Ohne Akzeptanz kann kein Leid heilen

Ohne Akzeptanz kann kein Leid heilen
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Raquel Lemos Rodríguez

Letzte Aktualisierung: 10. April 2023

Der Tod eines geliebten Menschen, eine schmerzhafte Trennung vom Partner und ähnliche Situationen haben eines gemeinsam: Man muss sich der Trauer stellen. Es tut weh, aber es ist meist die einzige Möglichkeit: Man muss den Verlust akzeptieren. Jedoch bleiben wir oft in diesen schmerzhaften Situationen gefangen. Wir vergessen, dass Trauer nicht ohne Akzeptanz, und noch weniger ohne Schmerz überwunden werden kann. Der sich daraus ergebende Kampf verlangt uns vieles ab: Wille, Engagement, Glaube, Energie.

Wir wissen, wie ein solcher Kampf abläuft: Zuerst verleugnen wir das Geschehene. Im nächsten Schritt werden wir wütend und fühlen uns zornig. Danach bricht die Welt über uns zusammen und Traurigkeit wird zur vorherrschenden Emotion. Doch schlussendlich müssen wir den Verlust akzeptieren. Und doch leiden während all dieser Phasen und manchmal bleiben wir sogar in einer solchen stecken.

Es kann sein, dass wir den Schmerz für eine allzu lange Zeit verleugnen. Denn es tut weh, dem Leid ins Auge zu blicken. Vielleicht erscheint es uns einfacher, wütend zu werden und die Schuld für das Geschehene bei anderen oder gar beim Universum zu suchen. Darum bleiben wir stehen, verbieten uns, zu weinen, traurig zu sein und unsere schmerzhaften Gefühlen zum Ausdruck zu bringen.

Kein Leid kann ohne Tränen, Einsamkeit, Gefühle der Verzweiflung und Lustlosigkeit heilen.

Leid heilt nie ohne Schmerz

Es ist notwendig, zuerst in den Abgrund unserer Gefühle hineinzublicken. Wir lassen uns fallen, während wir versuchen, zu leugnen, was passiert ist. Wir werden wütend, doch daraufhin lösen wir uns von all der Traurigkeit, die sich in unserem Inneren entwickelt hat. In dieser vorletzten Phase kommt Verzweiflung auf und die Situation erscheint uns immer kritischer. Die Verzweiflung nimmt uns die Freude an allem. Im Angesicht der äußeren Umstände versetzen wir uns selbst in die Opferrolle und versinken immer weiter in der Depression, die wir unbewusst durch unser Handeln selbst erzeugen. Wir sind davon überzeugt, keine Kräfte mehr zu haben, um weiterzumachen und aus diesem Abgrund zu entfliehen, in den wir abgetaucht sind. Ein Abgrund, aus dem manchmal kein Weg hinauszuführen scheint.

Rücken einer traurigen Frau

Es mag paradox erscheinen, doch es gibt kein Leid, das ohne Schmerz verheilt. Und dieser bodenlose Abgrund ist nur das, was wir aus unserer eigenen Perspektive erkennen – zumindest zum Großteil. Wir schaffen eine Wirklichkeit, wie wir sie gern wahrnehmen möchten.

Wenn wir uns in solchen Momenten des Schmerzes selbst davon überzeugen, dass für uns keine Hoffnung besteht, dann wird es auch so sein. Uns fehlt im Moment die Kraft, um aus der Dunkelheit zu fliehen, in die wir versunken sind. Uns fehlt die Kraft, den Blick nach oben zu richten, aus dem Abgrund hinaus. Es können Wochen, ja sogar Monate vergehen, in denen uns dieses Gefühl gefangen hält.

Doch der Schmerz wird dumpfer und die Situation, in der wir feststecken, wird uns ermüden. Eines Tages werden wir mit der Motivation aufwachen, aus dem Abgrund unserer Traurigkeit zu entfliehen – bevor wir in unseren eigenen Tränen ertrinken.

Wenn du dich erschöpft fühlst, erfüllt von Enttäuschung und Traurigkeit, kann die Welt unerträglich werden. Doch denke an die Zeiten zurück, in denen du glücklich warst! Unsere Sicht auf die Welt ändert sich, je nachdem wie wir uns fühlen.

Mann betrachtet untergehende Sonne

Die Angst, zu fühlen

Obwohl wir wissen, dass keine Wunden ohne Schmerz und Akzeptanz heilen können, werden wir das nächste Mal, wenn wir in solch eine Situation geraten, wieder in gleichem Maße leiden wie beim ersten Mal. Das liegt daran, dass es uns schwerfällt solche Emotionen zu spüren, und uns unsere innere Stimme jedes Mal sagt, dass diese Gefühle für immer anhalten werden. Darum neigen wir dazu, zu fliehen.

Wenn wir keine andere Wahl haben, als mit dem, was wir erlebt haben, umzugehen, entwickeln wir Strategien, um Schmerz zu vermeiden. So durchleben wir alle Phasen der Trauer und empfinden jede noch schmerzhafter als die vorhergehende. Und das alles nur, um die letzte Phase nicht zu erreichen? Die Akzeptanz ist diese eine Phase, die wir so sehr vermeiden, obwohl sie uns befreit.

Der beschriebene Abgrund ist nicht wirklich ein Abgrund – er ist ein Tunnel! Wir müssen ihn betreten, durchqueren und schlussendlich wieder verlassen. Doch aus Angst, das Erlebte zu akzeptieren und die Gefühle zu spüren, lässt uns unsere Hoffnungslosigkeit nur ewige Dunkelheit erkennen, die alles andere bedeutungslos macht.

Darum denken wir in solchen Situationen, dass wir nie wieder einen Weg finden werden, um uns gut zu fühlen, glücklich zu sein und nach vorn zu sehen. Wir sind davon überzeugt, dass es nach Abschluss dieser Krise keine neuen Abenteuer mehr geben wird. Wir klammern uns so sehr an jene Menschen und erlebte Situationen, dass wir keine anderen Möglichkeiten mehr sehen. Aber das ist nicht der Fall. Doch um das zu verstehen, muss man den Schmerz umarmen, ihn fühlen und schlussendlich akzeptieren, um wieder nach vorn sehen zu können. Ein Psychologe kann dir dabei helfen, wenn du dich selbst nicht befreien kannst.

“In jedem Fall gab es nur einen Abgrund, dunkel und einsam: meinen.”


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.