Dein Handy bringt dich denen näher, die weit weg sind, aber entfernt dich von denen, die nah sind

Was einst ein interessantes Kommunikationsmittel war, macht uns heute zu Sklaven.
Dein Handy bringt dich denen näher, die weit weg sind, aber entfernt dich von denen, die nah sind
Raquel Aldana

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Raquel Aldana.

Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2022

Es gibt für alles eine Zeit und einen Ort, aber dein Handy ist praktisch überall und zu jeder Zeit dabei. Dein Smartphone ist präsent, wenn du kochst, arbeitest, fernsiehst, Kaffee mit Freunden trinkst oder mit der Familie beim Essen sitzt. Es beherrscht dein tägliches Leben und distanziert dich von Menschen, die dir nahestehen.

Dein Handy bringt dich jenen näher, die weit weg sind, doch es entfernt dich von den Menschen, die neben dir sitzen. WhatsApp, Facebook, Instagram, Twitter und Co. bringen uns die Welt nach Hause, das Internet sorgt dafür, dass physische Distanz nicht mit emotionaler Distanz einhergehen muss, auch wenn der Austausch nicht in der realen Welt erfolgt.

Doch was einst ein interessantes Kommunikationsmittel war, macht uns heute zu Sklaven. Wir stehen unter dem Druck, sofort zu reagieren. Wenn du das nicht tust, kann das zu Wut führen, zu einer einschläfernden Diskussion oder zu Misstrauen.

dein Handy macht dich zu einem Sklaven

Dein Handy und die Tyrannei der Netzwerke

Moderne Bildschirmgeräte haben Nebenwirkungen. Die erste davon ist das zwingende Bedürfnis, sich mit der Welt zu verbinden, mit der Arbeit, unseren Freunden und fremden Menschen, die das Netz mit Inhalten nähren. Der zweite Nebeneffekt ist die Unfähigkeit, mit sich selbst allein zu sein. Du fährst im Bus, in der U-Bahn, trinkst einen Kaffee oder bist allein zu Hause… dein Handy ist meist als Joker dabei.

Wenn wir unsere Mitmenschen beobachten, sehen wir die Sklaverei. Die direkteste Folge für uns ist der Mangel an persönlicher Reflexion.

Wenn du dein Handy ständig zur Hand hast, verlangsamt sich dein innerer Dialog. Das kann in bestimmten Situationen positiv sein, doch größtenteils verarmt diese Gewohnheit unsere Selbstkenntnis und persönliche Entwicklung.

dein Handy macht dich einsam

Der Zwang, sofort zu antworten, lässt dir nicht nur wenig Zeit zum Nachdenken und wenig Wahlmöglichkeiten, sondern distanziert dich auch von Gesprächen, Blicken, Kontakten.

Paare, Familien, Arbeitskollegen, Freunde… Gesellschaft, ohne Kontakt, ohne die nonverbale Sprache zu würdigen, einen unangenehmen Gesichtsausdruck wahrzunehmen, ein affektives Bedürfnis auszusprechen, anderen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

Der emotionale Zwang, dem wir durch Technologien der Unmittelbarkeit wie Whatsapp ausgesetzt sind, setzt den Grundsätzen einer guten Kommunikation ein Ende. Es ist normal, sich in Konflikten mit Menschen wiederzufinden, die eine gewisse Geläufigkeit in der Konversation verlangen.

Obwohl wir nicht verpflichtet sind zu antworten, wird sozialer Druck auf uns ausgeübt, dies zu tun. Wenn du nicht unmittelbar antwortest, wird dies als Desinteresse oder als eine Absichtserklärung interpretiert. Kontakte werden zu einer wahren Odyssee, anstatt uns anderen näherzubringen. Deshalb sind immer mehr Menschen entschlossen, sich selbst von der virtuellen Landkarte zu streichen.

lass dein Handy zu Hause

Das gesunde Drama der Trennung

Wenn du einmal darüber nachdenkst, wie oft du im Laufe des Tages dein Telefon entsperrst, wird die endgültige Zahl wahrscheinlich deine Alarmglocken schrillen lassen. Mehr noch: Wenn du versuchst, es zu vermeiden, wird das Unbehagen spürbar. Diese Tatsache gibt dir einen Hinweis darauf, dass mit der Beziehung, die du zu deinem Handy oder Smartphone hast, etwas nicht stimmt.

Enrique Echeburúa, ein spanischer Psychologe, der sich auf Süchte spezialisiert hat, erklärt: “Was eine Sucht kennzeichnet, ist der Verlust der Kontrolle und die Abhängigkeit. Ein normaler Mensch nutzt Netzwerke zu bestimmten Zwecken oder zum Vergnügen. Ein Süchtiger tut dies auf der Suche nach Erleichterung von ungelöstem emotionalem Unbehagen: Langeweile, Einsamkeit, Wut, Nervosität…”

Die Hyperconnection fordert ihren Tribut auf körperlicher und geistiger Ebene. Sie führt nicht nur zu psychischer und sozialer Ermüdung, sondern auch zu körperlicher und insbesondere zu visueller Erschöpfung. Wären moderne Bildschirmgeräte jedoch nicht eine persönlich und sozial lohnende Erfahrung, würden wir sie nicht so oft nutzen.

dein Handy - überall dabei

Die Möglichkeit, für ein paar Tage “abzuschalten”, ist eine sehr interessante und gesunde Option. Du wirst dir über die Situation bewusst und lernst, die Zeit ohne dein Handy oder soziale Netzwerke zu gestalten (z. B. indem du dein Handy ab einer bestimmten Uhrzeit abschaltest).

Sich von Netzwerken zu trennen, ist keine leichte Aufgabe: Es handelt sich um eine Sucht und außerdem bedeutet dies, sich von der Umwelt abzukoppeln. Das ist ein Preis, den wir vielleicht nicht zahlen können oder wollen.

Ein paar Tage abzuschalten, wird die Realität, in der wir leben, nicht verändern, aber es wird uns helfen, die Kontrolle zu übernehmen, uns von sozialen Anforderungen zu befreien und Gespräche und gute Kontakte mit den Menschen, die neben uns sitzen, wieder wertzuschätzen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.