Sokushinbutsu: die selbstmumifizierten Buddhas vom Berg Yudono

Selbstmumifizierte Mönche haben in Japan Kultstatus. Erfahre Interessantes über das leidvolle Ritual der Selbstverleugnung.
Sokushinbutsu: die selbstmumifizierten Buddhas vom Berg Yudono
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 06. November 2023

Die Mumifizierung im alten Ägypten bietet uns einen Einblick in die Vergangenheit, doch Mumien gibt es nicht nur in Ägypten. Der Begriff Sokushinbutsu beschreibt eine japanische Technik der Selbstmumifizierung, die bis ins 19. Jahrhundert insbesondere in der Präfektur Yamagata praktiziert wurde.

Es handelt sich um eine buddhistische Tradition der Selbstverleugnung, die mit extremen Schmerzen einhergeht. Die Buddhas vom Berg Yudono sind heute eine Touristenattraktion, denn sie erinnern an eine ausgesprochen unmenschliche Praxis, die japanische Mönche über Jahrhunderte ausübten. Erfahre anschließend Interessantes über Sokushinbutsu.

Sokushinbutsu: Selbstmumifizierung bei lebendigem Leib

Die Überlieferung besagt, dass es der Mönch Kōbō Daishi (774-835), der Begründer der Shingon-Schule, dies Praxis der Selbstmumifizierung in Japan populär machte, nachdem er von einem Aufenthalt in China zurückgekehrt war. Soweit bekannt ist, verbreitete sich Sokushinbutsu in Japan jedoch erst im 14. Jahrhundert. Diese Praxis wurde im 19. Jahrhundert verboten, 1903 starb der letzte selbstmumifizierte Mönch.

Sokushinbutsu (即身仏) bedeutet so viel wie “Buddha im eigenen Körper”. Mit dieser Technik mumifizierten sich buddhistische Mönche selbst in einer äußerst schmerzhaften und langwierigen Prozedur. Der Glaube spricht von einem tranceähnlichen Bewusstseinszustand, der als Tukdam bekannt ist: Das ist eine tiefe Meditation, die letzte Stufe bevor ein Mönch zu einem Buddha wird.

Ein in der Zeitschrift Expedition Magazin veröffentlichter Artikel erklärt, dass Ehre, die Linderung von Leid und die Selbstaufopferung zur Abwendung von Übel die häufigsten Gründe für die Selbstmumifizierung waren. Das gilt für viele Sokushinbutsu, die heute noch erhalten sind, wie Shinnyokai shōnin und Testumonkai shōnin.

Auch heute noch werden diese selbstmumifizierten Mönche mit Respekt verehrt. Sie erhalten Opfergaben, denn viele Gläubige sind davon überzeugt, dass sie im Zustand des Tukdam auf ihre Bitten und Gebete eingehen können. In manchen Regionen Japans ist der Glaube verbreitet, dass die Sokushinbutsu viele Hungersnöte, Seuchen und Unglücke abwenden konnten.

Sokushinbutsu: Ritual der Selbstmumifizierung

Das Ritual der Selbstmumifizierung baut auf Entbehrungen auf: Das Wort mokujiki-gyō bedeutet “Baumessen”. Die Mönche ernährten sich ausschließlich von Wurzeln, Baumrinden, Kifernnadeln, Nüssen und Beeren. “Sanrō” bedeutet der Rückzug in die Berge, insbesondere in der Region des Berges Yudono, die als Sennin-zawa oder Sumpf der Magier bekannt ist.

Mit diesem Ritual sollten einerseits die weltlichen Leidenschaften unterdrückt werden, andererseits wurde damit die Selbstmumifizierung eingeleitet: Die Asketen verhungerten durch die radikale Nahrungseinschränkung langsam, waren jedoch körperlich sehr aktiv, um Körperfett abzubauen. Das 1000-tägige Ritual, das auf die innere Distanz von der Welt ausgerichtet war, war sehr leidvoll. Der gesamte Prozess konnte bis zu 20 Jahre dauern:

  • Die Mönche zogen sich in die Einsamkeit der Berge zurück, ihre Ernährung war wie bereits erwähnt sehr eingeschränkt.
  • Dreimal am Tag waren kalte Wasserbäder vorgesehen. Die Asketen reisten zum Yudono-Schrein, während sie das mahāvairocana-Sutra rezitierten.
  • Medizinische Behandlung war bei Krankheiten tabu, die Mönche mussten ihre Reise fortsetzen.
  • Sie vertieften sich in dieser Zeit in die Meditation.
  • Nach tausend Tagen beschränkten sich die Mönche schließlich auf Samen und einen Tee aus einer hochgiftigen Baumrinde, der Brechreiz provozierte, um den Flüssigkeitsverlust voranzutreiben.
  • Nach dieser rituellen Reinigung legten sich die Asketen in einen Holzsarg, um sich auf die finale Phase der Selbstmumifizierung vorzubereiten.
  • Der Sarg wurde versiegelt, der Mönch lebend begraben. Eine Öffnung mit einem Bambusrohr ermöglichte ihm das Atmen. Er konnte mit einer Glocke signalisieren, dass er noch am Leben war, doch das war der einzige Kontakt mit der Außenwelt.
  • Auf diese Weise verhungerten die Asketen in ihren Holzsärgen, um in die tiefe Meditation, den Zustand des dochū nyūjō einzutreten.
  • Die selbstmumifizierten Mönche starben während der Meditation (Jhana) des Mantras Nenbutsu.
  • Nach drei Jahren und drei Monaten wurden die Asketen schließlich exhumiert, in klerikale Gewänder gekleidet und in einem Tempel beigesetzt.

Es überrascht nicht, dass nur sehr wenige Asketen den gesamten Prozess bis zum Ende durchführten. In buddhistischen Texten aus der Region heißt es jedoch, dass es Hunderte von Sokushinbutsu gibt, die bisher nicht exhumiert wurden. Die Durchführung dieses Rituals ist heute verboten (Strafgesetzbuch Artikel 202). Die Beteiligung an einer Selbstmumifizierung ist ebenfalls eine Straftat.

Was die Wissenschaft über Sokushinbutsu sagt

Die Mönche von Yamagata und anderen asiatischen Regionen faszinieren Wissenschaftler aufgrund ihrer perfekten Konservierung. Die inneren Organe sind intakt, ihr Aussehen erinnert an ägyptische Mumien. Die anfangs zitierte Studie, die in PLOS ONE veröffentlicht wurde, analysierte die Geschichte und Prozesse anhand einer Auswahl an japanischen Mumien. Wissenschaftler legen nahe, dass die Mumifizierung dieser Mönche nicht so natürlich wie beschrieben stattfand. Möglicherweise wurde der Prozess manipuliert, um eine Mumifizierung zu erreichen.

Andrea Castiglioni, außerordentlicher Professor an der Nagoya City University in Japan, erklärt, dass Ad-hoc-Manipulationen vorgenommen wurden, was jedoch den religiösen Wert dieser Mumien keinesfalls schmälert. Eine in Frontiers in Psychology veröffentlichte Studie analysierte den vermeintlichen Trancezustand Tukdam, konnte jedoch keine elektroenzephalografische Aktivität feststellen. Auch dies steht nicht im Widerspruch zu dem religiösen, spirituellen oder glaubensbezogenen Werten der Sokushinbutsu.

Die Zukunft der selbstmumifizierten Mönche

Die Sokushinbutsu haben eine ungewisse Zukunft: Rechtlich gesehen werden sie vom japanischen Staat als menschliche Überreste eingestuft und genießen daher nicht denselben Schutz wie Statuen oder andere buddhistische Bilder mit historischer Bedeutung für die Nation.

Daher erhalten die Tempel, in denen die Mönche aufbewahrt werden, von den lokalen Regierungen oder Verwaltungen keine Mittel zur Erhaltung. Sie tragen selbst sämtliche Kosten. Dazu kommt, dass sich die Mumien nicht in einer geschützten Umgebung befinden, deshalb ist der optimale Erhaltungszustand nicht gewährt. Der Tourismus und das Interesse an der japanischen Kultur sind deshalb wichtig, um die Sokushinbutsu-Mönche zu erhalten.


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