Der Tinder-Effekt: Was ist das?

Fühlst du dich in Dating-Apps wie Tinder oft gestresst und enttäuscht? Du bist nicht allein, viele erleben auf der Suche nach dem perfekten Partner große Frustration.
Der Tinder-Effekt: Was ist das?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 01. März 2023

Hast du schon einmal eine Dating-App benutzt, um einen Partner zu finden? Zahlreiche Menschen verwenden diese Plattformen, um wahre Liebe, einen One-Night-Stand oder Begleitung zu finden, um ihre Einsamkeit zu überwinden. Unabhängig von den Gründen ist die Wirkung auf das Gehirn immer dieselbe: Neugier und Nervosität können sich zu einer Sucht entwickeln. Du kannst stundenlang damit verbringen, dir die verschiedenen Profile anzusehen, denn kaum etwas ist aufregender als ein Matching. Der Tinder-Effekt kann jedoch auch Erschöpfung und Enttäuschungen mit sich bringen. Zwar ist es einfach, Menschen kennenzulernen, doch es wird immer schwieriger, wahre Liebe zu finden.

Viele Paare finden sich über Dating-Apps, wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Ghosting auf diesen Plattformen eine sehr häufige Erfahrung ist.

Der Tinder-Effekt: Was ist das?
Es ist einfach, über Dating-Apps Kontakte zu schließen, viele Beziehungen sind jedoch sehr enttäuschend.

Der Tinder-Effekt: Was ist das?

Unsere Bedürfnisse haben sich nicht geändert, nur die Art Kontakte zu schließen und zu flirten, ist anders. Neue Technologien haben schon vielen geholfen, ihren Traumpartner zu finden, wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass sie auch vielfach zu Enttäuschungen führen. Studien der Universität Sydney zeigen, dass diese technologischen Hilfsmittel psychisch sehr belastend sind: Apps mit Swipe-Mechanismen, wie Tinder, sind besonders frustrierend: Wenn du jemanden magst, wischst du von rechts nach links, wenn nicht, in die entgegengesetzte Richtung.

Die Anthropologin und Biologin Helen Fisher¹ weist darauf hin, dass sich viele durch diese Art der Partnersuche zunehmend überfordert und gestresst fühlen. Es stimmt zwar, dass etwa 12 % der  der Nutzerinnen und Nutzer erfolgreich sind, doch viele haben nach Monaten oder Jahren das Gefühl, ihre Zeit verschwendet zu haben.

Obwohl Dating-Apps darauf abzielen, den komplexen Bereich der Beziehungen zu vereinfachen, haben viele das Gefühl, dass diese Plattformen mehr Stress als Nutzen bringen.

Abhängigkeit

Niemand kann leugnen, dass diese innovativen Ressourcen einen Beitrag zur Entstigmatisierung der Sexualität geleistet haben und neue Erfahrungen möglich machen. Tatsächlich finden manche Nutzerinnen und Nutzer auch das wahre Glück mit ihrem Partner. Doch der Tinder-Effekt hat verschiedene Auswirkungen auf das Gehirn, über die sich nur wenige bewusst sind. Während du nach attraktiven Menschen suchst und auf den perfekten Match wartest, ist das Belohnungssytem deines Gehirns sehr aktiv. Du erlebst einen Dopaminrausch, der süchtig macht. Da du dieses Gefühl immer wieder erleben möchtest, verbringst du viele Stunden online, um keine Nachricht und keine Chance zu verpassen.

Enttäuschungen

Der Tinder-Effekt bewirkt schließlich, dass du enttäuscht bist, denn etwa 50 % der Matches antworten überhaupt nicht. Was Userinnen und User jedoch am meisten stresst, sind Ghosting-Erfahrungen, die auf der Tagesordnung stehen. Das Gefühl, ignoriert zu werden und keine Antwort zu erhalten, ist extrem frustrierend, vor allem, wenn sich diese Situation immer wieder wiederholt.

Profile statt Menschen

Die Liebe ist im Zeitalter von Tinder zu einem Spiel geworden. Du schaust dir unzählige Profile an und vergisst dabei, dass sich dahinter reale Menschen verbergen. Auch du selbst verlierst deine Menschlichkeit und verwandelst dich in ein Profil. Nur der erste Eindruck zählt, es gibt keine zweite Chance. Der Tinder-Effekt nährt außerdem die Vorstellung, dass früher oder später die richtige Person auftauchen wird, wenn es jedoch so weit ist, wirst du dir bewusst, dass es immer andere, neue und bessere Möglichkeiten gibt. Das Bedürfnis der kontinuierlichen Suche ist sehr belastend.

Die Algorithmen von Tinder können die Suche nach einem Partner sehr schwierig gestalten.

Der Tinder-Effekt kann zu Frustration und Enttäuschung führen.

Konzentriere dich auf echte Beziehungen

Dating-Apps machen abhängig, es ist nicht einfach, damit plötzlich aufzuhören. Nutzerinnen und Nutzer haben immer das Gefühl, dass es beim nächsten Mal klappen wird und sie etwas verpassen könnten. Außerdem ist es schwierig, die Liebe in der realen Welt zu finden, wenn du ständig online bist und deine Augen kaum von deinen Bildschirmgeräten abwendest. Der Tinder-Effekt warnt vor Enttäuschung und Frustration, doch was kannst du tun, um von diesen Dating-Apps loszukommen?

Das Gehirn ist nicht auf so viele Dates vorbereitet und deine psychische Gesundheit wird dir dankbar sein, wenn du damit aufhörst, stundenlang nach Profilen zu suchen. Versuche, die Zeit mit gesünderen Gewohnheiten zu verbringen, die es dir ermöglichen, echte Menschen kennenzulernen.

  • Gönne dir nach einer Enttäuschung eine Auszeit. Du solltest nicht versuchen, dein Leid durch eine neue Beziehung zu überdecken. Nimm dir Zeit, verabrede dich mit realen Freunden, treibe Sport, besuche Kurse und kulturelle Veranstaltungen und halte Innenschau.
  • Hüte dich vor Vorurteilen und Äußerlichkeiten. Vergiss nicht, dass ein Profilbild nicht aussagekräftig ist und sich dahinter eine reale Person versteckt, die vielleicht nicht zu dir passt, auch wenn du ihr Foto attraktiv findest. Eine gesunde Beziehung baut auf Liebe, Respekt, Komplizenschaft und Ehrlichkeit auf – diese Werte treten in Dating-Apps oft in den Hintergrund.

Dating-Apps können sicher auch Vorteile haben, doch du musst wissen, wie du sie nutzen kannst, ohne dir zu schaden und ohne danach süchtig zu werden.

Literaturempfehlung

  1. Warum wir lieben…: …und wie wir besser lieben können, Helen Fisher, Knaur 2007

Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Barrada JR, Castro Á. Tinder Users: Sociodemographic, Psychological, and Psychosexual Characteristics. Int J Environ Res Public Health. 2020 Oct 31;17(21):8047. doi: 10.3390/ijerph17218047. PMID: 33142900; PMCID: PMC7662763.
  • Erevik EK, Kristensen JH, Torsheim T, Vedaa Ø, Pallesen S. Tinder Use and Romantic Relationship Formations: A Large-Scale Longitudinal Study. Front Psychol. 2020 Aug 14;11:1757. doi: 10.3389/fpsyg.2020.01757. PMID: 32922327; PMCID: PMC7456855.
  • Rochat L, Bianchi-Demicheli F, Aboujaoude E, Khazaal Y. The psychology of “swiping”: A cluster analysis of the mobile dating app Tinder. J Behav Addict. 2019 Dec 1;8(4):804-813. doi: 10.1556/2006.8.2019.58. Epub 2019 Oct 30. PMID: 31663372; PMCID: PMC7044584.

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