Wenn niemand zusieht, ist meine Seele zufrieden. Ich kann wie ein Kind sein, das spielt, das über irgendetwas lacht und über alles weint, wenn es nötig ist. An diesem Ort kann der Blick eines Erwachsenen das Kind nicht verurteilen. Wenn ich allein bin, finde ich Vergnügen an den kleinen Freuden und am Nichtstun. Meine Träume kennen keine Grenzen. Ich kann nackt herumlaufen oder in einer Badewanne voller Schaumblasen untertauchen. Ich kann meine Sorgen und Ängste zurücklassen.
Wir brauchen wenige Schauplätze so dringend wie die, in denen wir Augenblicke der reinsten Intimität erleben. Eine Intimität, die manchmal heftig, manchmal angenehm, aber vor allem lebensnotwendig ist. Wenn uns nämlich niemand beobachtet, entspannen sich Geist und Seele. Dann werfen wir viele unserer schützenden Hüllen ab. Wir erfreuen uns an so grundlegenden Handlungen wie daran, eine Tasse Kaffee zu trinken und eine Zeitschrift zu lesen. Wir genießen es, uns anzuziehen. Oder unser Blick wird glasig, wenn wir in die warme Beschaulichkeit eines Sonnenuntergangs eintauchen.
Ich liebe die intime Atmosphäre dieser kleinen Momente, in denen mich keiner sieht. Meine Gedanken bekommen plötzlich Flügel und mein Herz entspannt sich. Nichts ist so schön, wie nach Hause zu kommen und meine Schuhe abzustreifen. Und mit ihnen meine Sorgen. Einengende Kleidungsstücke abzulegen. Und die Knöpfe des Stresses zu lockern.
Menschen verbringen einen erheblichen Anteil ihres Tages unter der Knute einer nicht enden wollenden Litanei an Regeln. Sie sollen unser Verhalten in die richtigen Bahnen lenken. Vielleicht ist es aus diesem Grunde so reinigend für uns, wenn wir diesen privaten Raum betreten, wo niemand etwas von uns erwartet. Wir sind keinen urteilenden Blicken ausgesetzt oder Konventionen unterworfen, die uns ein gewisses Verhalten diktieren. Oder wie wir uns kleiden oder auf bestimmte Situationen regieren sollen.
Dieses Thema ist gleichermaßen komplex wie interessant. Wir laden dich ein, mit uns auf eine Entdeckungsreise zu gehen.
Wenn keiner guckt und wir uns nackig machen können
Wir sind gewaltsam in ein gesellschaftliches Universum gesetzt worden, an das wir uns körperlich und psychologisch anpassen müssen. Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens damit, uns in verschiedene Umgebungen zu bewegen, wo immer etwas von uns erwartet wird. Wir sollen brave Kinder sein, gute Studenten, leistungsstarke Arbeiter, perfekte Väter und Mütter und jederzeit zuverlässige Freunde.
In meinen Momenten des Alleinseins, wenn niemand auf mich schaut, gibt es keinen Neid. Was da ist, ist Stolz. Währenddessen genieße ich es, meiner Seele und meinen Gedanken alle Gerüchte des Lebens auszuziehen. Mitsamt all dem Druck, den sie auf mich ausüben.
Nun denn: Es versteht sich von selbst, dass die meisten von uns danach streben, jeden Tag allen Ansprüchen gerecht zu werden. Aber genau dieser innere wie auch äußere Druck erzeugt in uns “kleine psychologische Verhärtungen”. Dabei handelt es sich um Druckstellen oder Läsionen, die durch Zermürbung und Erschöpfung entstehen.