Margaret Floy Washburn: die erste promovierte Psychologin
Margaret Floy Washburn war eine hervorragende Studentin, die ihrer Zeit weit voraus war. Sie hatte einen starken Charakter und verfügte über große Ausdauer und Hartnäckigkeit. Aus diesem Grund respektierten sie viele ihrer männlichen Kollegen. Allerdings wurden Frauen damals nicht zum Studium zugelassen und daher wurde sie nur als “Zuhörerin” in den Vorlesungen geduldet. Trotz all dieser Widrigkeiten können wir uns heute an sie als die erste Frau erinnern, die in Psychologie promoviert hat.
Wenn wir an die Pioniere der Psychologie denken, dann kommen uns natürlich berühmte Namen wie Sigmund Freud, Piaget und Jung in den Sinn. Zweifelsohne waren diese Herren maßgeblich an der Entwicklung der Psychologie beteiligt. Dennoch gab es auch viele weibliche Pionierinnen, unter ihnen auch Margaret Floy Washburn. Sie standen allerdings viel zu oft im Schatten ihrer männlichen Kollegen, da die Leistungen von Frauen zur damaligen Zeit nicht als gleichwertig anerkannt wurden.
Frauen in der Wissenschaft
In der breiten Öffentlichkeit herrschen viele Vorurteile und Fehleinschätzungen über die bedeutendsten Persönlichkeiten in der Psychologie. Wir wissen häufig gar nicht, in wie vielen Disziplinen auch Frauen sehr wertvolle Beiträge geleistet haben.
Es gibt viele Pionierinnen in unterschiedlichen Fachgebieten, die schlichtweg nicht bekannt sind. Ihre Entdeckungen und ihre Forschungsarbeiten wurden oft von ihren männlichen Kollegen überschattet und häufig auch heruntergespielt. Daher ist es gar nicht so einfach, diese Frauen aus den dunklen Ecken der Vergangenheit zurück ins Rampenlicht zu holen.
In der Psychologie gab es, wie in anderen Fachgebieten auch, Frauen, die durch ihre Arbeit und Leistungen wertvolle Beiträge zur Weiterentwicklung dieser Disziplin geleistet haben. Eines hatten all diese Frauen gemeinsam: sie mussten sehr große Hürden überwinden, um von ihren männlichen Kollegen überhaupt beachtet zu werden.
Anstatt ihnen zu helfen, versuchten die Männer stattdessen zu beweisen, dass Frauen sowohl körperlich, moralisch als auch sozial nicht in der Lage seien, ernstzunehmende wissenschaftliche Arbeit zu leisten.
Margaret Floy Washburn und Vorurteile
Ein Beispiel hierfür ist Margaret F. Washburn. Wie wir bereits erwähnt haben, wurde sie an der Columbia Universität nicht zugelassen, weil sie eine Frau war. Dennoch schaffte sie es, diese gewaltigen Hindernisse zu überwinden und arbeitete schließlich doch noch als Psychologin an der Universität. Außerdem wurde sie aus verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften ausgeschlossen, wie beispielsweise aus dem Kreis der Experimentalisten (The Experimentalists), der vom Experimentalpsychologen Edward B. Titchener geleitet wurde.
Bis weit ins 20. Jahrhundert verwehrten Universitäten Frauen den Zugang zum Studium. Darüber hinaus konnten Frauen auch viele Berufe, bei denen Studien oder Forschungen betrieben wurden, nicht ergreifen, denn sie durften diese nicht ausüben. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Frauen, deren Leistungen und Erfolge einfach aus der Geschichte gestrichen wurden. Dadurch wurden natürlich auch all ihre Erkenntnisse und Forschungsergebnisse vernichtet.
“Die Geschichte über den Widerstand der Männer gegen die weibliche Emanzipation ist vermutlich interessanter, als die Geschichte der Emanzipation selbst.”
-Virginia Woolf-
Eine Geschichte von Resilienz
Margaret Floy Washburn wurde 1871 als Einzelkind in New York geboren. Ihre Familie zog häufig um, da ihr Vater Pfarrer in der anglikanischen Kirche war und in wechselnden Pfarreien arbeitete.
Margaret war eine sehr gute Schülerin und wollte an der Columbia Universität in New York Psychologie studieren. Sie wählte diese Universität, weil Professor James McKeen Cattell dort lehrte. Er war einer der bedeutendsten Psychologen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Außerdem trug er als Vertreter der sogenannten amerikanischen Schule der Psychologie (American School of Psychology) maßgeblich dazu bei, dass die Psychologie als vollwertige Wissenschaftsdisziplin anerkannt wurde. Bis zu seinem Wirken wurde sie von vielen nur als Pseudowissenschaft angesehen.
Obwohl die Columbia Universität eine exzellente und sehr renommierte Universität war, verweigerte sie Frauen den Zutritt zum Studium. Daher konnte Washburn damals nur als Gasthörerin an den Vorlesungen teilnehmen. Als Cattell sah, mit welcher Begeisterung und welchem großen Interesse Margaret seine Vorlesungen verfolgte, ermutigte er sie dazu, sich an der Cornell Universität zu bewerben. Sie tat dies und arbeitete daraufhin unter der Anleitung von Titchener.
Margaret Floy Washburn und ihre experimentelle Studie
Sie führte eine experimentelle Studie der Äquivalenzmethoden in der taktilen Wahrnehmung durch und erwarb dadurch ihren Master-Abschluss in Psychologie. Anschließend promovierte sie über den Einfluss visueller Bilder auf die Beurteilung taktiler Distanz und Richtung.
Diese Doktorarbeit schickte Titchener dann an Philosophische Studien, dem ersten Fachmagazin für Experimentalpsychologie, wo sie im Jahr 1885 veröffentlicht wurde. Ein Jahr zuvor promoviert sie als erste Frau im Fach Psychologie.
Später, im Jahr 1908, veröffentlichte Margaret Floy Washburn ihr wichtigstes und zugleich bekanntestes Buch, The Animal Mind (Der tierische Geist). In diesem Buch der vergleichenden Psychologie sammelte sie Forschungen über die experimentelle Arbeit in der Tierpsychologie.
Außerdem enthielt es eine große Vielfalt an Forschungen, die sich mit den Sinnen und der Wahrnehmung befassten. Washburn wurde bei dieser Arbeit unterstützt und erhielt auch entsprechende Anerkennung für ihre Leistungen. Offensichtlich war sie weitgehend unbeeindruckt von der sexistischen Diskriminierung, die Frauen zu dieser Zeit widerfuhr.
Aufgrund ihrer ausgeglichenen und versöhnlichen Wesensart wurde sie schließlich als erste Frau in den Club der “Experimentalisten” aufgenommen. Allerdings erfolgte die Aufnahme erst nach dem Tod des Gründers, Titchener. In den 25 Jahren zuvor waren Frauen aus dem Club ausgeschlossen.
Abschließende Gedanken zu Margaret Floy Washburn
Zweifelsohne führte Dr. Washburn ein aufregendes und außergewöhnliches Leben. Bis zum Ende kämpfte sie für die Erreichung der Ziele, die sie sich gesetzt hatte. Obwohl ihre Kollegen ihre Leistungen und Verdienste anerkannten, blieb ihr dennoch der gebührende Platz in der Geschichte der Psychologie verwehrt. Sie erhielt weder die soziale Stellung, die sie verdient hätte, noch wurden ihre Leistungen und Forschungen angemessen gewürdigt.
“Jeder, der sich mit Geschichte auskennt, weiß, dass große soziale Veränderungen ohne Frauen nicht möglich sind. Sozialen Fortschritt kann man genau daran messen, wie gleichberechtigt die Geschlechter sind.”
-Karl Marx-