Das Molekül, das alternde Gehirne verjüngt
Vielleicht werden wir bald alle über 100 Jahre alt, doch nicht das Alter, sondern die Lebensqualität steht im Vordergrund. Deshalb hat sich die Wissenschaft zum Ziel gesetzt, die physische und neurologische Gesundheit im Alter zu verbessern. Es geht unter anderem darum, mit neurodegenerativen Krankheiten besser umzugehen, die tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Anfang dieses Jahres haben mehrere US-Universitäten eine revolutionäre Entdeckung gemacht, die in diesem Zusammenhang Fortschritte erzielen könnte: ein Molekül, das alternde Gehirne verjüngt.
Wir sprechen heute über ein Protein im Liquor junger Menschen, das die Produktion von Oligodendrozyten fördert. Mit anderen Worten: Dieses Molekül ist in der Lage, alternde Gehirne zu “verjüngen”. Die Studien erfolgten an Tiermodellen, doch es wird nicht mehr lange dauern, bis die Versuche an Menschen beginnen.
Es wäre also möglich, dass wir in den nächsten Jahren Mittel haben, um kranke Gehirne zu regenerieren und das Gedächtnis von Menschen mit Alzheimer zu aktivieren. Eine wunderbare Nachricht!
Gegenwärtig gibt es noch keine wirksamen medikamentösen Behandlungen für kognitive Beeinträchtigungen und Neurodegeneration.
Fgf17: das Molekül, das alternde Gehirne verjüngt
Der Neurowissenschaftler Dr. Tony Wyss-Coray von der Universität Stanford University forscht seit mehr als zwei Jahrzehnten über verschiedene Moleküle im Blut und in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor). Es scheint, dass es verschiedene Substanzen gibt, die den Alterungsprozess des Gehirns beschleunigen oder verlangsamen können.
Eine der in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie erhielt besondere Aufmerksamkeit: Das Team von Dr. Wyss-Coray hat ein Molekül entdeckt, das alternde Gehirne verjüngt. Dieses Molekül trägt den Namen Fgf17 und ist in der Lage, die neuronale Aktivität zu erhöhen und verlorene kognitive Prozesse zu regenerieren.
Dies klingt vielversprechend, denn bis heute gibt es keine wirksame Behandlung für Demenz oder andere neurodegenerative Krankheiten. Ging es bis vor kurzem noch darum, zumindest eine Formel zu finden, die die Degeneration verlangsamt, eröffnen sich jetzt andere Perspektiven. Wenn ein Medikament mit einem solchen Molekül entwickelt wird, könnten wir ein krankes Gehirn regenerieren.
Das Fgfr17-Protein ist für die Gehirnentwicklung von Embryonen grundlegend. Wir wissen jetzt, dass es die Produktion von Oligodendrozyten anregt.
Verabreichung von Liquor junger Menschen
Die Technik mag auf den ersten Blick gewagt oder verstörend klingen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich der Liquor exponentiell verändert, wenn diese Flüssigkeit eines jungen Menschen auf einen älteren Menschen übertragen wird: Es werden neue Oligodendrozyten produziert.
Oligodendrozyten sind Zellen, die die Myelinscheide bilden und für das zentrale Nervensystem wichtig sind. Ihre Hauptfunktion ist die Produktion von Myelin, der Schicht, die elektrische Impulse und die Kommunikation zwischen den Neuronen ermöglicht. Krankheiten wie Alzheimer werden zum Beispiel durch Demyelinisierung verursacht.
Diese Ergebnisse wurden im Labor und bei Mäusen beobachtet. Ältere Tiere, die mit Plasma von jungen Mäusen behandelt wurden, zeigten ein intelligenteres, schnelleres und agileres Verhalten. Sie verhielten sich kognitiv wie jüngere Mäuse.
Wurde das verjüngende Molekül bereits auf Menschen übertragen?
Tatsächlich kommen einige der Erkenntnisse bereits bei Menschen zum Einsatz. Bisher hat man mit Plasma gearbeitet, das von jungen Menschen gespendet wurde. Dieses Plasma wird angereichert und an Alzheimer-Patienten verabreicht. Derzeit befindet sich diese Strategie in der Versuchsphase. Es sind zwar Verbesserungen zu sehen, doch es ist nicht gelungen, die Krankheit zu verlangsamen oder rückgängig zu machen.
Die Tests mit dem verjüngenden Molekül haben jedoch noch nicht begonnen. In diesem Fall besteht das Ziel darin, das angereicherte Plasma durch manipulierten Liquor zu ersetzen. Wie Tal Iram, Forscher dieser Arbeit zusammen mit Dr. Wyss-Coray, erklärt, geht es darum, die Proteine zu verbessern, um die erkrankten Gehirne zu verjüngen.
Eine Hoffnung, Demenzerkrankungen auszurotten
So erstaunlich es auch erscheinen mag, es ist heute schon unzählige Male gelungen, Alzheimer bei Mäusen umzukehren und zu heilen. Aber zwischen ihnen und uns liegen Millionen von Jahren der Evolution. Bestimmte Behandlungen, die bei diesen Tieren wirken, haben bei uns keine Wirkung. Heißt das, dass die Entdeckung eines Moleküls, das alternde Gehirne verjüngt, vielleicht nicht funktioniert? Dies könnte der Fall sein, doch es gibt uns derzeit trotzdem Hoffnung.
Es gibt Hoffnung, weil Forscherinnen und Forscher seit Jahren mit Plasma, Stammzellen und Proteinmanipulation arbeiten. Dieses Molekül könnte einen wichtigen Beitrag zur Heilung von Demenz und neurodegenerativen Krankheiten darstellen und Millionen von Menschen helfen.
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