieren und Wirbellosen, Wesen mit einem Bewusstsein sind. Das bedeutet, dass sie fühlende Wesen sind, dass sie erfahren, was mit ihnen geschieht und sie mentale Zustände erleben, die für sie positiv oder negativ sein können.

Es gibt einen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass nicht-menschliche Lebewesen die neuroanatomischen, neurophysiologischen und neurochemischen Voraussetzungen für eine Bewusstseinsbildung haben, zusammen mit der Fähigkeit, gezielte Verhaltensweisen zu zeigen. Das heißt, der Mensch ist nicht allein im Besitz der neurologischen Substrate, die das Bewusstsein erzeugen.

Trauriger Hund schaut durch einen Zaun

Philip Low, Gründer und Geschäftsführer des neurodiagnostischen Unternehmens NeuroVigil, (Kalifornien, USA), dazu Christof Koch vom Allen Institute of Brain Sciences in Seattle (Washington, USA), David Edelman vom Neuroscience Institute in La Jolla, Kalifornien, und andere führende Neurowissenschaftler gaben die Cambridge Declaration on Consciousness heraus.

Es ist eine klare Botschaft, die vermittelt, dass die Fähigkeit, positive und negative Erfahrungen zu machen, zu Leiden und Schäden führt. Es gibt starke Hinweise darauf, dass dies berücksichtigt werden sollte, wenn es darum geht, einen Menschen oder ein Tier zu behandeln, ohne zu diskriminieren.

Aktuelle Studien zum Bewusstsein für Leiden

Seit 2012 wurden mehrere Studien durchgeführt, die diese Fakten immer wieder bestätigen. Jarrod Bailey und Shiranee Pereira präsentierten 2016 eine Studie über zerebrale Prozesse im Zusammenhang mit Emotionen und Empathie bei Hunden. Diese Studie bestätigt und ergänzt die Schlussfolgerungen der Cambridge Declaration on Consciousness.

Das französische Nationale Institut für Agronomieforschung hat in Zusammenarbeit mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit eine Neubewertung der Literatur zum Thema Bewusstsein bei Tieren durchgeführt. Die Ergebnisse wurden 2017 in Parma (Italien) vorgestellt. Diese Untersuchungen bestätigen, dass Tiere mit Nervensystemen ausgestattet sind, die eine komplexe Informationsverarbeitung unterstützen, einschließlich negativer Emotionen, die durch nozizeptive Reize verursacht werden.

Die zitierte Studie bezieht sich auf verschiedene Arten, darunter Primaten, Rabenvögel, Nagetiere und Wiederkäuer. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Tiere mit autobiografischem Gedächtnis, wie sie bei Primaten, Rabenvögeln und Nagetieren vermutet werden, Wünsche und Ziele haben können, die in die Vergangenheit und Zukunft reichen, und dass sie von einer aversiven Erfahrung negativ beeinflusst werden können.

Sitzender Affe

Es gibt keine Ausreden mehr

Sieben Jahre nach der Vorstellung von mehr als soliden Beweisen für das Bewusstsein, das Tiere über ihr eigenes Leiden haben, und der Vielzahl von nachfolgenden Studien, die diese Ergebnisse unterstützen, gibt es keine Entschuldigung mehr dafür, Tiere weiterhin zu misshandeln, weil sie angeblich nicht leiden.

All diejenigen, die auf ihr Recht auf Spaß am Schaden, der anderen Wesen zugefügt wird, pochen, müssen sich andere Argumente suchen, weil die Wissenschaft nicht länger auf ihrer Seite steht. Ebenso hallt die Regelung der Rechte dieser Lebewesen auf Schutz und Wohlergehen immer tiefer in die Justiz nach, wo sich neue – und alte – Erkenntnisse in Form von immer strengeren Gesetzen materialisieren, die viele Lebensbereiche betreffen werden.

So komplex die Erforschung des Bewusstseins beim Menschen auch ist, es scheint, dass von nun an die Erforschung des menschlichen Bewusstseins mit denen unserer tierischen Kameraden Hand in Hand gehen wird. Und das ist, trotz der wenigen dissonanten Stimmen, eine sehr gute Nachricht.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.