Die Theorie der sozialen Zeitgeber: Was ist das?

Das Sonnenlicht ist der wichtigste natürliche Zeitgeber. Doch auch soziale Zeitgeber, die unsere Lebensgewohnheiten markieren, sind für unser Wohlbefinden wesentlich.
Die Theorie der sozialen Zeitgeber: Was ist das?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 01. März 2023

Gewohnheiten vermitteln uns körperliches und psychisches Wohlbefinden: Wir benötigen im Alltag Routinen und sich wiederholende soziale Ereignisse, die unsere biologische Uhr in einer sozialen Struktur synchronisieren. Die Theorie der sozialen Zeitgeber beschreibt das Zusammenspiel unseres biologischen Rhythmus mit dem Familien- und Arbeitsalltag oder anderen Zeitgebern, die unseren Tagesablauf bestimmen.

Unser Gehirn liebt Regelmäßigkeit: Es fühlt sich wohl, wenn wir jeden Tag zur gleichen Zeit essen und unsere Schlafzeiten einhalten. Ein gesunder, regelmäßiger Tagesablauf verringert das Risiko für Stimmungsstörungen und Angstzustände, er gibt uns einen sicheren Rahmen für unsere persönliche Entwicklung.

Licht und Dunkelheit steuern unseren zirkadianen Rhythmus: Verschiedene physiologische und hormonelle Prozesse werden zu bestimmten Tageszeiten optimiert. Kommt es zu einer Störung, kann unser Körper nicht optimal funktionieren. Ein strukturiertes Leben ist deshalb eine Voraussetzung für Gesundheit, doch verschiedenste äußere Faktoren können die Harmonie zerstören und uns aus dem Gleichgewicht bringen. In diesem Zusammenhang spielen die sozialen Zeitgeber eine wesentliche Rolle. Erfahre anschließend mehr darüber.

Nicht nur biologische Faktoren, auch die sozialen Zeitgeber könnten bei einer bipolaren Störung eine wichtige Rolle spielen.

die Theorie der sozialen Zeitgeber
Soziale Zeitgeber sind für unser psychisches und physisches Wohlbefinden grundlegend.

Die Theorie der sozialen Zeitgeber

Die Theorie der sozialen Zeitgeber geht davon aus, dass negative und unvorhersehbare Erfahrungen den zirkadianen Rhythmus verändern und deshalb psychische Probleme auslösen. Die Universität Pittsburgh hat eine Studie veröffentlicht, die diesen Ansatz beschreibt und aufzeigt, wie sich jede Veränderung unserer sozialen Rhythmen auf die biologische Uhr auswirkt und uns anfälliger für Depressionen macht.

Dieses interessante Konzept wurde in den 1960er-Jahren von dem Arzt Jürgen Aschoff¹ geprägt, einem der Begründer der Chronobiologie. Ein Zeitgeber ist ein Element, das unsere zirkadianen Prozesse synchronisiert, beispielsweise das Sonnenlicht. Neben diesen natürlichen Faktoren gibt es jedoch auch soziale Zeitgeber, wie die Nachrichten zu einer bestimmten Tageszeit oder festgelegte Arbeitszeiten.

Ein Großteil der Forschung zu dieser Theorie hat sich auf die bipolare Störung konzentriert. Lange Zeit ging man davon aus, dass diese Erkrankung auf neurobiologische Auslöser zurückzuführen ist. Inzwischen wissen wir, dass Ansätze wie die Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie (IPSRT), die anhand von Zeitgebern einen strukturierten Tagesablauf ermöglicht, die Stimmung dieser Patienten erfolgreich stabilisieren können.

Das Sonnenlicht ist der wichtigste natürliche Zeitgeber. Doch auch soziale Zeitgeber, die unsere Lebensgewohnheiten markieren, sind für unser Wohlbefinden wesentlich.

Wenn das soziale Umfeld den biologischen Rhythmus beeinträchtigt

Wir wissen, dass Stimmungsstörungen wie Depressionen sehr komplex sind. Es gibt genetische, erzieherische und erfahrungsbedingte Auslöser. Die Theorie der sozialen Zeitgeber liefert zusätzlich eine Erklärung für emotionale Veränderungen. Soziale Ereignisse können den biologischen Rhythmus beeinträchtigen:

  • Streit oder Meinungsunterschiede
  • Jobverlust
  • Schichtarbeit
  • Stressige Umgebung
  • Unstrukturierter Tagesablauf, Mangel an Routinen

Solche Umstände wirken sich schließlich auf die Ess- und Ruhegewohnheiten aus. Ferner können sie dazu führen, dass wir unser Leben nicht mehr an die Zyklen von Licht und Dunkelheit anpassen. Das wirkt sich nicht nur auf unsere körperliche, sondern auch auf unsere geistige Gesundheit aus.

Zeitgeber
Unsere innere biologische Uhr reagiert sehr empfindlich auf unseren sozialen Lebensstil.

Passe deine Routinen an, um deine innere biologische Uhr zu regulieren

Deine biologische Uhr hängt nicht nur davon ab, ob du zu bestimmten Tageszeiten dem Sonnenlicht ausgesetzt bist. Forschungen der Northwestern University in Illinois zeigen, dass der Lebensstil den zirkadianen Rhythmus durcheinander bringen kann, was wiederum kognitive Beeinträchtigungen, Stimmungsstörungen und kardiometabolischen Störungen verursachen könnte.

Die Theorie der sozialen Zeitgeber erinnert uns daran, dass ein geregelter, strukturierter Lebensstil mit gesunden sozialen Gewohnheiten das Risiko von Angstzuständen und Depressionen verringert. Außerdem können Patienten mit bipolarer Störung ihre Symptome besser in den Griff bekommen, wenn sie sich um diese Faktoren kümmern.

Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie (IPSRT)

Dr. Ellen Frank entwickelte in den 1990er-Jahren die Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie (IPSRT), um die Stimmung durch besser angepasste biologische und soziale Routinen zu regulieren. Um die Zeitgeber zu kontrollieren, die unser Wohlbefinden stören, ist es ideal, neue Routinen zu schaffen und zu entwickeln, die sich um unsere innere Uhr kümmern.

Hier sind einige Strategien:

  • Bessere Schlaf- und Essgewohnheiten
  • Effizientes Zeitmanagement
  • Strategien zur Stressregulierung
  • Verbesserung der sozialen Fähigkeiten, um mit zwischenmenschlichen Problemen besser umgehen zu können
  • Verbesserung des Zeitplans durch Festlegung von Zeiten für Freizeit und Sport

Ein routiniertes Leben hat verschiedenste gesundheitliche Vorteile. Gewohnheiten sind insbesondere in der Prävention von emotionalen Störungen wichtig. Sie ermöglichen es uns, ein harmonisches, ausgeglichenes Leben zu führen, in dem sich unsere biologische Uhr mit dem Tagesablauf, der durch Licht und Dunkelheit bestimmt wird, synchronisieren kann.

Literaturempfehlung

  1. Die innere Uhr des Menschen: Jürgen Aschoff (1913-1998), Wissenschaftler in einem bewegten Jahrhundert, Serge Daan, L. Reichert 2017
  2. Interpersonelle Psychotherapie, Ellen Frank und Jessica C. Levenson, Ernst Reinhardt Verlag 2011

Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Cudney, L.E., Frey, B.N., Streiner, D.L. et al. Biological rhythms are independently associated with quality of life in bipolar disorder. Int J Bipolar Disord 4, 9 (2016). https://doi.org/10.1186/s40345-016-0050-8
  • Grandin LD, Alloy LB, Abramson LY. The social zeitgeber theory, circadian rhythms, and mood disorders: review and evaluation. Clin Psychol Rev. 2006 Oct;26(6):679-94. doi: 10.1016/j.cpr.2006.07.001. Epub 2006 Aug 10. PMID: 16904251.

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