Die Neurobiologie der Enttäuschung: Der lang anhaltende Schmerz
Die Neurobiologie der Enttäuschung zeigt uns einmal mehr, dass es Aspekte im Leben gibt, die unser Gehirn auf besonders schmerzhafte Weise erlebt. Daher leidet ein Mensch unter Umständen länger, wenn er eine Gelegenheit verpasst oder das Vertrauen in einen anderen Menschen verliert.
Shakespeare sagte, dass Erwartungen die Wurzel allen Herzschmerzes sind und möglicherweise hat er Recht. Aber es stimmt auch, dass du häufig an bestimmten Dingen festhalten musst, um Stabilität zu finden und nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, wenn das Leben ungewiss ist. Daher ist es völlig normal, dass wir davon ausgehen, dass unsere Liebsten uns niemals in irgendeiner Weise verraten und betrügen werden.
Vermutlich hast du auch an dich selbst einige Erwartungen; möglicherweise gehst du davon aus, dass du bei den Dingen, die du normalerweise sehr gut kannst, nicht versagen wirst und denkst, dass alles, was du heute hast, morgen auch noch da sein wird. Allerdings kann es passieren, dass sich dein Leben verändert und deine Erwartungen wie eine Seifenblase zerplatzen. Wenn dies geschieht, verlierst du an Selbstvertrauen und dein Gehirn interpretiert dies als Warnsignal dafür, dass dein Überleben gefährdet ist.
Wenn du eine Gelegenheit verpasst, die du unbedingt ergreifen wolltest, du plötzlich deinen Job verlierst oder ein geliebter Mensch dich betrügt, durchlebst du ganz offensichtlich eine schmerzhafte Situation. Es fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht und alles, was dir bisher wichtig war, wird dadurch beeinträchtigt. Die Neurobiologie der Enttäuschung erklärt uns, was in diesen Situationen in unserem Gehirn passiert.
“Unsere Erfahrung besteht eher aus verlorenen Illusionen als aus erworbener Weisheit.”
-Joseph Roux-
Die Neurobiologie der Enttäuschung
Die Neurobiologie der Enttäuschung entstand aufgrund des Interesses der Neurowissenschaften an diesem Thema. Viele Jahre stellten sich Psychologen, Psychiater und Neurologen die Frage, warum Enttäuschung eine so schmerzhafte Erfahrung ist. Natürlich ist Enttäuschung auch ein Teil der individuellen Persönlichkeit.
Diejenigen, die diese Erfahrung häufiger gemacht haben, werden im Laufe der Zeit oftmals misstrauisch. Enttäuschung kann die Hoffnungen eines Menschen dämpfen und dies führt dann dazu, dass wir vorsichtiger in Bezug auf unsere Erwartungen an andere Menschen werden. Da die Auswirkungen von Enttäuschungen so offensichtlich sind, muss auf jeden Fall auch etwas in unserem Gehirn passieren. Was genau passiert, werden wir nun genauer beleuchten.
Neurotransmitter und Enttäuschung
Neurotransmitter sind chemische Substanzen, die Signale an unsere Neuronen übertragen. Aufgrund dieser neurochemischen Vorgänge kannst du auf bestimmte Weise fühlen, denken und handeln. Außerdem ist es sehr interessant zu wissen, dass bestimmte Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin unsere Stimmung vollständig bestimmen und kontrollieren.
Dr. Roberto Malinow hat am Institut für Neurowissenschaften der medizinischen Fakultät der Universität von Kalifornien in San Diego eine sehr interessante Studie durchgeführt. Sie zeigte, dass zwei spezifische Neurotransmitter Enttäuschung vollständig regulieren. Es handelt sich um die Neurotransmitter Glutamat und γ-Aminobuttersäure (GABA), die in einem bestimmten Hirnareal, der lateralen Habenula, wirken.
Die laterale Habenula und die Ausschüttung von Glutamat und γ-Aminobuttersäure (GABA)
Die laterale Habenula ist einer der ältesten Teile unseres Gehirns. Daher wissen wir beispielsweise, dass sie Teil der emotionalen Prozesse ist, die die Entscheidungsfindung ermöglichen. Obwohl die laterale Habenula überwiegend positiv wirkt, indem sie die Motivation steigert, hat dieses Hirnareal auch eine “negative” Seite.
Für die korrekte Funktion der Habenula ist eine ausgewogene und korrekte Ausschüttung von Glutamat und GABA erforderlich. Je mehr diese beiden Neurotransmitter in die Habenula ausgeschüttet werden, desto größer wird das Gefühl der Enttäuschung. Wenn die Ausschüttung von Glutamat und GABA sinkt, nimmt gleichzeitig auch die negative Auswirkung dieser Emotion auf unser Gehirn ab.
Die Neurobiologie der Enttäuschung und Depressionen
In diesem Zusammenhang wies Dr. Roberto Malinowski auf etwas sehr Wichtiges hin. Es gibt Belege dafür, dass lang anhaltende Enttäuschung in vielen Fällen zu depressiven Störungen führen kann. Das bedeutet, dass eine intensive Ausschüttung von GABA und Glutamat im Gehirn das Risiko erhöht, an einer psychischen Störung zu erkranken.
Darüber hinaus bewirkt die übermäßige Ausschüttung dieser beiden Neurotransmitter, dass die Habenula extrem angeregt wird. Diese Erregung führt dazu, dass der Patient obsessive Gedanken, Ideen und Erinnerungen an schmerzhafte Erlebnisse der Vergangenheit bekommt. Da es ihm in diesem Zustand schwerer fällt, klare Gedanken zu fassen, kommt es häufig zu emotionaler Stagnation und Leiden.
Allerdings führt die Entdeckung der Beziehung zwischen Glutamat-GABA und Enttäuschung und Depressionen auch dazu, dass neue Behandlungen entwickelt werden können. Bis vor nicht allzu langer Zeit war die allgemeine Überzeugung, dass Antidepressiva und Serotonin-Regulation zur Stabilisierung des GABA-Glutamat Gleichgewichts beitragen würden. Heute wissen wir, dass trotz einer Verbesserung dennoch verschiedene Nebenwirkungen auftreten können.
Daher besteht die aktuelle Herausforderung darin, eine Behandlung zu entwickeln, die ganz gezielt nur auf bestimmte Neurotransmitter wirkt. Auf diese Weise könnten Ärzte den Patienten helfen, die aufgrund verschiedener neurochemischer Veränderungen in ihrem Gehirn einige Situation intensiver empfinden als andere Menschen. Du siehst, die Neurobiologie der Enttäuschung ist ein hoch interessantes Fachgebiet und es lohnt sich, sich intensiver mit dieser Thematik zu beschäftigen.
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- Shabel S, Proulx C, Piriz J y Malinow R. La liberación conjunta de GABA / glutamato controla la producción de habénula y se modifica mediante tratamiento antidepresivo. Science 345: 1494-8 (2014).