Existenzkrise: jenseits des Leidens
Es gibt Zeiten im Leben, in denen wir uns erschöpft fühlen und uns „große“ Fragen stellen. Zum Beispiel: Warum bin ich hier? Welchen Sinn hat mein Leben? Mache ich alles richtig? Und wenn ich sterbe? Jeder von uns experimentiert irgendwann im Leben eine Existenzkrise. Die Fragen, um die es dabei geht, können allerdings sehr verschieden sein.
Eine existenzielle Krise kann zu jedem Zeitpunkt in unserem Leben auftreten. Es gibt dabei keine Unterscheide zwischen arm und reich, denn eine Existenzkrise hat nichts mit materiellem Wohlstand zu tun.
Meist kommt es dazu, wenn wir das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren. Denn plötzlich fühlen wir uns unserer Sicherheit beraubt und realisieren, wie flüchtig das Leben sein kann.
Wie alle Krisen bringt eine existenzielle Krise Leiden mit sich. Wir können jedoch in der Krise einen Sinn finden, der über unser Leid und unsere Schmerzen hinausgeht. In diesem Artikel werden wir diesen Aspekt ein wenig näher beleuchten.
“Wenn wir eine Situation nicht verändern können, werden wir herausgefordert, uns selbst zu ändern.”
Viktor E. Frankl
Was ist eine Existenzkrise?
Eine existenzielle Krise bezieht sich auf jene Momente, in denen wir unsere eigene Existenz infrage stellen. Dazu kommt es meist unerwartet. Wir beginnen damit, uns Fragen über unser Leben und unser Dasein zu stellen, wodurch oft tiefste Überzeugungen erschüttert werden.
Existenzielle Krisen beeinflussen unsere kognitiven und emotionalen Funktionen. Der Umgang mit diesen neuen Empfindungen und Wahrnehmungen kann anstrengend sein, deshalb betrachten die meisten eine Existenzkrise als negativ. Außerdem kommt es gleichzeitig oft zu einer Identitätskrise, die nicht nur Zweifel an der eigenen Person, sondern auch an anderen aufkommen lässt.
So erkennen wir eine Existenzkrise
Das Hauptmerkmal einer Existenzkrise ist ein Gefühl der Leere. Natürlich erlebt jeder diese Zeit anders, doch verschiedene Anzeichen wiederholen sich häufig. Dazu gehören auch folgende:
- Mangel an Sinn. Wir haben die Richtung verloren und unser Leben und die Welt scheinen keinen Sinn mehr zu machen.
- Gefühl der Unsicherheit. Wir fühlen uns unsicher und hinterfragen Leben und Tod, Gut und Böse usw.
- Emotionale Instabilität. Beunruhigende Gedanken und Gefühle kommen auf.
- Wir können nicht mit unseren Emotionen umgehen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen, wer wir sind oder welchem Zweck etwas dient. Es ist daher schwierig, unsere Verantwortung zu tragen und Entscheidungen zu treffen.
- Unzufriedenheit
- Schlaflosigkeit
Natürlich variieren die Symptome von Person zu Person. Schließlich ist jeder Mensch einzigartig und sammelt einzigartige Erfahrungen. Darüber hinaus ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass eine existenzielle Krise zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen auftreten kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Existenzkrise zwangsläufig zu Depressionen führen muss.
Die Existenzkrise zu unserem Vorteil nutzen
Eine existenzielle Krise kann anstrengend sein, aber wir können sie auch zu unserem Vorteil nutzen. Denn sie ermöglicht uns, Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Dazu müssen wir unser Potenzial einschätzen und es nutzen, um unser Leben zu verbessern.
Der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor Frankl betonte diese Sichtweise über eine existenzielle Krise. Er war überzeugt, dass Menschen die Fähigkeit haben, schwierige Situationen und Widrigkeiten zu überwinden. Um das zu tun, muss man zuerst einen Sinn in dieser bestimmten Situation und in der Existenz im Allgemeinen finden.
Frankl hat die Logotherapie entwickelt, eine Art Psychotherapie, die davon ausgeht, dass die treibende Kraft des Menschen die Suche nach Sinn ist. Diese Therapie sieht jede Person als einzigartig und unvergleichlich, was bedeutet, dass der Prozess jedes Einzelnen, Sinn im Leben zu finden, auch einzigartig sein muss.
Victor Frankls Logotherapie
Die Logotherapie kann uns helfen, unseren Lebensinhalt und somit auch einen Sinn in unserem Leben zu finden. Der Schlüssel ist, über das Leiden hinauszugehen und unsere existenzielle Krise als eine Gelegenheit zu sehen, zu erforschen, wer wir sind.
Außerdem kann uns die Logotherapie dabei helfen, uns nicht mehr als Opfer unserer emotionalen Achterbahn zu sehen. Stattdessen können wir die Gelegenheit nutzen, um unsere Belastbarkeit zu verbessern. So können wir unsere Fähigkeit stärken, mit Krisensituationen besser fertig zu werden.
Denn wenn wir unsere Perspektive ändern, können wir Konzepte, Ideen und Ressourcen nutzen, die wir zuvor möglicherweise übersehen haben. Wenn wir akzeptieren, dass Krisenzeiten ein wesentlicher Bestandteil des Lebens sind, können wir unsere Angst durch Gelassenheit ersetzen.
Eine Existenzkrise ohne Narben zu überstehen, ist fast unmöglich. Anstatt unsere Mühen zu verschwenden, sollten wir deshalb die Tatsachen akzeptieren und herausfinden, warum wir in einer Existenzkrise stecken und wohin sie uns führen wird.
Existenzkrisen gehören zum Leben, dehalb muss man lernen, damit umzugehen. Die beste Strategie ist, sie als Lernmöglichkeit zu betrachten. Leid und Zweifel müssen überwunden werden, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Gengler, J. (2009). Análisis existencial y logoterapia: bases teóricas para la práctica clínica. Psiquiatría y salud mental, 26(3-4), 200-2009.
- Frankl, V. (2015). El hombre en busca de sentido. Herder Editorial.