Körperintegritätsidentitätsstörung (BIID) - wenn das mentale Körperbild nicht mit dem realen übereinstimmt
Allein die Vorstellung, einen Körperteil zu verlieren, ist erschreckend. Die Körperintegritätsidentitätssörung (Body Integrity Identity Disorder oder kurz BIID) führt jedoch dazu, dass Betroffene das Verlangen empfinden, Gliedmaßen oder einen Sinn (z. B. den Sehsinn) absichtlich zu verlieren. Das mentale Körperbild stimmt nicht mit dem tatsächlichen überein, was sehr ernste Folgen haben kann.
Betroffene verwenden oft einen Rollstuhl oder Prothesen, ohne sie zu benötigen. Sie verstümmeln sich selbst, indem sie unter anderem die Blutzufuhr einer Extremität blockieren, sich eine Säure in die Auge sprühen oder andere drastische Aktionen durchführen. Erfahre anschließend mehr über diese Störung.
Körperintegritätsidentitätsstörung: Was ist das?
Personen mit einer Körperintegritätsidentitätsstörung empfinden bestimmte Körperteile als fremd und störend, da ihre Vorstellung des eigenen Körpers nicht mit der Realität übereinstimmt. Deshalb spüren sie den Drang, ihren Körper an ihr geistiges Bild anzupassen. Diese Störung ist im Handbuch der Differenzialdiagnosen DSM nicht erfasst, sie wurde jedoch in die ICD-11-Klassifikation aufgenommen. Verschiedene Autoren haben wichtige Beiträge zum universellen Verständnis der Körperintegritätsidentitätsstörung geleistet.
Das häufigste Symptom ist das Verlangen nach einer Amputation gesunder Gliedmaßen. Hier können wir unter anderem die Apotemnophilie (Lustgewinn durch Amputation) oder die Acrotomophilie (sexuelle Erregung durch Menschen, mit amputierten Gliedmaßen) erwähnen. Viele Betroffene nennen den sexuellen Aspekt als sekundären Grund für das Bedürfnis nach einer Amputation. In verschiedenen Studien haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass es häufiger zur Selbstverstümmelung kommt, wenn eine sexuelle Erregungskomponente vorhanden ist.
Neben dem Wunsch nach einer Amputation kann es auch zu dem Verlangen nach anderen Arten von Behinderung kommen: Manche möchten bestimmte Sinne verlieren oder querschnittsgelähmt sein.
Die Patienten entwickeln zwanghafte Gedanken und leiden an großem Unbehagen, Angst und Stimmungsschwankungen. Die meisten isolieren sich, da sie sich kein gesellschaftliches Verständnis erwarten können. Außerdem ist zu erwähnen, dass Männer deutlich häufiger an einer Körperintegritätsidentitätsstörung leiden als Frauen.
Nach einer Amputation fühlen sich Menschen mit einer Körperintegritätsidentitätsstörung erleichtert.
Welche Ursachen sind bekannt?
Diese Störung entwickelt sich in der Regel in der Kindheit und Jugend, das Verlangen nach einer Amputation oder Behinderung äußert sich jedoch erst im Erwachsenenalter. In Deutschland ist die Amputation gesunder Gliedmaßen nicht möglich. Es handelt sich um eine ethische Frage, die jedoch von vielen abgelehnt wird, da wir noch zu wenig über diese Krankheit wissen und es sich um eine irreversible Maßnahme handelt. Es gibt jedoch auch Befürworter, die damit argumentieren, dass die Patienten nach einer Amputation zufriedener sind.
Einige Theorien gehen davon aus, dass sich die Störung entwickelt, wenn ein Kind engen Kontakt mit einer behinderten Person hat. Es kann die Situation dieser Bezugsperson idealisieren und sie als erstrebenswert betrachten. In der Folge entwickelt es die Idee, dass die Behinderung ein Weg ist, Wertschätzung und Aufmerksamkeit zu erlangen. Manche empfinden die Amputation auch als ästhetisches Ideal, das sie attraktiver macht.
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die Störung mit einer Läsion oder Schädigung des rechten Scheitellappens des Gehirns zusammenhängen könnte. Es konnten Unterschiede in der Größe bestimmter Hirnstrukturen und eine Hyperreaktivität bestimmter Bereiche, die mit der Propriozeption zu tun haben, beobachtet werden.
Gibt es Behandlungsmöglichkeiten?
Es gibt noch keine allgemein anerkannte Behandlung, die diese Störung heilen könnte. In den meisten Fällen erfolgt eine medikamentöse Intervention (mit Antidepressiva oder Antipsychotika) in Kombination mit einer Psychotherapie. Die betroffene Person muss sich jedoch darüber bewusst sein, dass sie an einer Störung leidet und Hilfe akzeptieren.
In den meisten Fällen möchten Betroffene eine chirurgische Intervention, um ein Gliedmaß zu entfernen. Damit können sie zwar mehr Zufriedenheit erlangen, doch es handelt sich um ein moralisches Dilemma. Psychologische Unterstützung ist auf jeden Fall nötig, um Patienten mit einer Körperintegritätsidentitätsstörung zu helfen.
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