Stimming: Was ist selbsststimulierendes Verhalten?

Als Stimming bezeichnet man rhythmische und sich wiederholende Verhaltensweisen, die der Selbstregulierung dienen.
Stimming: Was ist selbsststimulierendes Verhalten?
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 06. Januar 2023

Autismus ist ein Spektrum, das sehr unterschiedliche Ausprägungen und Symptome zur Folge hat. Es gibt jedoch ein Merkmal, das vielfach vorhanden ist und in den Augen des Beobachters auffällig oder sogar beunruhigend sein kann. Es wird als Stimming (Self-stimulating behavior) bezeichnet.

Dieses selbststimulierende Verhalten äußert sich unter anderem durch das Wippen oder Springen,  motorische Wiederholungen oder Lautäußerungen wie Summen oder Geräuschen. Manche drehen sich ständig oder wiederholen immer wieder dieselben Bewegungen.

Es handelt sich um Stereotypien, die nicht ausschließlich auf Autismus beschränkt sind. Sie können auch bei Menschen mit verschiedenen sensorischen oder neurologischen Defekten oder ADHS auftreten. Manchmal sind sie auch ohne Pathologie vorhanden.

In diesem Zusammenhang stellt sich immer wieder die Frage, ob das Stimming verhindert oder reduziert werden sollte. Die andere Möglichkeit wäre, es zu verstehen und zu respektieren. Wir erklären anschließend, was Stimming ist, und sehen uns beide Positionen etwas genauer an.

Stimming: Was ist selbsststimulierendes Verhalten?
Stimming ist ein selbststimulierendes Verhalten, das vor Reizüberflutung schützt.

Was ist Stimming?

Wie bereits erwähnt, handelt es sich um rhythmische und sich wiederholende Verhaltensweisen, die in stereotyper Weise auftreten und der Selbstregulierung dienen. Dieses selbststimulierende Verhalten kann viele Formen haben: Manche Personen kauen an den Nägeln, andere wickeln die Haare um die Finger, wenn sie gelangweilt oder nervös sind und wiederum andere wippen hin und her. Es gibt auch Personen, die mit dem Finger schnippen, Stimmgeräusche von sich geben oder Objekte anstarren.

Weitere Beispiele:

  • Visuell: wiederholtes Blinzeln oder das Ein- und Ausschalten des Lichts
  • Akustisch: Quietschen oder das Wiederholen von Sätzen oder Wörtern
  • Taktil: das Reiben der Haut oder Klopfen mit den Fingern
  • Geruch und Geschmack: Schnüffeln oder Ablecken von Gegenständen
  • Vestibulär: Springen oder Schaukeln

Wozu dient das Stimming?

Betroffene schützen sich damit vor Reizüberflutung. Es handelt sich um einen Bewältigungsmechanismus, der ihnen hilft, sich zu beruhigen, Ängste zu mindern oder intensive Gefühle zu regulieren. Zu den wichtigsten Funktionen zählen folgende:

Selbststimulation

Betroffene stimulieren sich damit, wenn sie sich langweilen, monotone Aktivitäten ausüben oder sich in einem Umfeld befinden, das Unbehagen auslöst.

Sinnesregulierung

Wie zuvor erwähnt, hat das Stimming auch eine schützende Funktion, wenn sehr viele Reize auf die betroffene Person einfließen: helles Licht, Lärm, Hektik, Menschenmengen usw. Das selbstregulierende Verhalten erleichtert es ihnen, diese Reize zu verarbeiten und sich sicher zu fühlen.

Emotionsmanagement

Stereotypien helfen Betroffenen, mit intensiven Emotionen umzugehen. Wenn sie unter Stress stehen oder sich in einer bedrohlichen Umgebung befinden, können sie damit beispielsweise ihre Ängste abbauen.

Kommunikation und Ausdruck

Stimming kann auch in der emotionalen Kommunikation eine wichtige Rolle spielen. Betroffene drücken damit ihr Unbehagen aus, um anderen mitzuteilen, dass sie Unterstützung oder Ermutigung benötigen. Sie können damit jedoch auch Freude und Glück sichtbar machen.

autistisches Kind reagiert mit Stimming
Stimming kann den Alltag beeinträchtigen, wenn es häufig und intensiv auftritt.

Sollte Stimming verhindert werden?

Früher glaubten viele, dass selbststimulierendes Verhalten kontrolliert und korrigiert werden muss. Es wurden Interventionsprotokolle entwickelt, um diese Stereotypien zu behandeln. Inzwischen sind sich jedoch viele Experten einig, dass Stimming wichtige Funktionen hat, die respektiert und verstanden werden müssen.

Es gibt jedoch auch verschiedene Situationen, in denen eine Intervention sinnvoll sein könnte:

  • Stimming kann zur Selbstverletzung führen (unter anderem wenn die betroffene Person mit dem Kopf an die Wand schlägt).
  • Dieses Verhalten kann die Aufmerksamkeit stören und deshalb Lernprozesse negativ beeinflussen.
  • Es kann sich selbst verstärken, da es belohnend ist. Betroffene beschäftigen sich manchmal zu sehr mit sich selbst. Die Häufigkeit und Intensität kann das Alltagsleben beeinträchtigen.
  • Stimming kann stigmatisierend wirken, da andere Stereotypien nicht verstehen oder als befremdlich empfinden. Deshalb können soziale Beziehungen schwer sein. Betroffene erfahren häufig Ablehnung.

Zuerst muss also geklärt werden, ob das selbststimulierende Verhalten in irgendeiner Weise schädlich ist. Nur dann ist eine Intervention sinnvoll. Die betroffene Person kann lernen, sich auf andere Weise zu regulieren.


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