Fatorexie und die Ablehnung des eigenen Körperbildes: eine körperdysmorphe Störung
Sara Bird erklärte den Medien ihre Erfahrung mit Fatorexie: Als sie von ihrem Arzt gebeten wurde, auf die Waage zu stehen, war sie schockiert. Sie sah eine dreistellige Zahl und konnte nicht glauben, dass es sich um ihr Gewicht handelte. Für einen Augenblick dachte sie, dass eine viel voluminösere Person den Raum betreten hatte, um sich an ihrer Stelle abzuwiegen. Eine andere Erklärung konnte sie nicht finden.
Sie ging deshalb beunruhigt und entrüstet nach Hause und betrachtete sich nackt vor einem Ganzkörperspiegel. Sie konnte sich selbst nicht erkennen. Die Frau, die sie im Spiegel sah, war ihr völlig fremd, das Körperbild war verändert, sie konnte sich nicht damit identifizieren. Doch warum war das so?
Manche Menschen halten sich selbst für gesund, obwohl sie an Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, die mit Übergewicht einhergehen.
Fatorexie: Was ist das?
Wir sprechen von einer Essstörung, die sich durch eine Form der Dysmorphophobie äußert und zu einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers führt. Betroffene sind offensichtlich übergewichtig, nehmen dies selbst jedoch nicht wahr. Sie sind sich nicht darüber bewusst, dass ihr Körpervolumen gesundheitsgefährdende Dimensionen annimmt und ihnen nur Kleidung in Spezialgrößen passt. Diese Störung tritt meistens nach dem 45. Lebensjahr auf.
Die eigene Fettleibigkeit nicht wahrzunehmen, ist ein sehr komplexes Problem, das ernste gesundheitliche Folgen hat.
Fatorexie tritt ab dem 45. Lebensjahr häufiger auf. Zu diesem Zeitpunkt treten ernsthafte Gesundheitsprobleme wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck usw. auf.
Fatorexie ist (noch) nicht im “Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen” (DSM-5) zu finden, ist jedoch wie beispielsweise Magersucht eine Essstörung mit ernsten Folgen, unter anderem:
- Diabetes
- Herz-Kreislauf-Probleme
- Schlafapnoe
- Bluthochdruck
- Dyslipidämie (erhöhter Cholesterinspiegel, Triglyceride usw.)
Sara Bird, die Britin, deren Erfahrung wir anfangs kurz erwähnten, hat ein sehr interessantes Buch mit dem Titel “Fatorexia: What do you see when you look in the mirror” geschrieben. Sie erklärt darin, dass sie 20 Jahre lang nicht in der Lage war, ihre Speckröllchen und das angesammelte Fett an ihrem Körper zu sehen.
Wie äußert sich das?
Fatorexie ist ein Zustand, der klinisch noch nicht genau definiert wurde. Ärzte und Patienten beschreiben ihn wie folgt:
- Menschen mit Fatorexie vermeiden es, ihren Körper im Spiegel zu betrachten. Sie sehen sich nur ihr Gesicht in kleinen Spiegeln an.
- Betroffene wissen nicht, wie viel sie wiegen.
- Sie tragen immer weite Kleidung. Nach eigenen Angaben fühlen sie sich damit wohler.
- Sie leugnen, dass sie übergewichtig sind. Wenn jemand eine Bemerkung über ihr Gewicht macht, bestreiten sie das oder messen den Worten keine Bedeutung bei.
- In der Regel rechtfertigen sie sich damit, dass sie “stark” sind, geben jedoch niemals zu, dass sie starkes Übergewicht haben.
- Das Gefährlichste ist, dass sie zwanghaft essen. Sie ernähren sich ungesund und greifen zu kalorienreichen, fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln. In der Regel versuchen sie damit unbewusst, Angst, Stress und Sorgen zu lindern.
Welche Ursachen führen zu Fatorexie?
Das italienische Forschungszentrum IRCCS führte im Jahr 2021 eine Untersuchung über Fatorexie durch, in der es die Theorie der allozentrischen Blockade untersuchte. Es geht um den Abwehrmechanismus, den Betroffene unbewusst aktivieren, da sie ihr eigenes Körperbild nicht ertragen können.
In vielen Fällen haben wir es mit Menschen zu tun, die vor 5, 10 oder 20 Jahren ein gesundes Gewicht hatten. Oft ändern sie jedoch aufgrund von Arbeit, Stress oder Angst ihre Essgewohnheiten. Dies führt schließlich zu einer drastischen Veränderung ihres Körperbildes, die sie nicht akzeptieren und deshalb verleugnen.
Wie kann diese Dysmorphophobie behandelt werden?
Betroffene haben oft Probleme im Beruf oder auf familiärer oder sozialer Ebene. Sie sind mit ihrem Leben unzufrieden und verfallen in ungesunde Essgewohnheiten. Experten empfehlen deshalb, Betroffene nicht ständig auf ihr Gewicht hinzuweisen, sondern sie nach ihrem Befinden zu fragen. Sie benötigen Unterstützung und Aufmerksamkeit. Das therapeutische Ziel besteht vorwiegend nicht darin, die Personen zum Abnehmen zu bewegen, sondern die Ursachen für diesen Zustand herauszufinden und zu behandeln.
Eine Psychotherapie ist erforderlich, um die emotionalen Auslöser zu analysieren, die für die Essstörung verantwortlich sind. Danach kann ein Ernährungsberater der betroffenen Person helfen, einen gesünderen Lebensstil anzunehmen. Vergiss nicht: Jede Essstörung kann ernste Folgen haben, deshalb ist es grundlegend, betroffenen Menschen zu helfen.
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