Die Entwicklung von Empathie in der Kindheit

Empathie ist in unserer heutigen Zeit extrem wichtig. Aber wie können wir dieses Potenzial entwickeln? Welche Phasen durchlaufen wir, bis wir dazu in der Lage sind, zu erkennen, dass ein anderer Mensch eigene Gefühle, Gedanken und Lebensumstände hat? Wie verläuft die Entwicklung von Empathie in der Kindheit?
Die Entwicklung von Empathie in der Kindheit
Cristina Roda Rivera

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Cristina Roda Rivera.

Letzte Aktualisierung: 28. Januar 2023

Bevor wir darauf eingehen, wie die Entwicklung von Empathie in der Kindheit abläuft, wollen wir zunächst auf den Begriff als solchen eingehen. Der Ursprung des Begriffs “Empathie” leitet sich aus dem ab, was die schottische Aufklärung als “Sympathie” bezeichnete. David Hume (in seiner Abhandlung über die menschliche Natur) und Adam Smith beschrieben sie als natürliches Kommunikationsmittel.

Diese Definition ist die Grundlage der Neurowissenschaft, der Entwicklungspsychologie und der Sozialpsychologie. Die Entwicklung von Empathie in der Kindheit liefert uns sehr aufschlussreiche Fakten über einige evolutionäre Aspekte unserer Spezies.

Dabei gibt es eine Idee, die besonders hervorsticht: unsere Sozialisation ist nicht das Resultat von Empathie, zumindest nicht ursprünglich. Die Evolutionsbiologie sagt, dass altruistisches Verhalten entstanden ist, bevor wir die Fähigkeit zur Empathie entwickelt haben.

Einigen Arten mangelt es an Empathie und dennoch zeigen sie altruistische Verhaltensweisen. Dies ist beispielsweise bei sozialen Insekten wie den Bienen der Fall. Sie sterben, kurz nachdem sie gestochen haben, weil sie sich opfern, um ihre Gemeinschaft zu schützen. Daher ist der Zusammenhang zwischen Empathie und Altruismus nicht ganz einfach.

Der entwicklungspsychologische Ansatz

Entwicklung von Empathie - vier Hände halten ein Herz

Lipps (1903) konzentrierte sich in seinen Arbeiten auf den Unterschied zwischen den Begriffen “Sympathie” und “Empathie”. Entwicklungspsychologische Forscher definierten Empathie als ein multidimensionales Konzept, das die kognitive Komponente berücksichtigt. Es geht also um das Erkennen und Verstehen der Emotionen anderer Menschen und der emotionalen Komponente, die mit dem Teilen von Zuneigung oder einer indirekten Reaktion zusammenhängt.

“Wenn du jemanden ohne ein Lächeln siehst, gib ihm eines von deinen.”

-Dolly Parton-

Kognitive Modelle zur Entwicklung von Empathie

Seit den 1990er Jahren wurde Empathie aus der Perspektive der emotionalen Intelligenz untersucht. An dieser Stelle möchten wir besonders das Modell von Mayer und Salovey (1997) erwähnen. Sie verstehen Empathie als die Wahrnehmung und das Verständnis der Emotionen anderer Menschen.

Darüber hinaus gibt es ein weiteres relevantes Modell der emotional-sozialen Intelligenz von Bar-On (1997, 2000). Dieses Modell geht davon aus, dass Empathie Bestandteil eines Faktors ist, den wir als zwischenmenschliche Fähigkeiten bezeichnen. Anders ausgedrückt ist das die Fähigkeit, die Emotionen, Gefühle und Ideen anderer Menschen wahrzunehmen und zu verstehen.

Allerdings sind diese beiden Modelle nicht so integrativ wie die entwicklungspsychologischen Modelle, da sie sich überwiegend auf die kognitive Komponente konzentrieren.

Darüber hinaus haben Batson und seine Mitarbeiter eine Unterscheidung zwischen Perspektive und Empathie vorgeschlagen. Offensichtlich ist das Einnehmen einer Perspektive der Vorläufer spezifischer empathischer Reaktionen (Batson et al., 1992).

Hoffmans Modell zur Entwicklung von Empathie in der Kindheit

Hoffman, ein führender Theoretiker über die Entwicklung von Empathie in der Kindheit, beschreibt zwei Dimensionen, mit denen Empathie untersucht werden kann:

  • Die Anerkennung und Wahrnehmung der inneren Zustände anderer Menschen.
  • Und die indirekte anteilnehmende Reaktion darauf.

Hoffmann erklärt in seinem Modell, wie Empathie entsteht und wie sie sich bei Kindern entwickelt. Außerdem stellt er fest, dass die zentrale Idee die Integration von Zuneigung und Kognition ist, die über den Ansatz der Informationsverarbeitung hinausgeht.

Darüber hinaus argumentiert er, dass Empathie sich in ähnlicher Weise entwickelt wie die Stadien der sozialen kognitiven Entwicklung. Dieser Prozess beginnt mit einem einfühlsamen globalen Gefühl, bei dem das Kind keine klare Unterscheidung zwischen sich selbst und anderen vornimmt. Daher ist es über den Ursprung seiner Gefühle verwirrt.

Anschließend verläuft der Prozess in mehreren Phasen bis zur fortgeschrittensten Stufe, die das kombiniert, was man in den vorherigen Phasen bereits erlernt hat. In den fortgeschrittenen Phasen kann sich ein Mensch in andere einfühlen. Hauptsächlich aufgrund des Wissens, dass es andere physische Entitäten als ihn selbst gibt, welche andere interne Zustände haben, die von seinen eigenen unabhängig sind.

Wenn ein Mensch über ein hohes Maß an Empathie verfügt, kann er mehr von den Lebensumständen anderer Menschen beeinflusst werden als durch eine unmittelbare Situation. Darüber hinaus sagt Hoffman, dass es eine Parallelität von Gefühlen und Zuneigung mit Gedanken, moralischen Prinzipien und Verhaltenstendenzen geben muss.

Phasen der Entwicklung von Empathie in der Kindheit

Nach Hoffman erfolgt die Entwicklung von Empathie in der frühen Kindheit in vier Phasen:

Die erste Phase (global)

Diese Phase erfolgt im ersten Lebensjahr eines Kindes. Das Kind kann andere Menschen noch nicht als von sich selbst verschieden wahrnehmen. Daher verwechseln Kinder den Schmerz, den sie bei anderen wahrnehmen mit ihrem eigenen und empfinden ihn, als würden sie ihn selber erfahren. Wenn ein Baby beispielsweise seine Mutter weinen sieht, passiert es häufig, dass es selber anfängt zu weinen.

Ein weiteres Beispiel

Ein 11 Monate altes Mädchen sah, wie ein anderes Mädchen hinfiel und weinte. Daraufhin schaute sie das Mädchen für einen Moment an, steckte sich anschließend den Finger in den Mund und verbarg ihr Gesicht im Schoss ihrer Mutter. Sie verhielt sich genau so, als wäre sie selber hingefallen.

Die zweite Phase (Egoismus)

Entwicklung von Empathie - Vater und Sohn schauen einander an

Diese Phase findet im zweiten Lebensjahr statt. Zu diesem Zeitpunkt ist den Kindern bereits bewusst, dass auch andere Menschen unangenehme Situationen erleben können. Dennoch gehen sie davon aus, dass der innere Zustand anderer Menschen genau dem Zustand entspricht, den sie selber erleben.

Wir wollen dies an zwei Beispielen verdeutlichen: Ein 13 Monate alter Junge sieht einen traurigen Erwachsenen und bietet ihm daraufhin sein Lieblings-Kuscheltier an. Ein Kind ruft seine eigene Mutter, um ein anderes gleichaltriges Kind zu trösten, weil es weint.

Die dritte Phase (Gefühle anderer Menschen)

Diese Phase dauert vom zweiten bis zum dritten Lebensjahr. Dem Kind ist bewusst, dass sich die Gefühle, die es selber hat, von den Gefühlen anderer Menschen unterscheiden. Dennoch können Kinder in selbstloser Weise darauf reagieren.

Während dieser Phase ist ein Kind bereits in der Lage zu verstehen, dass die Intentionen und Bedürfnisse anderer Menschen von ihren eigenen abweichen. Daher können sich auch die Gefühle einer anderen Person von ihren eigenen unterscheiden. Aus diesem Grund sind sie auch in der Lage, andere zu trösten.

Die vierte Phase (andere Lebensbedingungen)

Diese vierte Phase ist die letzte Phase der Kindheit. Die Kinder nehmen die Gefühle anderer Menschen nicht nur als Reaktion auf den aktuellen Moment, sondern auch als Ausdruck ihrer generellen Lebenserfahrung wahr. Daher reagieren sie unterschiedlich auf vorübergehende und chronische Schmerzzustände, weil sie auch den Allgemeinzustand anderer Menschen berücksichtigen.


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  • Barnet, M.A. (1992). Empatía y respuestas afines en los niños. En Eisenberg, N. & Strayer, J. (Eds.), La empatía y su desarrollo (pp. 163-180). Bilbao: Desclée de Brouwer.
  • Eisenberg, N. & Strayer, J. (Eds.). (1987). Empathy and its development. Cambridge, UK: Cambridge University Press.
  • Mayer, J. D. & Salovey, P. (1997). What is Emotional Intelligence? En Salovey, P. & Sluyter, D. (Eds.), Emotional development and emotional intelligence: Educational implications (pp. 3-31). Nueva York: Basic Books.

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