Im Guten auseinandergehen
Es ist okay, jemanden gehen lassen, doch besser ist es noch, in Frieden Lebewohl zu sagen und uns von der Last zu befreien, die Wut, Zorn und Trostlosigkeit mit sich bringt. Wenn wir mit jemandem im Guten auseinandergehen, können wir die Trennung viel weniger schmerzvoll, erträglicher und freier hinnehmen.
Das mag vielleicht entgegengesetzt der allgemeinen Vermutung klingen, aber es ist möglich, schmerzlichen und ungesunden Gefühlen zu entkommen. Natürlich gibt es Momente, die wir sehr intensiv durchleben müssen, doch wir können das tun, ohne zu leiden, ohne uns gegenseitig Teller an den Kopf zu werfen, ohne uns etwas einfallen zu lassen, wie wir dem anderen, der uns Schmerzen bereitet hat, das Gleiche antun können.
Wie ist es möglich, im Guten auseinanderzugehen? Indem wir aufbrausende Gefühle kanalisieren und ihnen einen Riegel vorschieben, indem wir unsere Emotionen kennen und uns erlauben, sie auf eine für uns und unsere Umgebung weniger schmerzvolle Weise auszudrücken.
Groll macht uns verwundbar
Es ist sehr schwierig, nicht wütend auf jemanden zu sein und keinen Groll gegen eine Person zu hegen, die uns mit ihrem Egoismus, ihren Verhaltensweisen und ihren schlechten Entscheidungen verletzt hat. Doch wir können unsere Gefühle mithilfe einer Taktik kanalisieren, die wie folgt aussieht:
- Verstehen, dass Ärgernis etwas Normales ist, aber Wut uns nur noch mehr Schmerzen bereitet.
- Jeder Mensch sollte herausfinden, wie sich diese Gefühle bei ihm äußern und wie aus ihnen Groll wird. Dafür müssen wir zuerst unsere Sichtweise ändern, unseren Verstand öffnen, die Situation an sich akzeptieren und unsere Gedanken ordnen.
- Es sind die Ereignisse, die uns Schmerzen bereiten, weshalb es keinen Sinn macht, unser Leid durch zerstörerische Gedanken und Verhaltensweisen selbst noch zu vergrößern.
- Es ist unnütz, sich auf die Suche danach zu begeben, jene emotionale Teile einer Beziehung zu beschwichtigen, zu reparieren oder zurückzugeben, die diese verursacht hat. Es gibt kein allgemeines Heilmittel dafür, emotionale Wunden schneller heilen zu lassen.
- Um uns also von dieser schweren Last zu befreien, die zu Bruch gegangene Beziehungen zur Folge haben, müssen wir uns einer dieser wunderbaren Fähigkeiten unseres Gehirns bedienen: des Vergessens.
- Es fällt nicht leicht, zu vergessen, weshalb wir anfangs daran arbeiten sollten, den Erinnerungen und dem schmerzlichen Teil einer Erfahrung nicht zu viel Beachtung zu schenken.
- Das wird uns dabei helfen, den Prozess des Vergessens einzuleiten und unsere ungesunden Gefühle zu neutralisieren. Als nächstes dürfen wir nicht in Selbstmitleid verfallen, uns nicht in die Opferrolle begeben und die Möglichkeit in Betracht ziehen, dem Menschen, der für unser Leid verantwortlich ist und nicht länger in unserem Leben sein will, zu verzeihen.
Zu vergeben bedeutet nicht, dass der Schmerz verfliegt
Wir können uns soweit wie wir wollen von der Situation distanzieren, doch zu vergeben heißt nicht, dass damit unser Schmerz im Nu verschwindet. Das rechtfertigt natürlich auch nicht die für uns schmerzliche Verhaltensweise des anderen, genauso wenig kann er sich dadurch seiner Verantwortung entziehen. Wenn wir jemandem vergeben, hilft uns das dennoch dabei, dass uns unsere Gedanken nicht zerstören und dass wir das Vertrauen in uns selbst und den Respekt für uns selbst nicht verlieren.
Wenn wir nicht zu frustrierten, verbitterten, schlecht gelaunten, ängstlichen, pessimistischen, zurückgezogenen, beherrschenden, schuldigen, aggressiven Menschen und Streithähnen werden möchten, ist es wichtig, sich in Vergebung zu üben.
Für jeden von uns ist es besser, eine Beziehung hinter sich zu lassen, die nur negative Gefühle zur Folge hat, unseren Erfahrungsschatz negativ erweitert und einen Teil in uns sterben lässt, den wir sehr schätzten. Daher möchte ich dir gern die Metapher der „Grollkartoffeln“ erzählen:
„Groll“ war heute das Thema des Unterrichts. Dazu hatte uns unser Lehrer gebeten, einen Rucksack und einen Sack Kartoffeln mitzubringen. Als wir uns hingesetzt hatten, sollten wir für jeden Menschen, gegen den wir Groll hegten, eine Kartoffel beschriften und in den Rucksack packen. Diesen Rucksack voller Kartoffeln sollten wir eine Woche lang mit uns herumtragen.
Wie zu erwarten war, faulten die Kartoffeln vor sich hin, und wir waren es mittlerweile leid, sie jeden Tag mit uns herumzuschleppen. Nach und nach verstanden wir die Lektion: Unser Rucksack verdeutlichte uns die emotionale Last, die wir täglich mit uns herumtrugen.
Während wir unseren Fokus immer auf unserem Rucksack hatten, konnten wir vielen wichtigeren Dingen keine Beachtung schenken. Wir fühlten auch, wie das Innere unseres emotionalen Rucksacks zu Faulen begann und zu einer immer größeren Last wurde. Das verdeutlichte uns den Preis, den wir täglich dafür zahlten, wegen etwas Groll zu hegen, das längst vergangen war und das wir nicht mehr ändern konnten.
Wenn wir nicht vergeben und uns befreien können, ist das pures Gift für uns, von dem wir jeden Tag einen Tropfen schlucken und welches dem Groll gleicht. Es liegt auf der Hand, dass die Vergebung kein Geschenk ist, das wir anderen machen, sondern uns selbst. Daher sollten wir immer versuchen, im Guten auseinanderzugehen.
Überlege gut, ob dir eine Trennung so lange Leid bereiten darf. Denn es macht keinen Sinn, uns durch Wunden der Vergangenheit selbst zu zerstören. Genauso wenig sinnvoll ist es, den Inhalt unseres emotionalen Rucksacks verkommen zu lassen.