Sind Tiere von Natur aus hilfsbereit?

Viele Tierarten überraschen uns mit ihrer Großzügigkeit oder Hilfsbereitschaft. Das veranlasst uns, anhand von Forschungsarbeiten die wahren Hintergründe für altruistisches Verhalten bei Tieren zu hinterfragen.
Sind Tiere von Natur aus hilfsbereit?
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 26. Juli 2023

Wir sehen in sozialen Netzwerken immer wieder Videos mit rührenden Szenen, in denen Tiere Menschen oder andere Tierarten retten, ihnen helfen oder altruistisch zur Seite stehen: Ein Gorilla in einem Zoo rettet ein Kind, das aus Versehen gestürzt ist. Eine Ente nimmt einen kleinen Hund in der Kälte unter ihre Flügel, eine Katze tröstet einen heulenden Hund… In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Tiere von Natur aus hilfsbereit und fürsorglich sind.

Betrachten wir dieses Thema von einem positivistischen Standpunkt aus, ist dieses Frage absurd. Diese Denkrichtung vertritt die Theorie des biologischen Egoismus, in der Wettbewerb und Individualismus die Grundpfeiler der natürlichen Auslese bilden. Weniger orthodoxe Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass diese Frage nicht vollständig geklärt ist und viele Zweifel aufwirft.

Die Annahme, dass Tiere von Natur aus hilfsbereit sind, ist sehr “menschlich” (wir dürfen nicht vergessen, dass wir selbst auch nur Tiere sind). Für viele ist es nichts anderes als eine Form des Anthropozentrismus: Wir glauben, selbst im Mittelpunkt zu stehen und erklären unser Weltbild aus diesem Standpunkt heraus. Tatsache ist jedoch, dass uns viele Tiere immer wieder mit ihrem Verhalten überraschen und es zu diesem Thema keine wissenschaftliche Einigkeit gibt.

“Tiere empfinden wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Unglück.”

Charles Darwin

Sind Tiere von Natur aus hilfsbereit?

Biologischer Egoismus

Der biologische Egoismus bezieht sich darauf, dass Lebewesen dazu neigen, zunächst ihr eigenes Wohlergehen zu sichern. Die Natur kennt demzufolge kein altruistisches Verhalten, denn wenn sich Lebewesen kooperativ zeigen, bezweckt dies nur, das eigene Überleben zu sichern. Dieses egoistische Grundprinzip definiert alle Lebewesen: Bakterien, Pflanzen, Tiere…

In seiner Theorie des egoistischen Gens bezeichnet uns Richard Dawkins als “Überlebensmaschinen – Roboter, blind, programmiert zur Erhaltung der selbstsüchtigen Moleküle, die Gene genannt werden.” Diese Theorie geht also davon aus, dass die Gene die treibenden Akteure der Evolution sind, nicht der biologische Organismus. Die Gene haben nur ihr eigenes Überleben zum Ziel und bedienen sich dem Egoismus, um dieses Ziel zu erreichen. Es geht hier nicht um ein moralisches Konzept, sondern um einen Überlebensmechanismus, der einzig und allein bezweckt, Gene an die nächste Generation weiterzugeben.

Auch diese Theorie schließt also Altruismus aus und würde unsere heutige Frage mit Nein beantworten. Es gibt jedoch auch Wissenschaftler, die diese Sichtweisen infrage stellen.

Sind Tiere sind von Natur aus hilfsbereit?

Verschiedene Wissenschaftler, wie Colin Tudge oder George Price, stellen die Theorien des biologischen Egoismus und des egoistischen Gens infrage. Sie glauben, dass Altruismus und Kooperation die Grundlage der Natur sind und dass sich diese Verhaltensweisen mit dem abwechseln, was wir aus menschlicher Sicht als “egoistisch” bezeichnen würden.

Eines der Beispiele, die Price verwendet, um zu behaupten, dass Tiere von Natur aus hilfsbereit sind, ist eine Amöbenart (Dictyostelium mucoroides). Sie lebt in Isolation. Wenn die Nahrung jedoch knapp wird, schließen sich diese Individuen zusammen und bilden einen komplexeren Organismus. Dabei müssen sich die einen für die anderen aufopfern und tun es auch.

Es gibt auch diejenigen, die denken, dass jedes altruistische Verhalten nur eine Maske für Egoismus ist. Amotz Zahavi fand heraus, dass der “Arabian Babbler”, auch Lärmdrossel”, den Wurm, den er inmitten der Wüste findet nicht frisst, sondern aufbewahrt, bis ein anderes Individuum vorbeikommt, um ihn zu erbetteln. Wenn das passiert, “verschenkt” er gerne sein Futter und stolziert dann mit der Absicht herum, das Alphamännchen seiner Gruppe zu werden.

Sind Tiere hilfsbereit? Wie reagieren Affen?

Verhaltensweisen, die schwer zu erklären sind

Neben all diesen wissenschaftlichen Debatten gibt es auch eine Reihe von tierischen Verhaltensweisen, die sich keineswegs mit biologischem Egoismus oder dem egoistischen Gen erklären lassen. Der Fall der weiblichen Ente, die den Hundewelpen vor der Kälte schützt, ist ein Beispiel von vielen. Dieses Verhalten bringt dem Beschützer keinen Vorteil. Das scheint ein typischer Ausdruck von Altruismus zu sein.

Das ist nicht die einzige Tatsache, die darauf schließen lässt, dass Tiere von Natur aus hilfsbereit sind. Der Biologe Bernd Heinrich beobachtete, einen Schwarm von Krähen, die die Überreste eines Rentiers fanden. Alle machten viel Lärm, um ihre Gefährten auf den Fund aufmerksam zu machen.

Eine Kompilationsstudie bereichtet von überraschenden Verhaltensweisen von Meeretieren. Zum Beispiel begleiteten Buckelwale eine Robbe, die von mehreren Schwertwalen gejagt wurde, bis sie den Strand erreichte. Welchen Nutzen hatten sie davon? Es gibt keine Antworten. Vielleicht sind Tiere von Natur aus hilfsbereit und fürsorglich, aber sie sind auch von Natur aus egoistisch. Beide Verhaltensweisen können charakteristisch sein.


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