Erziehung bedeutet, Kindern Möglichkeiten aufzuzeigen, um sich entscheiden zu können
Eine der schönsten, notwendigsten und wichtigsten Aufgaben für unsere Gesellschaft ist zweifellos die Erziehung. Wir alle, sei es auf direkte oder indirekte Art und Weise, haben einen Einfluss auf die Entwicklung zukünftiger Generationen. Aber hast du dich schon einmal gefragt, was das eigentliche Ziel der Erziehung ist?
Das aktuelle Bildungssystem lässt, was die Wertevermittlung und die persönliche Verwirklichung angeht, leider zu wünschen übrig. Es wird vorgelebt, bestimmten Normen zu folgen, die zu Wettstreitigkeiten und zur Selbstaufgabe führen, sodass dies einem Angriff auf die Kreativität gleicht.
Hinsichtlich dessen, was Bildung bedeutet, und was es heißt, zu erziehen, steht eines fest: Es muss noch vieles dazugelernt und vor allem hinterfragt werden. Was ist der Sinn der Bildung? Wieso wird die Gesellschaft lediglich darauf vorbereitet, Prüfungen zu bestehen? Sind Lehrer dazu in der Lage, einem Schüler beizubringen, zu lernen, oder sich einfach etwas zu merken und diese Information wiederzugeben, ohne dass der Schüler darüber nachgedacht hat?
„Die Bildung zielt darauf ab, den Menschen zu zeigen, wie sie etwas für sich lernen. Das andere Konzept der Bildung ist das, das keine Widerworte duldet.“
Noam Chomsky
Erziehen, um zu lernen, wie man lebt
Egal ob als Eltern oder Lehrer: W ir haben die große Verantwortung, eine Erziehung zu bieten, die die Fähigkeiten unserer Kleinen fördert und dabei ihre Individualität, ihren Lernrhythmus, ihre Einstellung, ihre Besonderheiten und Schwierigkeiten beachtet.
Um die individuelle Freiheit zu fördern, muss die Erziehung den Weg zur Selbsterkenntnis hin ebnen, damit der Verstand Mauern durchbricht, die er selbst auf Grundlage des Bedürfnisses nach Sicherheit erschafft. Auf diese Weise wird dabei geholfen, die Gründe der Angst zu verstehen, damit aus Kindern keine ängstlichen Erwachsenen werden.
Eine Erziehung ist erst dann wertvoll, wenn sie die Möglichkeit gibt, zu lernen, wie man lebt. Unsere Kinder sollen lernen, zwischen sich ihnen bietenden Möglichkeiten und Optionen zu wählen, erhaltene Informationen zu hinterfragen und zu filtern und sich von dem Wunsch nach Anerkennung zu befreien, der Angst und ein Verlangen nach Übereinstimmung verursacht.
„Die Aufgabe der Erziehung ist es, jedem Individuum dabei zu helfen, alle psychologischen Hindernisse zu erkennen und ihnen nicht nur ausschließlich neue Verhaltensweisen und Denkweisen beizubringen. Diese Einschränkung kann keinesfalls die Intelligenz oder das kreative Verständnis wecken, sondern setzt dem Individuum nur noch mehr Grenzen.“
Krishnamurti
Die Förderung der kreativen Freiheit und der Unabhängigkeit
Um zu erfahren, welches der Sinn der Erziehung ist, ist es notwendig, sich von dem Erziehungsmodell zu distanzieren, das die Entwicklung eines kritischen und unabhängigen Denkens verhindern will. Die Erziehung hat erst dann einen Sinn, wenn sie dazu anregt, gegebene Vorstellungen zu überdenken und zu hinterfragen.
Die Rolle von Erziehern besteht darin, die Autonomie zu stärken, damit Kinder und Jugendliche Vertrauen in sich selbst bekommen und lernen, sich verantwortungsvoll und einfach verhalten zu können. Die akademische Bildung muss die Fähigkeit der Überlegung fördern. Sie muss ihren Schützlingen dabei unter die Arme greifen, Probleme in ihrem ganzen Ausmaß zu betrachten, damit sie eigene Lösungsansätze und persönliche Kriterien entwickeln können.
Jedes Kind besitzt verschiedene Talente und Fähigkeiten, die die Intelligenz in unterschiedlichen Bereichen anspricht. Die Theorie der multiplen Intelligenzen, von denen der Psychologe Howard Gardner spricht, in Betracht zu ziehen, hilft uns, zu verstehen, dass es nicht intelligentere und weniger intelligente Menschen gibt, sondern unterschiedlich entwickelte Intelligenzen.
Entgegengesetzt dieser Theorie fördert und setzt das Bildungssystem auf bestimmte Intelligenzen und vergisst damit den Rest der Intelligenzen. Das bestraft nicht nur die Kinder in einer gewissen Weise, sondern auch die Gesellschaft, die es sich vorbehält, unglaubliche Talente kennenzulernen. Sie bleiben weiterhin verborgen, weil sich in unserem Bildungssystem niemand auch nur ansatzweise die Mühe macht, diese zu entdecken.
Ken Robinson sagt in Bezug auf die Verbindung zwischen Kreativität und Erziehung, dass „die Erzieher sie schonungslos vergeuden“ und sich dieser entziehen, weil diese wertzuschätzen und zu fördern in den meisten Fällen sofortige Mehrkosten bedeuten würde. Also wird lieber etwas wiederholt, anstatt Innovationen zu unterstützen, und es wird die Angst geschürt, sich zu irren oder Fehler zu begehen.
„Wenn wir nicht darauf vorbereitet sind, Fehler zu machen, werden wir niemals dazu in der Lage sein, etwas Originelles zu erschaffen.“
Ken Robinson
Die richtige Erziehung ermöglicht es uns, frei zu sein
Eine angemessene Erziehung ist notwendig, die sich von politischer Angemessenheit, wirtschaftlichen Interessen und Manipulationen hinsichtlich der menschlichen Persönlichkeit hin zum Automatismus, ohne Motivation und Zweckmäßigkeit für die eigene Entwicklung distanziert, nur um der Norm zu entsprechen.
Um unsere Kinder und Jugendlichen sinnvoll zu erziehen, muss ihnen beigebracht werden, dass sie ihre Stimme erheben, ihre Motivation und eigene Interessen finden sollen. Das Ziel dabei ist es, sie auf ihrem Weg zu begleiten, sie dabei zu unterstützen, sich selbst zu finden, damit sie sich und ihre Unterschiedlichkeiten anerkennen und respektieren können, die sie zu etwas Einzigartigem machen. Und es geht auch nicht nur darum, die Entwicklung ihrer Fähigkeiten zu fördern, sondern darum, ihnen dabei zu helfen, eine neue Gesellschaft zu erschaffen, sie zu stärken, damit sie neue Arten zu leben erzeugen können.
Die Möglichkeit, eine Erziehung zu bieten, die auf Freiheit bedacht ist, ist sowohl die Aufgabe der Eltern als auch die der Lehrer. Es liegt in unserer Macht, wir sind verantwortlich für die Erschaffung einer neuen Gesellschaft, die toleranter, respektvoller und vielversprechender ist. Eine Gesellschaft, die nicht nur auf das Denken versteift ist, sondern auch den persönlichen und emotionalen Aspekt, ein ganzheitliches und vollständiges Bild des Individuums sieht.
„Die Bildungskrise ist nicht eine weitere Krise unter den vielen Krisen, die wir haben, sondern die Bildung ist der Kern des Problems. Die Welt befindet sich in einer tiefen Krise, weil wir keine Erziehung des Bewusstseins haben. Wir haben eine Bildung, die dem Menschen gewissermaßen ihr Bewusstsein, ihre Zeit und ihr Leben raubt.“
Claudio Naranjo