Stoizismus und Epikureismus: Griechische Philosophie für ein erfülltes Leben

Diese beiden griechischen Denkschulen regen uns zur Reflexion ein und dienen als Wegweiser für ein erfülltes und glückliches Leben.
Stoizismus und Epikureismus: Griechische Philosophie für ein erfülltes Leben

Letzte Aktualisierung: 31. Januar 2024

Stoizismus und Epikureismus sind zwei philosophische Schulen des antiken Griechenlands, die uns als Wegweiser für ein erfülltes und glückliches Leben dienen. Diese beiden Denkansätze verfolgen ähnliche Ziele, ihre Grundprinzipien und Herangehensweisen unterscheiden sich jedoch deutlich. Wir skizzieren anschließend die wichtigsten Prinzipien dieser Lehren, die uns auch in unserer modernen Gesellschaft helfen, besser mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen.

Was ist Stoizismus?

Das Wort “Stoizismus” leitet sich von dem griechischen Begriff “Stoa” (offene Säulenhalle) ab, denn Zenon von Kition, der Begründer dieser Denkschule, verbreitete seine Lehren in einer Säulenhalle in Athen. Es handelt sich um eine sehr praktische Schule, die darauf abzielte, Menschen zum Nachdenken über ihre Lebensführung zu bringen. Die Vertreter konzentrierten sich auf das Studium der Physik, der Logik und der Ethik.

Das zentrale Ziel des Stoizismus ist, das Leben auf Tugend und moralische Integrität aufzubauen, unabhängig von äußeren Umständen. Stoiker lehnen Leidenschaften und Emotionen ab, die als störend für die Vernunft und das Streben nach Tugendhaftigkeit angesehen werden.

Stoische Physik

Die stoische Physik befasst sich mit der Natur des Universums und der Ordnung der Welt. Die Stoiker glauben an eine Art göttliche Ordnung oder Logos, der das Universum durchdringt und lenkt. Das Verständnis dieser natürlichen Ordnung ist die Voraussetzung, um mit ihr im Einklang zu leben und Erfüllung zu erreichen.

Stoische Logik

Die Vertreter des Stoizismus legen großen Wert auf die rationale Argumentation. Sie glauben an die Macht der Vernunft und betonen die Bedeutung des klaren Denkens. Der Stoizismus bewertet Eindrücke oder Wahrnehmungen kritisch, denn sie können irreführend sein. Die Lehre der Eindrücke (Kataleptik) fordert deshalb, Eindrücke zu prüfen, um falsche Schlussfolgerungen zu vermeiden.

Unsere Urteilskraft (Hegemonikon) ermöglicht es uns, objektive und vernünftige Urteile über Eindrücke und Wahrnehmungen zu fällen. So können wir vermeiden, uns von Emotionen oder subjektiven Vorurteilen leiten zu lassen.

Schließlich können wir Eindrücke und Urteile bewusst ablehnen oder annehmen, indem wir vernünftige Überlegungen anstellen. Die Zustimmung (Assent) sollte von fundierten Gründen begleitet werden und nicht auf Emotionen oder oberflächliche Eindrücke aufbauen.

Stoische Ethik

Die Ethik des Stoizismus legt einen starken Schwerpunkt auf Tugendhaftigkeit und moralische Integrität. Eigenschaften wie Weisheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Selbstbeherrschung sind entscheidend, um wahres Glück und Zufriedenheit zu erreichen.

Was ist Epikureismus?

Epikur von Samos begründete diese Denkschule um 306 v. Chr. Er lehrte in einem Garten, der für Schüler aus verschiedenen Teilen Griechenlands zum Ort der Diskussion und des Studiums wurde. Die Zeit in Athen gilt jedoch als die bedeutendste und einflussreichste Phase dieses Philosophen.

Epikur betrachtete die Philosophie als Therapie, um Leid zu heilen und Menschen von Ängsten zu befreien. Die zentralen Ziele des Epikuräismus sind ein Leben der Freude (Ataraxie) und die Abwesenheit von Schmerz (Aponie):

Unbegründete Ängste

Epikur beschrieb die natürliche Angst vor dem Tod als lähmende Macht. Doch der Tod sollte keine Trauer auslösen, denn solange wir leben, spüren wir ihn nicht, und wenn wir sterben, fühlen wir nichts mehr. Es gibt also nichts zu fürchten.

Die Furcht vor den Göttern hingegen ist irrational bzw. unnatürlich und hat ihren Ursprung in mythischen und religiösen Geschichten, die rachsüchtige und egoistische Wesen darstellen. Epikur geht jedoch davon aus, dass sich die Götter, auch wenn sie noch so vollkommen sind, nicht für weltliche Angelegenheiten interessieren. Wir müssen deshalb keine Angst vor Vergeltung haben.

Genussvolles Leben

Der Epikureismus lehrt, dass ein genussvolles Leben ein zentrales Ziel menschlicher Existenz ist. Allerdings definiert dieser Ansatz Genuss nicht einfach als hedonistische Vergnügungssucht, sondern als das Erreichen einer inneren Ruhe und Zufriedenheit durch die Befriedigung natürlicher Bedürfnisse in Maßen.

Das Ziel des Epikureismus ist, einen Zustand der Ataraxie zu erreichen, das bedeutet innere Ruhe, Gelassenheit und Seelenfrieden. Genuss führt als weg vom Leiden und hin zum Wohlbefinden, wir sprechen jedoch immer von gemäßigten Freuden und der Befriedigung der Grundbedürfnisse.

Unterschiede zwischen Stoizismus und Epikureismus

Beide Schulen streben nach Gelassenheit und Glück, die nicht in Exzessen zu finden sind. Außerdem legen sie großen Wert auf freundschaftliche Beziehungen und praktisches Wissen, doch wir können auch Unterschiede beobachten:

  • Ziel: Die Stoiker setzen sich für ein Leben nach der Vernunft ein. Im Epikureismus hingegen ist das Ziel die Ataraxie oder Unerschütterlichkeit der Seele.
  • Rationalität: Die Stoiker zeichnen sich durch eine starke rationale Komponente aus. Die Epikureer hingegen betonten die Tugenden der Vergnügungen, die von den Stoikern verschmäht werden.
  • Die Rolle der Philosophie: Die stoische Strömung betrachtete die Philosophie als ein theoretisches und praktisches System, dessen Ziel es war, ein friedliches und rationales Leben zu erreichen. Die Epikureer hingegen hielten die Philosophie für eine Droge, die jene Übel heilt, die den Geist und den Körper der Menschen plagen.
  • Glück: Die beiden Schulen haben unterschiedliche Ansichten über das Glücklichsein. Die Stoiker möchten sich von überflüssigen Gütern und Gefühlen befreien, die von einem Leben im Einklang mit der Natur abhalten. Die Epikureer hingegen glauben, Glück durch die Abwendung vom Leid und die Zuwendung zu gemäßigtem intellektuellen Vergnügen zu erreichen.

Stoizismus und Epikureismus heute

Der Stoizismus ist wieder in Mode: Zahlreiche Selbsthilfebücher versuchen, uns in Zeiten sozialer Unsicherheit und Ungewissheit Hoffnung zu geben. Eine Arbeit der Universität Murcia weist jedoch darauf hin, dass sich das zeitgenössische stoische Phänomen darauf konzentriert, die Emotionsregulierung zu verbessern und insbesondere negative Gedanken zu überwinden. In diesem Sinne könnten stoische Lehren als Ergänzung einer Psychotherapie betrachtet werden.

In seinem Buch Carpe Diem: Petite Initiation a La Sagesse Epicurienne  schreibt Charles Senard über den Epikureismus in der Gegenwart und seine Grenzen. Er erwähnt unter anderem, dass wir die Fähigkeit bewahren müssen, die kleinen Freuden des Lebens zu genießen, um Glück zu erlangen. Stoizismus und Epikureismus können sich ergänzen und uns auch heute helfen, ein erfüllteres Leben zu führen.

Der Stoizismus hilft dir, emotionale Widerstandsfähigkeit und Gelassenheit zu entwickeln. Der Epikureismus hingegen lehrt dich, inneren Frieden und angenehme Erfahrungen zu erleben.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Berti, G. (2015). Epicuro. El objetivo supremo de la filosofía es conseguir la felicidad. RBA Contenidos Editoriales y Audiovisuales.
  • Boeri. (2003). Los Estoicos Antiguos: Sobre la Virtud y la Felicidad. Editorial Universitaria.
  • Bordoy, F. C. (2007). Epicuro y el epicureísmo. Liceus.
  • Canteros, M. (2023). La nueva stoa. El estoicismo como práctica terapéutica neoliberal. Pensamiento al margen. https://digitum.um.es/digitum/handle/10201/133447
  • Durand, M., Shogry, S., & Baltzly, D. (2023). Stoicism. The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Consultado el 15 de diciembre de 2023.  https://plato.stanford.edu/entries/stoicism/
  • Senard, C. (2023). Ser estoico no basta: Sabiduría epicúrea para vivir el presente. Editorial Rosamerón. https://books.google.com.ar/books?id=ZPXGEAAAQBAJ&dq=Ser+estoico+no+basta&lr=&hl=es&source=gbs_navlinks_s
  • Pigliucci, M. (s/f). Stoicism. Utm.edu. Consultado el 12 de diciembre de 2023, de https://iep.utm.edu/stoicism/

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.