Merlí: eine völlig andere Fernsehserie
Noch nie zuvor wurden im Fernsehen so viele Serien zur gleichen Zeit gezeigt wie heute. Allerdings ist es nicht mehr ganz korrekt, wenn wir diese als “Fernseh”-Serien bezeichnen. Die vielen neuen Streaming-Plattformen, die es inzwischen für TV, Filme, Reality Shows und Dokumentationen gibt, haben unser Verständnis davon, was eine Serie ist, komplett verändert. Merlí ist ein großartiges Beispiel dafür.
Unter der riesigen Auswahl an Serien, die es heute gibt, hat es eine geschafft, die Zuschauer zu bilden, zu motivieren, zu unterhalten und gleichzeitig zu amüsieren. Darüber hinaus hat sie die Zuschauer auch emotional sehr berührt. Das haben bereits viele Serien vorher getan. Das Außergewöhnliche an dieser Serie ist allerdings, dass der Hauptdarsteller ein Philosophielehrer ist. Und dieser Lehrer heißt Merlí.
Merlí bringt den Menschen die Philosophie näher
Wenn du keinen Bezug zu Philosophie hast, dann denkst du vielleicht wie viele andere Menschen über sie: sie ist trocken, sehr langweilig und extrem theoretisch. Das wirklich Bemerkenswerte an dieser Serie ist, dass sie die Philosophie auf eine Art und Weise zeigt, die du sehen, anwenden und auch fühlen kannst. Dadurch wird sie praktisch erfahrbar und geht weit über die philosophischen Schriften und Theorien hinaus.
Viele Menschen sehen in der Philosophie den Ursprung aller modernen Disziplinen, die nach Wissen und Weisheit streben. Die philosophischen Lehren sprechen über das Leben und stellen unzählige Fragen, die auch in anderen Disziplinen behandelt werden. Daher darf man sich zurecht die Frage stellen, ob es einen besseren Weg gibt, Philosophie zu erklären, als durch das Leben selbst? In dieser Serie wird sie am Leben des Hauptdarstellers Merlí erläutert. Nach ihm wurde auch die Serie benannt, die aus drei Staffeln besteht.
Weiterhin ist an dieser Serie so bemerkenswert, dass jede einzelne Folge eine bestimmte philosophische Lehre behandelt. In jeder Folge werden die Grundideen und Theorien eines Philosophen erklärt. Dies geschieht, ohne, dass die Handlung dadurch gestört wird. So kannst du durch Merlí die der Philosophie zugrunde liegenden Theorien und Lehren sehr anschaulich und praktisch verstehen. Du wirst erstaunt sein, wie verständlich und interessant dies gelingt.
Sie ist wie das Leben selbst
Die Serie entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik. Der Hauptdarsteller Merlí (gespielt von Francesc Orella) ist ein alternder und ausgebrannter Philosophielehrer. Oftmals benimmt er sich unreif, ist sensibel und legt übertrieben viel Wert auf ein männliches Auftreten. Gleichzeitig ist er aber auch sehr authentisch, weise und provokativ.
Vieles, was in der Serie passiert, ist auch eng mit den anderen Hauptdarstellern verknüpft: seinen Schüler. Im Verlauf der Geschichte wirst du mehr über die Licht- und Schattenseiten im Leben einiger Schüler erfahren.
Was Merlí zu einem außergewöhnlichen Lehrer macht, ist die Tatsache, dass er sein persönliches Leben mit dem all seiner Schüler vermischt. Dies ist eines der unzähligen Beispiele für seine politische Unkorrektheit und die Art, wie er soziale Grenzen und die Gesellschaft als Ganzes in Frage stellt. Die Beziehung zwischen dem Lehrer und seinen Schülern reicht in dieser Serie weit über die Grenzen des Klassenzimmers hinaus.
Lachen, Zittern, Tränen, Frustration… all diese Gefühle und Reaktionen wird diese Serie in dir auslösen. Sie ist sehr realistisch und dabei absolut nicht vorhersehbar. Außerdem sind ihre Charaktere ausgesprochen gut und ausgereift angelegt.
Der Charakter Merlí
Die größte Herausforderung bei einer Serie mit nur einem einzigen Hauptdarsteller ist es, diesen Charakter sehr gut anzulegen. Hier ist es den Machern der Serie gelungen, Merlí als Persönlichkeit nahezu perfekt darzustellen. Es ist ihnen gelungen, einen “Helden” zu erschaffen. Gleichzeitig weist dieser aber einige Charaktereigenschaften auf, die das komplette Gegenteil des klassischen Helden-Archetyps sind.
So kannst du ihn in einigen Situationen sehr mutig und verwegen erleben, in anderen wiederum verhält er sich feige und unreif. Er verhält sich überall sehr gefühlsbetont, ist aber gleichermaßen tief in seinem Inneren sehr großmütig und nobel. Da es ihm an jeglicher moralischer Scheinheiligkeit mangelt (wahrscheinlich eine seiner bemerkenswertesten Charaktereigenschaften), wirst du ganz sicherlich gebannt vor dem Fernseher sitzen. Allerdings soll das nicht heißen, dass du jederzeit seiner Meinung sein wirst.
Leben und Tod, Krankheit, Liebe, Drogen, Freundschaft… dies sind nur einige der Themen, die in dieser Serie behandelt werden. Aufgrund seines Charakters schafft es Merlí stets, diese Themen anzusprechen, ohne dabei übermäßig ernst oder dramatisch zu werden. Für ihn sind all diese Ereignisse nur ein Teil des Lebens. Dabei ist es für ihn entscheidend, dass du mit allem so gut wie möglich fertig werden musst, ganz egal, in welch schwieriger Situation du dich auch befinden magst.
Die Bindung, die er zu jedem seiner Schüler hat, ist deshalb so besonders, weil Merlí offensichtlich selber auch noch teilweise ein Jugendlicher geblieben ist. Genau diese Seite hilft ihm dabei, eine Beziehung zu seiner Klasse aufzubauen. Gleichermaßen fesselt er damit auch die Zuschauer. Allerdings drückt sich diese Seite nicht so sehr in seiner Sprache oder seinen Interessen aus, sondern vielmehr in seiner Einstellung. Es ist sein gelegentlicher Hedonismus und seine Unverantwortlichkeit, die dies verdeutlichen.
Abschließende Gedanken
Diese Serie wird dich sehr schnell in ihren Bann ziehen, ohne, dass du das überhaupt bemerken wirst. Außerdem ist es durch sie gelungen, einige Themen wieder in unseren Fokus zu bringen, die wir alle sehr nötig haben: Reflexion, kritisches Denken, Akzeptanz, Wissen und Philosophie. Das ist mit Merlí sehr gut gelungen!