Die strategische Kurztherapie von Giorgio Nardone

Diese Therapie hat sich bei bestimmten Krankheitsbildern als hocheffektiv erwiesen. Erfahre mehr darüber.
Die strategische Kurztherapie von Giorgio Nardone
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 24. April 2023

Der italienische Psychologe Giorgio Nardone hat mit seiner Adaption der strategischen Kurztherapie ein Modell entwickelt, das auf die spezifischen Merkmale individueller Probleme abgestimmt wird und sich auf die Gegenwart konzentriert. Spezifische Techniken ermöglichen schnelle Veränderungen von Gedanken- und Verhaltensmustern.

In der strategischen Kurztherapie kommen unter anderem folgende Techniken zum Einsatz:

  • Paradox: Damit werden die Logik und die Wahrnehmung des Problems infrage gestellt und verändert. Die Therapeutin oder der Therapeut fordert die zu behandelnde Person beispielsweise auf, das Gegenteil von dem zu tun, was sie gewöhnlich tut, um ihre Probleme zu lösen.
  • Reframing von Problemen: Dabei geht es darum, die Wahrnehmung des Problems zu verändern, um es aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
  • Überraschung: Diese Technik hilft Patienten, Denk- und Verhaltensmuster zu unterbrechen und flexibler zu sein. Eine unerwartete Situation zeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, über das Problem nachzudenken oder zu handeln.
  • Ablenkung: Es geht darum, die Aufmerksamkeit vom Problem abzulenken, damit sich die betroffene Person auf die Lösung konzentrieren kann.
  • Die Symptomverschreibung: Diese Technik verschreibt dem Patienten das dysfunktionale Verhalten, um das Bewusstsein zu schärfen und eine Sättigung zu erreichen.

Die strategische Kurztherapie von Nardone befasst sich mit Fragen wie “Was ist die Realität?” oder “Wie viele Realitäten gibt es?” Jeder Mensch konstruiert seine eigene Realität, die subjektiv und einzigartig ist. Darauf baut das Modell von Nardone auf, der davon ausgeht, dass die objektive Realität eine Schimäre ist (Bartoli et al., 2023).

“Die Lösung ist nicht das Ende des Problems, sondern der Anfang von etwas Neuem.”

Giorgio Nardone

Patient in der strategischen Kurztherapie von Giorgio Nardone
Die strategische Kurztherapie von Nardone konzentriert sich nicht auf den Ursprung des Problems, sondern auf die Auswirkungen, die sich in der Gegenwart manifestieren.

Interessantes über die strategische Kurztherapie

Giorgo Nardone beschrieb diese Therapie in seinem Buch The Art of Change: Strategic Therapy and Hypnotherapy Without Trance, das er mit Paul Watzlawick verfasste. Der Schwerpunkt liegt bei dieser Therapie auf alternativen Lösungen, die das “perzeptiv-reaktive System” verändern können. Metaphorische Botschaften, Instruktionen, hypnotische Techniken und strategische Gespräche kommen zu diesem Zweck zum Einsatz (Bartoli et al., 2023).

“Die Stärke der strategischen Kurztherapie liegt nicht in den Problemen, sondern in den Lösungen.”

Giorgio Nardone

Lösungen konstruieren, um Probleme zu mildern

Wie bereits erwähnt, geht die strategische Kurztherapie davon aus, dass jede Person ihre eigene Realität konstruiert. Bei Problemen bauen sich viele ihr eigenes Gefängnis. Giorgio Nardone konzentriert sich deshalb auf die Lösungen: Es geht darum, möglichst viele Antworten zu finden.

Wenn jemand versucht, seine Probleme (z. B. Ängste, Depression usw.) zu lösen und dabei erfolglos bleibt, können alternative Perspektiven neue Wege aufzeigen (Bartoli et al., 2023). Zuerst muss das Problem identifiziert werden: In der Therapie lernt die Person, die Auswirkungen dieses Problems im Alltag zu erkennen. Dann kann sich auf jene Elemente konzentrieren, die sie darin gefangenhalten. Diese können mit den ursprünglichen Ursachen übereinstimmen oder nicht. 

Die Therapiezeit verkürzt sich, da sich Therapeuten und Patienten auf die Gegenwart konzentrieren. Giorgio Nardone geht davon aus, dass es für die zu behandelnde Person wenig hilfreich ist, wenn sich der Therapeut auf die objektiven klinischen Merkmale der Störung konzentriert. Konkrete Lösungsansätze sind wichtiger (Bartoli et al., 2023).

Zu diesem Zweck setzt er strategische Gespräche und die kognitive Umstrukturierung ein. Er verwendet strategische Fragen (z. B. “Sind die Gedanken, die dir in den Sinn kommen, immer gleich oder verändern sie sich?”) und Instruktionen (z. B. “Schau nachts in den Spiegel und frage dich: Will ich aufhören, mich so zu fühlen, oder möchte ich weiterhin Ärger erleben?”).

“Das Problem ist nicht das Problem, sondern wie wir darauf reagieren.”

Giorgio Nardone

Strategien zur Veränderung

Während traditionelle Therapien objektive, wissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln, wird der Patient in der Kurztherapie zu einem Experten für sich selbst. Jede Person muss ihr Leben selbst aufbauen, jedes Leben ist einzigartig und unwiederholbar. 

Für Nardone ist das Wissen über jeden einzelnen Patienten nur “eine Annäherung an die Realität“. Deshalb konzentriert sich die therapeutische Arbeit eher auf praktische als auf theoretische Aspekte. Nachdem die Therapeutin oder der Therapeut der Person hilft zu erkennen, wie sie funktioniert, denken sie gemeinsam über mögliche Lösungen nach, um das Wohlbefinden des Patienten zu verbessern. (Nardone, 2010).

“Veränderung ist möglich, wenn man klare Ziele hat und strategisch vorgeht.”

Giorgio Nardone

Frau in der strategischen Kurztherapie von Nardone
In der strategischen Kurztherapie von Nardone geht es vorwiegend um Lösungen.

Das perzeptiv-reaktive System

Das perzeptiv-reaktive System definiert, wie eine Person ihre Umgebung wahrnimmt. Dieses System ersetzt in dieser Therapie die traditionellen Kategorien der psychischen Pathologie. Die operative Diagnose entsteht durch die Beantwortung von Fragen wie “Warum gibt es dieses Problem?”, “Wie funktioniert es?”, “Weshalb ist es aktiv?”, “Welche Lösungen wurden bereits versucht?”… Es geht also um die Funktion und die Lösung.

Das perzeptiv-reaktive System ermöglicht es den Patienten, das Problem, ihre Reaktionen, Interaktionen und Überzeugungen zu verstehen (Watzlawick, 2012). In der Therapie wird das Bewusstsein der Patienten geschärft, damit sie eine Lösung finden. Es geht nicht um die Ursachen.

“Die strategische Kurztherapie sucht nicht nach der Wahrheit, sondern nach dem Nutzen.”

Giorgio Nardone

Die Wirksamkeit des Modells von Giorgio Nardone

Die strategische Kurztherapie von Giorgio Nardone hat sich als sehr wirksam erwiesen. Die Erfolgsquoten variieren je nach Krankheitsbild (Nardone et al., 2004, 2017, 2018):

  • Zwangsstörung: 89 %
  • Sexuelle Funktionsstörungen: 91 %
  • Phobien und Angststörungen: 95 %
  • Depressionen und Essstörungen: 83 %

Diese Prozentzahlen beziehen sich auf Interventionen, bei denen keine Psychopharmaka zum Einsatz kamen. Die strategische Kurztherapie könnte also bei den genannten Störungen effizienter als die traditionelle kognitive Verhaltenstherapie sein (Bartoli et al., 2023).

“Die strategische Kurztherapie erweist sich als eine Alternative, die angesichts ihrer Relevanz auf klinischer und gesundheitspolitischer Ebene in Betracht gezogen werden sollte.”

Stefano Bartoli

▶ Lese-Tipp


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  • Bartoli, S., y de la Cruz, R. (2023). Epistemología, historia y fundamentos de la Terapia Breve Estratégica. El Modelo de Giorgio Nardone. Papeles del Psicólogo, 44(1), 36-44. https://doi.org/10.23923/pap.psicol.3009
  • De la Cruz Gil, R. (2022). El modelo de Psicoterapia Breve Estratégica de Giorgio Nardone. Ciencia y Psique, 1(1), 67-80.
  • Nardone, G., y Portelli, C. (2017). Conocer a través del cambio: La evolución de la terapia breve estratégica. Herder.
  • Nardone, G., y Watzlawick, P. (2004). Brief Strategic Therapy. Philosophy, techniques, and research. Rowman & Littlefield Publishers Inc.
  • Nardone, G., y Balbi, E. (2018). Surcar el mar a espaldas del cielo: lecciones sobre el cambio terapéutico y las lógicas no ordinarias. Herder
  • Nardone, G. (2003). Más allá del miedo. Paidós.
  • Nardone, G. (2010). Problem-solving estratégico: El arte de encontrar soluciones a problemas irresolubles. Herder
  • Watzlawick, P. (2012). El lenguaje del cambio: nueva técnica de la comunicación terapéutica. Herder Editorial.

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