Shunyata: die Leerheit in der buddhistischen Philosophie
Die westlichen Philosophien tendierten dazu, eine einheitliche Sichtweise auf die Welt zu entwickeln. Sie erreichten dies durch die Suche nach einer unveränderlichen Essenz in der Realität. Die östlichen Lehren hingegen entwickelten sich in die gegenteilige Richtung. In diesem Artikel betrachten wir einen zentralen Begriff des Buddhismus: Shunyata – das Fehlen eines konstanten Seins oder die Leerheit und Nicht-Existenz eines dauerhaften Wesenskerns.
Es handelt sich um zwei gegensätzliche Arten, die Wirklichkeit zu begreifen. Die westliche Philosophie gibt der systematischen Erforschung der Realität den Vorrang, während im Osten der Schwerpunkt eher auf der Stärkung des menschlichen Geistes liegt.
Was bedeutet Shunyata?
Das Wort Shunyata stammt aus dem Sanskrit. Es lässt sich mit “Leere”, “Leerheit” oder “Nichts” übersetzen. Die chinesische Philosophie des Taoismus hat diesen Begriff übernommen und neu interpretiert. Im Chinesischen wird Shunyata als k’ung bezeichnet.
Shunyata stammt aus der buddhistischen Lehre des Anatta (Nicht-Selbst) und zielt darauf ab, Leid zu verhindern. In seiner Doktorarbeit erklärt Cristian Contreras Radovic, dass damit ebenfalls die Erleuchtung angestrebt wird.
Der Schöpfer dieser Philosophie ist der Mönch Nagarjuna, der im Buddhismus als Revolutionär gilt. Er entwickelte innerhalb des Buddhismus eine neue Denkströmung, die als Mahyana oder “großes Fahrzeug” bezeichnet wird.
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Die Leerheit in der buddhistischen Philosophie
Shunyata ist die totale Abwesenheit, die die gesamte Realität umhüllt und im Menschen Unbehagen auslöst, da er Projektionen von unmöglichen Formen der Existenz erschafft. Mit anderen Worten: Wir haben eine falsche Vorstellung von einer Realität, die es nicht gibt.
Da wir uns dieser Unmöglichkeit nicht bewusst sind, schaffen wir selbst Probleme und Sorgen, die durch Unwissenheit und Ignoranz gegenüber der Realität entstehen. Ein in der Zeitschrift Oriente y Occidente veröffentlichter Artikel weist darauf hin, dass der Zugang zu einer Wahrheit ganz anderer Art möglich ist, wenn wir das verstehen. Wir können uns von den Fesseln der Unsicherheit befreien, denn die Angst vor Veränderungen schränkt uns ein.
Auch die unaufhörliche Suche nach dem definitiven Wesen der Dinge und die Unbeständigkeit verschwinden durch die Erkenntnis des Shunyata. Wir erreichen so wahre Freiheit.
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Die Leerheit im Taoismus
Wie bereits erwähnt, gelangte das Konzept der Leerheit des Buddhismus über den Taoismus nach China. Im Buddhismus erstreckt sich die Leerheit auf die Gesamtheit der Naturphänomene: Alle Dinge, die wir sehen und berühren, zeichnen sich dadurch aus, Shunyata gilt als Quelle jeder Existenz.
Im Taoismus hingegen ist die Leerheit mit der Sprache verbunden. Das bedeutet, dass unsere sprachlichen Fähigkeiten an eine Grenze stoßen und es unmöglich ist, die gesamte Realität zu benennen und ihr eine Bedeutung zu geben. Die Leerheit kann nicht in den Grenzen der Sprache gefangen gehalten werden. Sie ist in der uns umgebenden Realität präsent und wird auf den unbeständigen und vergänglichen Charakter der Dinge zurückgeführt.
Leerheit und das bedingte Entstehen
Nagarjuna, der wie bereits erwähnt als Begründer der Philosophie der Leerheit gilt, geht von der Abhängigkeit der Phänomene von etwas anderem als sie selbst aus: Das “bedingte Entstehen” ist die Voraussetzung für ihre Existenz. Die Zeitschrift Tlamatini erklärt, dass der Begriff Leerheit als philosophisches Konzept ausdrückt, dass alles leer ist, was aus einer Bedingung entsteht.
Wir sprechen deshalb von einer nicht existierenden Ewigkeit oder Dauerhaftigkeit, von einer nicht wesenhaften Welt. Nagarjuna zufolge können wir also nur befreit werden, wenn wir die Realität so akzeptieren, wie sie ist. Wir müssen die Existenz und ihre Bedingungen berücksichtigen und verstehen, um Freiheit zu erreichen.
In diesem Zusammenhang spielt die Sprache eine essenzielle Rolle, denn wir müssen uns von einigen ihrer Anmaßungen befreien. Wir dürfen nicht vergessen, dass Wörter nicht die Essenz der Dinge bezeichnen.
Fazit
Wir können Shunyata als eine andere Art des Verständnisses der Realität, in der wir leben, betrachten. Wie in The Encyclopedia of Philosophy of Religion erwähnt, wird der Begriff in westlichen Ländern fast immer als Nihilismus interpretiert, nicht jedoch in den grundlegenden Texten des Buddhismus.
Das Ziel ist, andere Sichtweisen auf die Welt zu verstehen, die über die kanonischen philosophischen Theorien des Westens hinausgehen. Das Verständnis der Ideen und Konzepte der östlichen Strömungen ist nicht einfach, doch sie zeigen uns andere Standpunkte, die unseren Geist öffnen.
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