Panpsychismus: Haben nur Menschen ein Bewusstsein?
Panpsychismus ist eine metaphysische Theorie, nach der alles, was existiert, eine Seele beziehungsweise ein Bewusstsein hat. Dazu gehören Tiere und Pflanzen, aber auch unbelebte Gegenstände. Wir finden die Vorstellung einer beseelten Welt bei vielen Stammeskulturen und großen Philosophen, auch Neurowissenschaftler haben dieses Thema untersucht.
Die mehrheitliche Sichtweise geht heute davon aus, dass nur Wesen mit einem hoch entwickelten Gehirn ein Bewusstsein haben, wir sprechen also von uns Menschen. Es handelt sich allerdings um ein umstrittenes Thema und die Debatte ist noch lange nicht beendet. Wie schaut es beispielsweise mit Tieren aus? In diesem Zusammenhang ist die Cambridge Declaration von 2012 zu erwähnen, in der ausdrücklich über das Bewusstsein von Tieren gesprochen wird.
“Der Glaube, dass nur Menschen in der Lage sind, irgendetwas bewusst zu erleben, ist absurd […] Sogar ein Wurm könnte ein sehr vages Gefühl dafür haben, wie es ist, am Leben zu sein.”
Christof Koch, Neurowissenschaftler
Panpsychismus: Was ist das?
Diese metaphysische Theorie geht davon aus, dass alle Lebewesen und Gegenstände im Universum eine “innerer Erfahrung“ und eine Form von Bewusstsein haben. Innerhalb dieser Richtung gibt es jedoch radikalere und weniger extreme Ansichten. Manche schreiben nur Lebewesen, einschließlich Mikroorganismen, die Fähigkeit des bewussten Erlebens zu, andere jedem Sandkorn.
Es handelt sich keineswegs um eine neue Idee: Bereits Thales von Milet war überzeugt davon, dass alles ein Bewusstsein hat. Aus dieser Idee entstand der berühmte Satz: “Alles ist voll von Göttern.” Platon verfolgte ähnliche Gedanken, ebenso wie Leibniz, Spinoza und Bertrand Russell.
Der italienische Priester und Dichter Giordano Bruno, der im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, war ebenfalls der Meinung, dass alles eine “Seele” oder ein “Lebensprinzip” haben muss. Mit dem Vormarsch des Positivismus wurde der Panpsychismus jedoch in den Hintergrund gedrängt. Erst in den 1970er-Jahren nahmen Philosophen wie Thomas Nagel und vor allem David Chalmers diese Idee wieder auf.
Das Geheimnis des Bewusstseins
David Chalmers weist darauf hin, dass das Bewusstsein trotz all der Fortschritte immer noch ein obskures Thema ist, über das wir noch wenig wissen. Im Allgemeinen unterscheidet er zwischen “einfachen” und “schwierigen” Problemen des Bewusstseins.
Das einfache Problem besteht darin, bewusste Phänomene wissenschaftlich zu erklären. Zum Beispiel kann man herausfinden, wann und wie das Auge eine Farbe aufnimmt, indem man sich die Teile des Gehirns ansieht, die dabei aktiviert werden. Das Schwierige daran ist, dass wir nicht wissen können, wie jeder Betroffene diese Situation innerlich erlebt. Mit anderen Worten: Wie siehst du rot? Siehst du dasselbe, wie andere Personen?
Letztlich geht es Chalmers darum, dass es in jedem Subjekt und vielleicht auch in jedem Objekt innere Erfahrungen gibt, die mit den Mitteln der Wissenschaft nicht aufgedeckt werden können. Dieses “Etwas” könnte als Bewusstsein, als individuelle Erfahrung bezeichnet werden. Nicht nur Chalmers hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt. So weist beispielsweise der bekannte amerikanische Neurowissenschaftler Christof Koch darauf hin, dass jedes Lebewesen weiß, dass es lebt.
Panpsychismus und leblose Gegenstände
Wie bereits angedeutet, schreibt der radikale Panpsychismus auch unbelebten Objekten eine Art Bewusstsein zu. Worauf stützt sich diese auf den ersten Blick absurd erscheinende Idee? Keith Frankish hat 2016 einen Artikel veröffentlicht, in dem er sich mit diesem interessanten Thema befasst.
Frankish ist Professor im Brain and Mind Programme an der Universität von Kreta, Griechenland. In seinem Artikel weist er darauf hin, dass ein Elektron Masse und Ladung (Materie und Energie) hat. Das physikalische Prinzip der Trägheit, nach dem jedes Objekt mit Masse in seinem Bewegungszustand verharrt, führt zu einem Beschleunigungswiderstand. Die Ladung bestimmt aufgrund der elektromagnetischen Wechselwirkung, wie Materie auf elektrische und magnetische Felder reagiert. Diese Beschreibung erklärt, was in einem Elektron passiert, nicht jedoch, was ein Elektron ist. Es gibt keine Möglichkeit zu wissen, wie es sich selbst erlebt.
Der Panpsychismus ist eine kontrafaktische Theorie: Der gesunde Menschenverstand sagt, dass es nur Leben gibt, wenn es Bewegung gibt, und dass es nur Bewusstsein gibt, wenn Gedanken erzeugt werden können. Einige Philosophen und Neurowissenschaftler sehen das anders. Wir werden in den nächsten Jahren sicher noch viel über dieses Thema hören.
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- Chalmers, D. J. (1997). The conscious mind: In search of a fundamental theory. Oxford Paperbacks.
- Gault, R. Panpsychism and the Problem of Consciousness.
- Jáuregui, C. (1994). Experiencia interna y subjetividad en la refutación kantiana del idealismo problemático. Revista de filosofía DIÁNOIA, 40(40), 177-187.