Suchtverhalten: Das Rattenpark-Experiment
Das berühmte Rattenpark-Experiment bot einige faszinierende Einblicke in die Natur der Sucht. Ratten werden aufgrund ihrer genetischen Ähnlichkeit mit dem Menschen oft für „psychologische Experimente“ genutzt. 95 % des menschlichen Genoms sind mit dem von Ratten identisch.
Studien mit Ratten werden stets in kontrollierten Umgebungen durchgeführt, das heißt in einem Labor. Die meisten Labortiere leben allein in Käfigen, ohne Kontakt zur Außenwelt. Diese Situation ist für die Tiere eine völlig unnatürliche Lebensweise.
„Die Haltung, die dem Konsumverhalten innewohnt, ist die, die ganze Welt zu verschlucken. Der Verbraucher ist der ewige Säugling, der nach der Flasche schreit. Dies zeigt sich in pathologischen Phänomenen, wie Alkoholismus und Drogenabhängigkeit, deutlich.“
-Erich Fromm-
In den 60er Jahren verwendeten Wissenschaftler Ratten, um Suchtforschung zu betreiben. Sie verwendeten dabei auch sogenannte Skinner-Boxen. Dies waren Käfige, die mit elektrischen Geräten ausgestatten waren, die die Ratten entweder mit Nahrung belohnen oder mit Elektroschocks bestrafen konnten.
Diese Käfige ermöglichten es den Wissenschaftlern und Verhaltenspsychologen, das Verhalten der Labortiere zu untersuchen. Das Rattenpark-Experiment löste sich jedoch von diesem Paradigma. Lies im Folgenden weiter und finde heraus, warum dem so war.
Süchtige Ratten
In den 60er Jahren, setzten Verhaltenspsychologen den Ratten chirurgisch ein Versorgungsgerät ein. Anschließend legten sie die Ratten in die Skinner-Boxen (je eine Ratte pro Käfige). Danach brachten sie ihnen bei, den Hebel in den Käfigen zu drücken. Wenn die Ratten den Hebel drückten, gaben sie sich selbst eine Dosis psychoaktiver Stoffe.
In fast allen Fällen handelte es sich um Heroin. Heroin ist eine der Drogen mit der höchsten Suchtgefahr aller Zeiten. Der Punkt war der, dass jedes Mal, wenn eine Ratte den Hebel bewegte, sie eine sofortige Dosis des Medikaments erhielt. Die Forscher stellten fest, dass einige Ratten unter bestimmten Umständen wiederholt auf den Hebel drückten und sich selbst mit großen Mengen des Arzneimittels versorgten.
Einige der Ratten wurden so berauscht, dass sie vergaßen, zu essen oder zu trinken. Das einzige, was sie nicht vergassen, war die Fähigkeit an mehr Heroin zu kommen. Infolgedessen starben viele der Ratten im Verlauf des Experiments. Die Forscher kamen daher zu dem Schluss, dass Menschen das gleiche Schicksal erleiden würden, wenn sie die gleiche Art von Zugang zu dieser Art von Medikament hätten.
Dann betraten Professor Bruce Alexander und eine Gruppe von Forschern der Simon Fraser University in Kanada die Szene und schlugen die Idee des Rattenpark-Experiments vor.
Das Rattenpark-Experiment
Professor Bruce Alexander glaubte, dass die Tatsache, dass die Ratten isoliert gehalten wurden, es unmöglich machte, objektive Schlussfolgerungen aus den Experimenten zu ziehen.
Alle Ratten in dem Experiment waren Albinos, die von einer Rasse norwegischer Ratten abstammten. Es handelt sich dabei um eine gesellige, neugierige und intelligente Spezies. Die Isolation in einzelnen Käfigen war offensichtlich nicht ihr natürlicher Lebensraum. Vor diesem Hintergrund kamen die neuen Forscher auf die Idee, einen Rattenpark zu schaffen.
Alexander fragte sich, ob sich „freie“ Ratten genauso verhalten würden wie die Ratten in Käfigen. Gibt es eine angeborene Tendenz zur Sucht? Wenn die Ratten Drogen konsumierten, war dies das einzig mögliche Resultat für sie, bis sie starben?
Um diese Fragen zu beantworten, startete Alexander 1977 das Rattenpark-Experiment. Sein Forschungsteam begann zunächst mit zwei Tiergruppen. Eine Gruppe lebte in normalen Laborkäfigen, die voneinander isoliert waren. Für die andere Gruppe bauten die Forscher jedoch eine Fläche, die 200 Mal so groß war, wie ein Laborkäfig. Diese Fläche war so ausgelegt, dass sie wie ein Park aussah, mit vielen Pflanzen und Bäumen.
Isolation und Sucht
Die Forscher nannten ihr neues Experiment „Rattenpark-Experiment“ und führten auch wilde Ratten in den Rattenpark ein, um mit den Laborratten zu interagieren. Sowohl die Ratten in Käfigen als auch die Ratten im Park hatten Zugang zu Morphium.
Die Forscher gaben den Ratten die Wahl zwischen zwei Flüssigkeiten. Eine davon enthielt Morphium, die andere nicht. Sie versteckten den bitteren Geschmack des Morphins mit einer Zuckerlösung. Nach einigen Tagen zeigten die Ratten in Käfigen eine Präferenz für die mit Morphin versetzte Flüssigkeit. Die Ratten im Rattenpark tranken das Morphium ebenfalls, jedoch erst einige Tage später.
Während des Versuchs beobachteten die Wissenschaftler, dass die Ratten in den isolierten Käfigen 19 Mal mehr Morphin konsumierten als die freien Ratten. Die Ratten im Park schienen die Vorteile des Verzichts auf den Konsum der Droge zu verstehen und widersetzten sich dem Drang, selbst wenn sie die Droge bereits ausprobiert hatten. Alexander und sein Team führten weitere Variationen des Experiments ein. Sie machten zum Beispiel mehrere Ratten in beiden Gruppen süchtig, aber das Muster änderte sich dabei nicht sehr.
Das Rattenpark-Experiment zeigte, wie die soziale Isolation ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung einer Drogenabhängigkeit sein kann. Die Gesellschaft anderer Ratten und die Freiheit des Parks schienen den Konsumwillen der Ratten signifikant zu verringern. Als sie dem Morphium nachgaben, taten die betroffenen Ratten alles, um in ihren normalen Zustand zurückzukehren und sie durchliefen dabei sogar eine Phase des Entzugs.
Da sich unsere Gesellschaft heute hauptsächlich auf Bildschirme und intelligente Geräte konzentriert, wird die soziale Isolation immer häufiger. Dies könnte ein Problem inmitten einer ohnehin schon erheblichen Suchtkrise darstellen. Folglich sind die Ergebnisse des Rattenpark-Experiments aktueller denn je.
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Alexander, Bruce K., Barry L. Beyerstein, Patricia F. Hadaway And Robert B. Coambs (1981). “Effect of Early and Later Colony Housing on Oral Ingestion of Morphine in Rats”. Pharmacology, Biochemistry & Behavior, Vol. 15. pp. 571-576, 1981.