Die drei Dimensionen der Persönlichkeit nach Hans Eysenck
Hans Eysenck war einer der produktivsten, aber auch umstrittensten Psychologen des 20. Jahrhunderts. Zum Zeitpunkt seines Todes 1997 war er der meistzitierte Forscher in der Psychologie. Eysenck leistete einen wichtigen Beitrag zu diesem Fach, indem er etwa 80 Bücher veröffentlichte und Hunderte von Artikeln schrieb. Er war auch Gründungsherausgeber der einflussreichen Zeitschrift Personality and Individual Differences.
1916 in Deutschland geboren, zwang ihn seine Opposition zur NSDAP zunächst zur Flucht nach Frankreich und dann nach Großbritannien. Er promovierte 1940 an der University of London (England, Vereinigtes Königreich) in Psychologie. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Hans Eysenck im Mill Hill Emergency Hospital in London als Psychiater. Zwischen 1945 und 1950 war er Psychologe am Maudsley Hospital, ebensfalls in London. Später wurde er Direktor der psychologischen Abteilung am Institute of Psychiatry der University of London. Diese Position hatte er bis 1983 inne.
Hans Eysenck entwickelte eine wegweisende Persönlichkeitstheorie. Wegweisend deshalb, weil sie sich um sehr spezifische Punkte dreht und sich leicht auf den täglichen Diskurs anwenden lässt. Seine Persönlichkeitstheorie basiert auf biologischen Faktoren und argumentiert, dass Individuen eine Reihe von Genen erben, welche ihre Fähigkeit, zu lernen und sich an die Umgebung anzupassen, beeinträchtigen. Eysencks Arbeit stieß jedoch auch auf Kritik, vor allem in Bezug auf seinen Vorschlag, genetische Faktoren würden die Persönlichkeit und die Anfälligkeit des Einzelnen für kriminelles Verhalten bestimmen.
Hans Eysencks PEN-Modell der Persönlichkeit
Mit Hilfe der Faktorenanalyse identifizierte Hans Eysenck drei Persönlichkeitsfaktoren: Psychotik, Extraversion und Neurotizismus (PEN). Jeder der Faktoren existiert als eine bipolare Dimension, was bedeutet, dass jeder Faktor ein Gegenteil hat.
- Psychotik vs. Normalität
- Extraversion vs. Introversion
- Neurotizismus vs. Emotionale Stabilität
Eysenck glaubte, dass biologische Faktoren, einschließlich der kortikalen Erregung und der hormonellen Regulierung, zusammen mit Umweltfaktoren wie erlerntem Verhalten, die Ausprägung dieser Persönlichkeitsdimensionen beeinflussen.
Es sei darauf hingewiesen, dass Eysenck den Begriff “Psychotik” wirklich verändert hat. Wenn er in Bezug auf sein Modell verwendet wird, bezieht er sich auf bestimmte asoziale Verhaltensweisen, nicht auf psychische Erkrankungen. Vor der Entwicklung des PEN-Modells versuchte Eysenck, die Persönlichkeit in zwei Dimensionen zu messen und bezog sich ausschließlich auf Extraversion – Introversion und Neurotizismus – Emotionale Stabilität.
Schauen wir uns diese drei Faktoren einmal genauer an.
Extraversion – Introversion
Die Extraversion wird auf einem Kontinuum gemessen, das von hoch (extrovertiert) bis niedrig (introvertiert) reicht. Menschen mit einem hohen Maß an Extraversion nehmen eher an sozialen Aktivitäten teil. Sie sind in der Regel kommunikativer und fühlen sich in einer Gruppe wohler. Im Allgemeinen stehen Extrovertierte gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und haben oft ein größeres soziales Netzwerk von Freunden und Bekannten.
Auf der anderen Seite neigen introvertierte Menschen dazu, leiser zu sein, sich vor großen gesellschaftlichen Veranstaltungen zu scheuen und sich beim Umgang mit Fremden unwohl zu fühlen. Stattdessen haben sie kleinere Gruppen von engen Freunden und genießen eher kontemplative Übungen.
Der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung schlug vor, dass das Ausmaß der Extraversion – Introversion vom Fokus der psychischen Energie eines Individuums abhänge. Bezüglich der Extrovertiertheit glaubte er, dass diese Energie nach außen, auf andere Menschen gerichtet sei, was zu mehr sozialen Interaktionen führe. Währenddessen würde die psychische Energie der Introvertierten nach innen projiziert, was sie zu weniger geselligen Aktivitäten führe (Jung, 1921).
Eysenck glaubte jedoch, dass die Extraversion mit dem Grad der Hirnaktivität und der kortikalen Erregung zusammenhänge. Extrovertierte erleben ein niedrigeres Niveau der kortikalen Erregung, was sie dazu bringe, diese in äußeren Reizen zu suchen. Die höheren Aktivierungsstufen bei Introvertierten führen zu einer Reizmeidung, da diese zu einer übermäßigen Erregung führen könnten.
Auf der anderen Seite können laut des Yerkes-Dodson-Gesetzes Erregungszustände die Leistungsfähigkeit eines Menschen beeinträchtigen. Die Theorie besagt, dass Aufregung und Leistung einer glockenförmigen Kurve folgen, und die zweite nehme in Zeiten hoher oder niedriger Erregung ab (Yerkes und Dodson, 1908).
Neurotizismus – Emotionale Stabilität
Hans Eysenck schlug als zweite Dimension die von emotionaler Stabilität oder Neurotizismus vor. Menschen mit einem hohen Grad an Neurotizismus neigen dazu, ein höheres Maß an Stress und Angst zu erleben. Sie machen sich Sorgen um relativ unbedeutende Themen, übertreiben deren Bedeutung und sind wenig befähigt, mit Stressoren umzugehen. Eine Fokussierung auf die nachteiligen Aspekte einer Situation kann dazu führen, dass sie eine überproportional negative Perspektive einnehmen. Sie können sich neidisch oder eifersüchtig auf andere fühlen, die sich ihrer Meinung nach in einer besseren Position befinden. Eysenck charakterisiert den Neurotizismus durch Perfektionismus und chronische Unzufriedenheit.
Auf der anderen Seite werden Personen mit einem geringen Grad an Neurotizismus in der Regel eine größere emotionale Stabilität erfahren. Wir sprechen von Menschen, die sich in den meisten Fällen besser in der Lage fühlen, mit stressigen Ereignissen umzugehen und sich Ziele zu setzen, die ihren Fähigkeiten entsprechen. Diese Menschen sind in der Regel toleranter gegenüber dem Versagen anderer und bleiben in anspruchsvollen Situationen ruhiger.
Psychotik – Normalität
Die Dimension der Psychotik war eine späte Ergänzung zu Hans Eysencks Persönlichkeitstheorie. Sie wurde erst 1976 aufgenommen. Diese dritte Persönlichkeitsdimension reicht von Normalität (niedrige Psychotik) bis hin zu hoher Psychotik.
Menschen mit höherer Psychotik haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, unverantwortliches oder schlecht kalkuliertes Verhalten zu zeigen. Diese Menschen können auch gegen akzeptierte soziale Normen verstoßen und sich von der Notwendigkeit einer sofortigen Befriedigung motivieren lassen, unabhängig von ihren Folgen.
Aber die Psychotik hat auch positive Assoziationen. In einer Studie aus dem Jahr 1993 stellte Eysenck fest, dass Menschen mit höherer Psychotik tendenziell über ausgeprägtere kreative Fähigkeiten verfügen.
Eysenck schlug vor, dass die Psychotik von biologischen Faktoren beeinflusst werde und mit dem Spiegel von Hormonen wie Testosteron korreliere. Nach dem PEN-Modell reduziere ein hohes Maß an Psychotik die Fähigkeit einer Person zur Konditionierung, was bedeuten würde, dass es schwieriger für sie sei, sich an die sozialen Normen anzupassen, die wir normalerweise durch Belohnung und Bestrafung erlernen.
Schließlich schlug Eysenck vor, dass diese Menschen anfälliger für kriminelles Verhalten sein können, da sie versuchten, ihre eigenen Interessen zu befriedigen und gleichzeitig gegen die von anderen akzeptierten Verhaltensregeln verstießen.
Kritik an Eysencks Theorie
Eben jene Verbindung von Persönlichkeitsmerkmalen, wie der Psychotik, mit kriminellen Tendenzen, zusammen mit Eysencks Betonung der Genetik, die diese Merkmale seiner Meinung nach bestimme, hat zu Kritik an seiner Theorie geführt. Diese deterministische Sichtweise auf das Verhalten fand nicht überall Anklang.
Forscher können Zwillingsstudien nutzen, um zu sehen, ob die Persönlichkeit genetisch bedingt ist. Bislang erzielte Ergebnisse sind jedoch widersprüchlich und nicht schlüssig. Shields (1976) fand heraus, dass monozygotische (eineiige) Zwillinge in den introvertierten – extrovertierten und psychotischen Dimensionen signifikant ähnlicher waren als dizygotische (zweieiige, nicht-identische) Zwillinge. Loehlin, Willerman und Horn (1988) stellten fest, dass nur 50 % der Variationen in den Ergebnissen der Persönlichkeitsdimensionen auf vererbte Eigenschaften zurückzuführen sind. Dies deutet darauf hin, dass auch soziale Faktoren wichtig sind.
Eine Tugend von Eysencks Theorie ist, dass sie sowohl die Natur als auch die Bildung als Einflussfaktoren betrachtet. Er argumentierte, dass die biologische Prädisposition für bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, kombiniert mit Konditionierung und Sozialisation in der Kindheit, unsere Persönlichkeit beeinflussen. Dieser interaktionistische Ansatz weist daher eine größere Validität auf als eine rein biologische oder Umwelttheorie.
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Revelle, W. (2016). Hans Eysenck: Personality theorist. Personality and Individual Differences, 103, 32–39. https://doi.org/10.1016/j.paid.2016.04.007