Massenpsychologie, ein Teilbereich der Sozialpsychologie

Die Massenpsychologie ist ein neuer und interessanter Bereich der Verhaltenswissenschaften, der verschiedene Aspekte des Gruppenverhaltens analysiert. In dieser Lektüre erfährst du mehr über diese Perspektive.
Massenpsychologie, ein Teilbereich der Sozialpsychologie

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2023

Die Massenpsychologie ist ein Zweig der Sozialpsychologie, der das Verhalten und die psychologischen Prozesse großer sozialer Gruppen untersucht. Sie konzentriert sich darauf, wie Menschen in Gruppen interagieren und sich beeinflussen, z. B. bei Demonstrationen, Protesten, in Menschenmengen, Sport- oder religiösen Veranstaltungen.

Dieser Teilbereich der Psychologie untersucht, wie individuelle psychologische Prozesse, Emotionen, Überzeugungen und Werte durch den sozialen Kontext, in dem sie stattfinden, beeinflusst und geformt werden. Sie interessiert sich auch dafür, wie soziale und kulturelle Strukturen das Gruppenverhalten steuern und wie jede Einzelperson die Gruppendynamik beeinflussen kann.

Die Massenpsychologie leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von kollektiven Einstellungen und Verhaltensweisen. Sie ist deshalb in Bereichen wie Politik, Werbung, Propaganda, Bildung und öffentliche Sicherheit von besonderer Bedeutung. Erfahre heute Interessantes über diesen psychologischen Teilbereich.

“Was nicht in die Masse dringt, ist unwirksam.”

Karl Jaspers

Massenpsychologie und Gruppenpsychologie

Obwohl die Begriffe “soziale Gruppe” und “Masse” oft synonym verwendet werden, gibt es wichtige Unterschiede. Eine soziale Gruppe interagiert regelmäßig miteinander und weist eine gemeinsame Identität, gemeinsame Ziele und Normen auf. Die Mitglieder sind sich ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe bewusst und haben in der Regel festgelegte Rollen und Funktionen.

Die Masse hingegen bezieht sich auf eine große Anzahl von Personen, die an einem bestimmten Ort zusammenkommen. Sie müssen jedoch keine gemeinsame Identität, gemeinsame Ziele und Normen haben. In der Masse verhalten sich Einzelpersonen oft ähnlich, aber ohne vorherige Planung oder Koordination. Das ist unter anderem bei einem Konzert der Fall.

Auch die Dynamik von sozialen Gruppen und Massen kann unterschiedlich sein. In einer sozialen Gruppe können die Mitglieder komplexere und sinnvollere Interaktionen erzielen. Im Gegensatz dazu sind die Interaktionen in einer Masse eher oberflächlich und flüchtig.

Ferner können Einzelpersonen in einer Masse stärker von den Emotionen und Impulsen des Augenblicks beeinflusst werden. In einer sozialen Gruppe sind Entscheidungen und Handlungen eher reflektiert und überlegt.

Die historische Entwicklung der Massenpsychologie

Der Pionier auf diesem Gebiet war der französische Psychologe Gustave Le Bon. In seinem 1895 veröffentlichten Werk Psychologie der Massen¹ analysierte er die psychologischen Prozesse, die in Menschenmengen ablaufen.

Später leisteten unter anderem Autoren wie Sigmund Freud, Wilfred Trotter oder Herbert Blumer wichtige Beiträge zur Erforschung dieses Teilbereichs der Psychologie und der Verhaltenstheorien, und zwar aus unterschiedlichen Ansätzen und theoretischen Perspektiven. Viele zeitgenössische Theoretikerinnen und Theoretiker haben sich mit diesem Forschungsgebiet beschäftigt und wichtige Beiträge geleistet. Einige der bekanntesten sind:

  • Serge Moscovici: Dieser französische Sozialpsychologe forschte über die Rolle von Minderheiten und den Einfluss, den sie auf die Überzeugungen und Einstellungen der Massen haben können.
  • Gustavo Dessal: Ein argentinischer Psychoanalytiker, der das Phänomen der Massenpsychologie durch die psychoanalytische Brille betrachtete. Er betonte die Bedeutung von Emotionen und Identifikation bei der Gestaltung der Massen.
  • Enrique Pichon-Rivière: Argentinischer Psychoanalytiker und Psychiater, der an der Entwicklung der Bindungstheorie beteiligt war und über die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen für die Gestaltung der Massen forschte.
  • Manuel Castells: Spanischer Soziologe, der wichtige Beiträge zur Erforschung von Kommunikation und Technologie bei der Gestaltung der heutigen Gesellschaften und Massen leistete.
  • Zygmunt Bauman: Polnischer Soziologe, der die sozialen und kulturellen Veränderungen der flüchtigen Moderne² und ihren Einfluss auf die Formung der Massen untersuchte.

Anwendungen der Massenpsychologie

Die Erkenntnisse der Massenpsychologie werden in verschiedenen Bereichen angewandt, unter anderem in der Politik, der Werbung, der Propaganda und der Religion. Ein eindeutiges Beispiel sind die Propagandatechniken, die während des Zweiten Weltkriegs zur psychologischen Manipulation der Massen zum Einsatz kamen. In der Werbung finden wir viele Beispiele, unter anderem die Kampagne von Marlboro in den 1950er-Jahren. Ein amerikanischer Cowboy prägte die Vorstellung von Männlichkeit und Freiheit in Verbindung mit dem Tabakkonsum.

Fazit

Die Erkenntnisse der Massenpsychologie helfen, kollektive Emotionen, Werte und Einstellungen besser zu verstehen, welche die Wahrnehmung und das Verhalten in einer Gruppe oder Menschenmasse beeinflussen.

▶ Lese-Tipp

  1. Psychologie der Massen, Gustave Le Bon, Nikol 2009
  2. Flüchtige Moderne, Zygmunt Bauman, Suhrkamp 2003

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