Stress durch Wettbewerbskultur am Arbeitsplatz

In einer zunehmend komplexen und sich verändernden Welt scheint die Wettbewerbsfähigkeit die treibende Kraft hinter jeder Organisation und jedem Arbeitsumfeld zu sein. Doch welchen Preis hat diese Einstellung?
Stress durch Wettbewerbskultur am Arbeitsplatz
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 10. August 2024

Wettbewerbskultur bedeutet, sich anderen gegenüber durch Einzelkampfverhalten behaupten zu müssen. Unter dem Motto “einer gegen alle” ist jeder danach bestrebt, aus Konkurrenz-Situationen siegreich hervorzugehen, während die Führung dieses Verhalten toleriert oder zum Teil sogar fördert. Der englische Psychologe und Philosoph Herbert Spencer beschrieb dieses Phänomen als “survival of the fittest” (Überleben des Stärkeren), doch dieses Wettbewerbsdenken hat seinen Preis.

Wir analysieren nachfolgend die Konsequenzen der Wettbewerbskultur am Arbeitsplatz.

“Aus Rivalität kann nichts Schönes entstehen; und aus Stolz kann nichts Edles entstehen.”

John Ruskin

Wettbewerbskultur am Arbeitsplatz

Aristoteles Onasis bemerkte einst, er habe weder Freunde noch Feinde, sondern nur Konkurrenten. Dieser Gedanke veranschaulicht die Vision vieler großer Unternehmerinnen und Unternehmer, jedoch auch jener Mitarbeiter, die versuchen, sich mit ihrem Konkurrenzdenken nach oben zu kämpfen.

Wie Michael E. Porter, Professor an der Harvard Business School, in seinem Buch Wettbewerbsstrategie (2013) darlegt, ist der Wettbewerb ein Muss für jedes Unternehmen, denn das Konkurrenzdenken bewirkt Veränderungen und Wachstum. Durch die Globalisierung ist der Druck für Unternehmen heute deutlich höher, was sich oft auch auf die interne Dynamik auswirkt: Das Konkurrenzdenken bestimmt das Verhalten der Beschäftigten, die nicht davor zurückschrecken, sich gegenseitig auszuspielen. Welche Konsequenzen hat das?

Die negativen Folgen der Wettbewerbskultur

Ein wettbwerbsorientiertes Umfeld kann anregend und motivierend sein, wenn sich jedoch jeder rücksichtslos auf seine eigenen Ziele konzentriert, ist keine Kooperation möglich, es entstehen Konflikte und Stress und die Produktivität und Kreativität leiden.

1. Konflikte

Das National Institute of Occupational Health in Oslo (Norwegen) veröffentlichte 2022 eine interessante Analyse zu diesem Thema. Konflikte am Arbeitsplatz führen häufig zu krankheitsbedingten Fehlzeiten. Die Auswirkungen dieser Dynamik sind immens. Die Wettbewerbskultur führt am Arbeitsplatz häufig zu Differenzen, Kritik oder auch Mobbing.

2. Chronisch dysfunktionaler Stress

Der Konkurrenzkampf am Arbeitsplatz ist unter bestimmten Umständen produktiv. Wenn die Mechanismen gut strukturiert sind und es einen klaren und zielgerichteten Plan gibt, kann die Erfahrung lohnend und erfolgreich sein. Das ständige Konkurrenzdenken verursacht jedoch meistens Stress, der die psychische Gesundheit beeinträchtigt, wenn Druck und Rivalität zu groß sind.

3. Unethisches Verhalten

Eine unstrukturierte, ständige, auf Rivalität basierende Wettbewerbskultur führt zu betrügerischem Verhalten. Unethische Reaktionen und Handlungen sind in diesem Umfeld häufig. Wenn das einzige Ziel darin besteht, mehr zu erreichen als die anderen, mangelt es an Zusammenhalt, Empathie und Respekt. 

4. Geringere Produktivität

Eine Forschungsstudie der Renmin University of China weist darauf hin, dass wettbewerbsfähige Personen innovativ und selbstwirksam sind. Diese positiven Eigenschaften können jedoch zu rücksichtslosem Verhalten führen, wenn nur noch die Rivalität im Vordergrund steht. Dies wirkt sich negativ auf die Produktivität und die Zielerreichung aus.

Öffentliche Bloßstellungen oder Schuldzuweisungen haben Entmutigung, Stress und Demotivation zur Folge.

5. Von der Herausforderung zur Bedrohung

Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch Motivation und den Wunsch, etwas zu erreichen, angetrieben. Auch das Selbstvertrauen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Viele von uns lieben Herausforderungen und streben mit Enthusiasmus nach großen Zielen. Dies darf jedoch nicht so weit führen, dass sich andere bedroht und rücksichtslos behandelt fühlen. Im Team erreichen wir viel mehr als wenn wir uns gegenseitig austricksen und behindern.

6. Konformismus

Wenn man in ein widriges, wettbewerbsintensives und anstrengendes Arbeitsumfeld eintaucht, kann Konformismus die Folge sein. Anstatt anderen nachzueifern, geben wir uns damit ab, uns nicht mehr als notwendig anzustrengen. Es handelt sich um einen Mechanismus zum Selbstschutz.

7. Psychische Gesundheit

In stark wettbewerbsintensiven Szenarien sind wir anfälliger für Stress und Ängste. Statt Anerkennung zu erreichen, befinden wir uns ständig in einem bedrohlichen Arbeitsumfeld und haben Angst, nicht gut genug zu sein, den Job zu verlieren oder nicht mithalten zu können. Diese Situation wirkt sich sehr negativ auf das psychische Wohlbefinden aus.

Stress durch Wettbewerbskultur am Arbeitsplatz
In einem stark wettbewerbsorientierten Arbeitsumfald machen sich viele Sorgen und haben Angst entlassen zu werden, wenn sie die erwarteten Ziele nicht erreichen.

Wettbewerbskultur vs. Kooperationskultur

Wir bewegen uns in einer komplexen Gesellschaft und einer herausfordernden Arbeitswelt. Deshalb ist die gegenseitige Unterstützung am Arbeitsplatz besonders wichtig, um gute Leistung zu erbringen, Ziele zu erreichen und das psychische Wohlbefinden zu schützen. Bekannte Technologieunternehmen legen großen Wert auf eine kooperative Mentalität, mit der Herausforderungen und Veränderungen besser gemeistert werden können. Gemeinsam ist es einfacher, Ziele zu erreichen und als Unternehmen erfolgreich zu sein.


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