Mit sich selbst sprechen: Eine sehr therapeutische Übung

Mit sich selbst sprechen: Eine sehr therapeutische Übung
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 28. März 2022

Laut mit sich selbst zu sprechen hat wenig mit Wahnsinn zu tun. Es handelt sich um einen inneren Dialog, den wir da führen. Dieser dient allerdings nicht dazu, ausschließlich seine Traurigkeit und Sorgen zu äußern. Wer Selbstgespräche führen kann, praktiziert eine sehr therapeutische Übung. Schließlich leben wir alle mit uns selbst. Mit dem eigenen Sein zu kommunizieren, hat etwas Vitales, Entschlackendes und emotional Notwendiges. Auf diese Weise achten wir auf uns, wie wir es verdienen.

So seltsam es auch erscheinen mag, wir schenken dem Gespräch mit uns selbst nicht immer die Aufmerksamkeit, die es verdient. Wir vernachlässigen uns wie jemand, der sein persönliches Tagebuch in einer Schublade vergisst, wie jemand, der die Hausschlüssel in fremden Taschen liegen lässt.

“Nicht einmal der mutigste Entdecker der Welt macht so lange Reisen wie derjenige, der in die Tiefen seines Herzens hinabsteigt.”

Psychologen erklären uns, dass wir tatsächlich alle einen inneren Dialog führen: Wir tun es jedoch zumeist auf die erdenklich schlechteste Art und Weise. Ethan Kross ist ein bekannter Wissenschaftler und Emotionspsychologe der University of Michigan (Michigan, USA). Er sieht in unserer Anfälligkeit für negative Selbstgespräche etwas Unvermeidbares. An einem Morgen hat er es an sich selbst wahrgenommen, als er mit seinem Handy beschäftigt war. Ohne es zu merken, überquerte er eine rote Fußgägnerampel. Nur knapp konnte er einem Auto ausweichen, das ihn fast überfahren hätte. Überrascht und in seine eigenen Studien versetzt fühlte er sich, als er seinen eigenen Namen laut aussprach und zu sich selbst sagte, wie dumm er doch gewesen sei.

Zu sich selbst sprechen ist der Schlüssel zur Gesundheit

Professor Ethan Kross führte eine Reihe von Experimenten durch. Seine Ergebnisse waren ebenso interessant wie nützlich, um unser Verständnis von Selbstgesprächen zu erweitern: Die Personen, die mit sich selbst sprechen und ihre Dialoge damit beginnen, ihren eigenen Namen auszusprechen, sind erfolgreicher. Außerdem treten sie selbstsicherer auf und fühlen sich glücklicher. Sie mag auf den ersten Blick naiv erscheinen, aber wir können auch diese Schlussfolgerung nicht ignorieren: Das Gehirn funktioniert deutlich besser und nimmt die Umwelt anders wahr, wenn wir mit ihm sprechen. Insgesamt regulieren wir unsere emotionale Welt angemessener.

Der Dialog mit uns selbst hat einen klaren Nutzen, den uns auch die Wissenschaft in diversen Studien gezeigt hat. Nun wollen wir weitere Aspekte im Detail betrachten.

Selbstgespräche fördern die intellektuelle Leistungsfähigkeit

Wir werden nicht von heute auf morgen schlauer, weil wir Selbstgespräche führen. Was passiert, ist, dass wir unsere intellektuelle Leistungsfähigkeit langfristig steigern. Das bedeutet, wir erhöhen unsere Fähigkeit, zu reflektieren, verbessern unsere Konzentration und lassen uns weniger leicht ablenken.

Wenn wir uns etwas so Einfaches sagen wie “Maria, konzentriere dich und denke darüber nach, was du bezüglich dieses Problems unternehmen willst!”  oder “Simon, du verschwendest deine Zeit. Beruhige dich und besinne dich auf das, was gerade passiert!“,  kann uns das zweifellos helfen, unsere kognitiven Prozesse zu optimieren.

“Es gibt drei Dinge, die extrem hart sind: Stahl, Diamanten und Selbstkenntnis.”

Benjamin Franklin

Frau malt ihr Gesicht

Selbstgespräche stärken das Selbstwertgefühl

Jeder von uns lebt teilt seine Umwelt mit einer Reihe von Menschen. Mal kommen wir besser mit ihnen aus, mal schlechter. Abgesehen von unserem Umfeld sind wir es selbst, mit denen wir unser Leben teilen. Warum schließen wir uns also aus der Gleichung der zwischenmenschlichen Beziehungen aus? Warum bleiben wir nicht den ganzen Tag bei uns selbst, trinken einen Tee oder Kaffee und sprechen mit uns über dieses und jenes?

Niemand wird uns verrückt machen. Wer es doch tut, der verpasst eine der bewährtesten Techniken der Selbsthilfe und des persönlichen Wachstums. Hier sind einige kleine Beispiele dafür:

  • Mit sich selbst zu sprechen, erlaubt uns, uns auf den gegenwärtigen Moment und die momentanen Gefühle zu konzentrieren. Wir machen uns unsere Emotionen bewusst, verstehen und regulieren sie.
  • Der innere Dialog ist auch eine reichhaltige Quelle der Motivation. Sie ist die am einfachsten zugängliche, die, in die man am meisten vertrauen kann und die uns niemals enttäuscht. Selbst in den schwierigsten Situationen kann nichts aufmunternder sein, als sich selbst zu sagen: “Mach weiter, Angela, du hast es schwer, aber du kannst jetzt nicht aufgeben und du wirst es schaffen!”
  • Auf der anderen Seite wurde uns in einem Fachbeitrag erklärt, dass wir durch lautes Sprechen einen Schalter in der Großhirnrinde umlegen. Auf diesem beruht das Bewusstsein des Ichs, und wenn wir es anschalten, entwickeln verstärken wir die Kontrolle über unsere Psyche, um klarer und effizienter zu denken.
  • Indem wir dieser ruhigeren und sichereren inneren Stimme nachgeben, sind wir auf dem besten Weg, eine positivere Einstellung zu erlangen. Zudem relativieren wir so negative Gedanken.
Frau mit wehendem Haar im Herbstwald

Abschließend lässt sich eines über das Führen von Selbstgesprächen sagen: Sie haben nur dann einen positiven Effekt, wenn wir es schaffen, ihnen diese Richtung zu geben. Jeder von uns kennt dieses ständige Geflüstern voller Selbstzweifel. Wir sagen uns selbst, dass wir etwas falsch machen, und werfen uns vor, Fehler nicht mehr rückgängig machen zu können. Lasst uns die negativen Gespräche vermeiden. Es gibt schließlich nichts Schlimmeres, als uns in unseren schlimmsten Feind zu verwandelt.

Lasst uns versuchen, uns selbst nicht zu vernachlässigen. Wir sollten auf uns achten wie auf ein kostbares Gut. Dabei gilt es diesen inneren Dialog auf positive, konstruktive und emotionale Weise zu führen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.