Der verlorene Seemann: Eine Geschichte über Alkoholismus

"Der verlorene Seemann" ist gleichermaßen interessant und sehr berührend. Diese Kurzgeschichte handelt von einem Mann, der sich aufgrund seiner verschiedenen Probleme mit den Auswirkungen seines jahrelangen exzessiven Alkoholkonsums auseinandersetzen musste. Wir erzählen dir seine Geschichte.
Der verlorene Seemann: Eine Geschichte über Alkoholismus
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 28. Juni 2023

Der verlorene Seemann (2014) ist eine sehr faszinierende Geschichte, obwohl sie für den Protagonisten tatsächlich eine große Tragödie war. Sie erzählt über eine der zahlreichen Konsequenzen, die Alkohol auf die kognitiven Funktionen eines Menschen haben kann. In einigen Fällen werden diese Folgen nicht sofort sichtbar, sondern manifestieren sich erst im Laufe der Jahre.

Der Protagonist in Der verlorene Seemann war ein Mann namens Jimmie G. Menschen, die ihn kannten, beschrieben ihn als intelligent, freundlich, guten Gesprächspartner und lebendig. Auf den ersten Blick schien er keine besonderen Auffälligkeiten aufzuweisen. Normalerweise war er ruhig und umgänglich.

Allerdings kam er mit einer rätselhaften Notiz, die nicht zu ihm zu passen schien, in einem Pflegeheim an. Diese beschrieb ihn als “hilflosen, verrückten, verwirrten und desorientierten Menschen”. Daher schien er offensichtlich neurologische Behandlung zu benötigen. Zu seinem großen Glück war Dr. Oliver Sacks, ein besonders sensibler und offener Mann, anwesend, um den Fall zu übernehmen.

Der verlorene Seemann - Oliver Sacks
Dr. Oliver Sacks

Eine aufschlussreiche Konsultation

Die erste Konsultation mit Dr. Sacks verlief völlig normal.Jimmie G. erzählte ihm mit großer Freude und Begeisterung über seine Vergangenheit.

Er arbeitete als Funker in der Marine und hatte die Position eines Ersatzmannes in den U-Booten. Diese Tatsache erfüllte ihn mit Stolz und schenkte ihm wundervolle Erinnerungen.

Darüber hinaus kannte Der verlorene Seemann viele Details über seine Heimatstadt. Er bot Dr. Sacks sogar an, eine Karte zu zeichnen und äußerte sich sehr liebevoll über diesen Ort. Außerdem erzählte er von seiner Schule, seiner Leidenschaft für die Mathematik und erinnerte sich sogar an einige Telefonnummern aus seiner Kindheit.

Aber am meisten ermutigte es ihn, über seine Erfahrungen in der Marine zu sprechen. Er erzählte Dr. Sacks über die Missionen, die er einst erfüllt hatte. Darüber hinaus erwähnte er, dass er gerne dort geblieben wäre, sich aber dann dazu entschieden hatte, aufs College zu gehen.

Der Neurologe bemerkte etwas ganz Besonderes an der Art, wie Jimmie G. über seine Vergangenheit sprach. Wenn Jimmie über seine Kindheit erzählte, benutzte er die Vergangenheit. Wenn er aber über die Marine redete, dann sprach er darüber, als wäre er noch immer dort.

Der verlorene Seemann und das Gedächtnis

Als der Neurologe diese Besonderheiten bemerkte, folgte er seiner Intuition und frage Jimmie nach dem aktuellen Jahr. Der Patient, ein wenig verblüfft über diese Frage, antwortete: “1945 natürlich”. Und dann fügte er hinzu “Wir haben den Krieg gewonnen!” Angesichts dieser Antwort fragte ihn Dr. Sacks nach seinem Alter. Wiederum war Jimmie etwas überrascht und antwortete, dass er 19 Jahre alt sei und bald 20 würde.

Offensichtlich war Jimmie verwirrt. Dann folgte der Neurologe einem spontanen Impuls und hielt Jimmie einen Spiegel vor dessen Gesicht. Seine Intention war, den Mann mit seinen eigenen Augen sehen zu lassen, dass sein Haar weiß und sein Gesicht faltig war. Er konnte also definitiv nicht 19 Jahre alt sein.

Dr. Sacks wollte seinen Patienten unbedingt mit seinem Irrtum konfrontieren. Allerdings war der Effekt sehr überraschend. Jimmie war schockiert, nahm aber das, was er im Spiegel sah, nicht als Realität an. Er dachte, es würde sich um einen schlechten Witz oder einen Albtraum handeln. Tatsächlich fragte er sich sogar, ob er nun verrückt geworden sei. Für ihn passte das Bild im Spiegel überhaupt nicht zu dem Bild, das er selber von sich hatte.

Der verlorene Seemann - Spiegel

Der verlorene Seemann: Eine aufschlussreiche Tatsache

Der Neurologe verstand seine Irritation und lenkte die Unterhaltung auf andere Themen. Es gelang ihm sehr leicht, Jimmie den Spiegel und das reflektierte Bild vergessen zu lassen. Später verließ der Arzt für einen Moment das Zimmer.

Als er wieder zurückkam, konnte Jimmie sich überhaupt nicht an ihn erinnern und erkannte ihn nicht. Es war, als hätte er Dr. Sacks noch nie zuvor im Leben gesehen. So bekam Sacks eine Vorstellung davon, was vor sich ging.

Der verlorene Seemann ist ein Kurzfilm, der sich mit dem Problem der sogenannten “anterograden Amnesie” befasst. Dieses Problem ist dadurch gekennzeichnet, dass es den Betroffenen unmöglich ist, kurzfristige Erinnerungen zu speichern. Mit anderen Worten, ihr Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr. Sie erinnern sich zwar an alles, was vor der Amnesie geschehen ist, aber sie können sich nicht mehr an das erinnern, was vor fünf Minuten geschah. Und genau das ist auch Jimmie widerfahren.

Als er Jimmie nach seiner Vergangenheit fragte, erfuhr Dr. Socks, dass dieser über viele Jahre sehr viel Alkohol konsumiert hatte. Dieser exzessive Konsum hatte sein Gehirn geschädigt und eine Erkrankung ausgelöst, die als Wernicke-Korsakoff-Syndrom bekannt ist.

Abschließende Gedanken

Jeder Mensch, der übermäßig viel Alkohol trinkt, kann irgendwann dieses Syndrom bekommen. Denn Alkohol verändert den Metabolismus und verbraucht sehr viel Vitamin B1, was bedeutet, dass er sich auf das zentrale Nervensystem auswirkt.

Der verlorene Seemann erzählt aber nicht nur über neurologische Kuriositäten, sondern auch über eine menschliche Tragödie. Wenn ein Mensch kein Kurzzeitgedächtnis hat, bedeutet das, dass er letztendlich kein Leben hat.

Das Gedächtnis ist ein ganz fundamentaler Teil deiner Identität. Wenn du nicht dazu in der Lage bist, Erinnerungen zu speichern, dann verbleibst du in einem Schwebezustand, in dem die Zeit stillzustehen scheint.


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  • Palacios-Sánchez, L., Botero-Meneses, J. S., Guerrero-Naranjo, A., Vélez, M. C., & Mora-Muñoz, L. (2017). Oliver Sacks, maestro y divulgador de la Neurología: reflexión. Iatreia, 30(2), 230-237.


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