Kognitive Verzerrungen: übertriebenes Verallgemeinern
Zuerst möchten wir erwähnen, dass ein übertriebenes Verallgemeinern eine sogenannte kognitive Verzerrung ist. Das soll heißen, dass es sich dabei um einen fehlerhaften Gedankengang handelt, dem unser Verstand folgt, ohne dass wir es bemerken. Wir verarbeiten eine Information auf fälschliche Weise, was uns die Realität anders wahrnehmen lässt und auch dazu führt, dass wir in gewisser Weise emotional aufgewühlt sind.
Im Allgemeinen werden kognitive Verzerrungen als falsche Glaubenssätze definiert, aus denen eine dysfunktionale Gemütsverfassung resultiert. Solche Gemütslagen können beispielsweise irrationale Ängste oder eine unbegründete Traurigkeit sein. Übertriebenes Verallgemeinern gehört zu dieser Liste der kognitiven Verzerrungen.
Beim übertriebenen Verallgemeinern wird die Realität auf extreme Weise vereinfacht. Die Dinge sind entweder weiß oder schwarz, gut oder schlecht. Feinheiten, die zwischen dem einen und dem anderen Extrem existieren, werden nicht wahrgenommen. Wer solch eine kognitive Verzerrung aufweist, fühlt sich gut damit, die Realität nur auf eine dieser beiden extremen Weisen zu sehen. Woher aber kommt eine solche verzerrte Wahrnehmung? Was kann man dagegen tun? Genau das möchten wir uns nachfolgend ansehen.
„Verallgemeinern bedeutet immer, sich zu irren.“
Hermann Keyserling
Übertriebenes Verallgemeinern: Die Merkmale
Das Hauptmerkmal eines übertriebenen Verallgemeinerns ist die Neigung dazu, unterschiedliche Realitäten zusammenzufassen und nur ganzheitlich zu betrachten, um sie somit in der gleichen Kategorie einzuordnen. Deshalb sind die Lieblingsworte von Menschen, die auf so eine Weise denken, sehr kategorisch: immer, nie, alles, nichts etc. – das tun sie ganz automatisch. Jedes Ereignis, das sie wahrnehmen, muss von ihnen in eine dieser Schubladen gesteckt werden.
Das Besorgniserregende daran ist, dass diese extremen Kategorien für gewöhnlich sehr negativ sind. Sie benutzen diese Denkweise, um die Existenz von etwas Schlechtem zu betonen. Menschen mit dieser Denkweise verwenden häufig Ausdrücke wie „Ich habe einfach immer Pech“ oder „Immer werde ich ausgenutzt“. Das Gegenteil hören wir nicht.
Wer sich des übertriebenen Verallgemeinerns bedient, tut gerade so, als würde es keine feinen Unterschiede und Grautöne geben. Einen Großteil ihrer Identität bauen sie auf diesen ständigen Verallgemeinerungen auf und sie möchten schlichtweg alles in vorbestehende Schubladen stecken. Und auch wenn ihnen die Realität vor Augen führt, dass sie sich irren, wollen sie von ihrer extremen Einschätzung nicht absehen.
Woher kommt diese kognitive Verzerrung?
Übertriebenes Verallgemeinern deutet darauf hin, dass es sich bei solch einer Denkweise um jemanden handelt, der sich in Bezug auf das Leben in der Opferrolle sieht. Niemand denkt und verhält sich auf diese Weise, einfach so, weil er Lust darauf hat. Eine kognitive Verzerrung entsteht durch eine emotionale Blockade, die das Ergebnis von unzureichend aufgearbeiteten Erfahrungen ist. Im Grunde genommen denken Menschen mit solchen Gedankengängen, dass sie „unschöne Dinge“ erlebt hätten, die sie nicht verdient hätten.
Das Opfer nimmt sich selbst als passives Objekt der Umstände oder des Schicksals wahr. Es glaubt nicht, dass es irgendeine Kontrolle über die erlebten negativen Ereignisse oder über den Umgang mit diesen habe. Es nimmt an, dass es passiv Schaden genommen habe und nichts dagegen tun könne.
Es handelt sich also um eine Blockade der emotionalen Entwicklung. Diese Menschen sehen sich noch immer wie ein Kind. Sie haben keine Werkzeuge oder Ressourcen gefunden, die sie nutzen könnten, um ihre Schwierigkeiten zu überwinden. Anstatt dessen projizieren sie ihre Beschwerde und neigen zu übertriebenem Verallgemeinern, um ihre Existenz zu sichern.
Wie man übertriebenes Verallgemeinern der Vergangenheit angehören lassen kann
Diese Art des Denkens ist nicht nur ein kognitiver Fehler, sondern impliziert auch ungelöste Konflikte. Diese zu überwinden, bedeutet, unsere eigene Geschichte, uns selbst und was wir in der Gegenwart tun können, anders zu sehen. Natürlich ist es für uns leichter, uns in Bezug auf unsere Umstände in die Opferrolle zu zwängen: Es befreit uns von der Verantwortung. Und um diese Haltung abzulegen, müssen wir zuerst grundsätzlich akzeptieren, dass wir für das, was mit uns passiert, verantwortlich sind, vor allem aber für die Art und Weise, wie wir es angehen.
Ein guter Anfang ist es, uns dieser Automatismen bewusst zu werden. Wir sollten jedes Mal selbst Alarm schlagen, wenn wir kategorische Worte wie „nie“, „immer“, „alles“, „nichts“ aussprechen. Dann sollten wir innehalten und bewerten, wie gerechtfertigt diese Aussage ist.
Darüber hinaus ist es wichtig, über jene Situationen nachzudenken, in denen wir uns wie das Opfer fühlen. Vielleicht eine Beziehung, die uns Unannehmlichkeiten bereitet, oder eine Aufgabe bei der Arbeit, die wir als übermäßig anspruchsvoll empfinden.
Haben wir wirklich keine andere Wahl, als etwas still zu ertragen? Oder wissen wir vielleicht, dass es andere Auswege gibt, haben aber Angst, uns für sie zu entscheiden? Vielleicht ist übermäßiges Verallgemeinern ein Indikator dafür, dass wir uns selbst nicht ernst genug nehmen. Vielleicht brauchen wir Raum und Zeit, um darüber nachzudenken, was mit uns geschieht.
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