Die hellenistische Philosophie und die Kunst des Lebens in der alltäglichen Praxis
Die hellenistische Philosophie umfasst verschiedene Denkrichtungen, die sich in der Zeit von Alexander dem Großen (356-323 v. Chr.) bis zum Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. entwickelten und auf die Lehren von Sokrates aufbauen. Zu den wichtigsten Strömungen zählen unter anderem die stoische Schule, der Kynismus und die Lehre der Epikureer. Wir skizzieren anschließend die wichtigsten Ideen dieser Denkschulen und analysieren, welche Lehren wir daraus für unser alltägliches Leben ziehen können.
Hellenistische Philosophie
Die hellenistische Philosophie konzentrierte sich auf die Fragen der individuellen Lebensgestaltung und des persönlichen Wohlbefindens. Das griechische Wort für Glück lautet Eudaimonie (εὐδαιμονία) und bedeutet “vom guten Geist”, was häufig als “das gute Leben” übersetzt wird. Jede hellenistische Schule entwickelte ihre eigenen Vorstellungen von Glück, alle hatten jedoch ein gemeinsames Ziel: Das Leben des Individuums durch Weisheit, sittliche und seelische Stärke sowie Selbstgenügsamkeit zu verbessern.
Epikureismus: der Schlüssel gegen Angst und Leid
Die Lehre von Epikur von Samos und seinen Schülern, insbesondere Lukrez, betrachtet die Philosophie als Schlüssel zum Glück und zur Gesundheit. Der Epikureismus lehrt, in der Gegenwart zu leben, um so Ängste und Schmerzen zu ertragen und Glückseligkeit zu erlangen. Sobald die natürlichen Bedürfnisse (Durst, Hunger…) gestillt sind, können wir eine stabile Daseinslust erlangen und das Leben genießen. Das Streben nach Lust erfordert jedoch Ausgleich und Vernunft. Um Glück zu erreichen, wird Askese praktiziert. Der Epikureismus kann als asketischer Hedonismus bezeichnet werden.
“Das höchste Gut ist die Lust, das höchste Übel der Schmerz. In der Freiheit vom Schmerz wird der höchste Grad der Lust erreicht.“
Epikur
Kynismus: Rückkehr zur Natur
Der Philosoph Antisthenes war der Begründer des Kynismus, der bekannteste Vertreter ist jedoch Diogenes von Sinope. Die Kyniker setzten sich für die Rückkehr zu einer natürlichen Lebensweise in Harmonie mit dem Universum ein. Sie lehnten soziale Standards und Luxus ab. Diogenes befriedigte beispielsweise seine körperlichen Bedürfnisse in der Öffentlichkeit. Er lebte in einer Tonne und lehnte materielle Dinge ab.
Der Kynismus betrachtet eine starke Persönlichkeit als Voraussetzung, um Zeiten des Leidens zu überwinden. Die Vertreter lehrten verschiedene Übungen, um eine widerstandsfähige Persönlichkeit zu entwickeln. Um Kälte besser zu überstehen, schlugen sie zum Beispiel vor, sich der Kälte auszusetzen, um den Körper zu trainieren und gegenüber Temperaturschwankungen resistent zu machen.
“Ein Tropfen Glück ist mehr als ein Fass Geist.”Diogenes von Sinope
Stoizismus: Abwendung von den menschlichen Begierden
Zenon von Kition begründete den Stoizismus, weitere bekannte Vertreter dieser philosophischen Strömung waren Mark Aurel, Seneca und Epiktet. Die Stoiker betonten in erster Linie die praktische Anwendung ihrer philosophischen Ideen. Sie liefern Werkzeuge für ein besseres Leben, um Gelassenheit, Selbstkontrolle, Zufriedenheit, Resilienz und Mut zu trainieren. Denn diese Fähigkeiten ermöglichen es, die Herausforderungen des Lebens besser zu bewältigen. Im Stoizismus werden menschliche Begierden zurückgestellt, da sie oft Frustrationen erzeugen.
“Die Natur hat uns nur einen Mund, aber zwei Ohren gegeben, was darauf hindeutet, dass wir weniger sprechen und mehr zuhören sollen.”
Zenon von Kition
Hellenistische Philosophie als Lebenskunst
Die hellenistische Philosophie ist eine Lebenskunst, eine Lebenseinstellung, die uns auch in unserer modernen Welt nützliche und vorteilhafte Werkzeuge an die Hand gibt, die wir im Alltag nutzen können, um unser Wohlbefinden zu fördern. Die klare, prägnante und eindeutige Argumentation hilft uns, das Leben besser zu verstehen, Ängste oder Traurigkeit zu überwinden und Glück zu finden. Viele Techniken kommen auch in der Therapie zum Einsatz.
Dialog und Selbstreflexion
Ein gesunder innerer Dialog begünstigt Selbstsicherheit, Ausgeglichenheit und eine positive Lebenseinstellung. Du kannst damit Stress und Ängste besser bewältigen und auch eine bereichernde Kommunikation mit anderen erreichen. Selbstreflexion und konstruktive Selbstkritik sind für persönliches Wachstum entscheidend. Überprüfe deine Überzeugungen und Einstellungen und werde dir darüber bewusst, wie du die Realität wahrnimmst.
Verwendung von Argumenten
Rationale und logische Argumente helfen dir, Irrtümer zu erkennen und bessere Lösungen für Probleme finden. Indem du zweifelst, kannst du Werte und Wahrheiten infrage stellen und deinen eigenen Weg bestimmen.
Hier und Jetzt
Du hasst vielleicht Angst davor, was passieren könnte. Vergiss nicht: Du kannst die Zukunft nicht kontrollieren und die Vergangenheit nicht verändern. Es ergibt deshalb keinen Sinn, Fehler zu bedauern oder Gedanken daran zu verschwenden, dass du etwas besser machen hättest können. Konzentriere dich auf die Gegenwart: Du lebst jetzt!
Loslösung von Materiellem
Denke über deine wahren Bedürfnisse nach und löse dich von Materiellem. Was ist wirklich wichtig in deinem Leben? Der Stoizismus lehrt, dass materielle Dinge keine inneren Konflikte lösen können. Du musst dein wahres Glück auf anderen Wegen suchen.
Philosophie ist nicht nur für Akademiker
Die hellenistische Philosophie erinnert uns daran, dass diese Disziplin nicht nur für Akademiker ist. Das Streben, Erkenntnisse über den Sinn des Lebens zu erlangen, hat zum Ziel, ein bereicherndes, erfülltes Leben zu ermöglichen. Wir müssen uns selbst und anderen kritisch und aktiv zuhören, um dieses Ziel zu erreichen. Die Annäherung an diese Philosophie ist eine Rückkehr zum Ursprung der Psychotherapie.
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- Fuentes Megías, Fernando. (2015). Una educación filosófica: arte de vivir, experiencia y educación. Recuperado de: https://eprints.ucm.es/id/eprint/34334/
- Restrepo, A. M. (2014). Filosofía terapéutica: el arte de vivir y la salud ética. Recuperado de: http://hdl.handle.net/10554/16420.