Das kognitive Verhaltensmodell von Fennell: Stärke deine Selbstachtung

Die Selbstachtung und das Selbstwertgefühl sind zerbrechliche, beeinflussbare Konstrukte. Wenn du jedoch die richtigen Werkzeuge zur Hand hast, kannst du sie auch in schwierigen Zeiten stärken.
Das kognitive Verhaltensmodell von Fennell: Stärke deine Selbstachtung
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 13. April 2023

Selbstachtung bedeutet, der eigenen Person Wertschätzung, Vertrauen und Respekt zu schenken. Auch Selbstakzeptanz und ein gesundes Selbstbewusstsein spielen dabei eine wesentliche Rolle. Wenn du dich wertschätzt und so akzeptierst, wie du bist, werden dir auch andere Respekt entgegenbringen. Das Selbstwertgefühl ist jedoch zerbrechlich und beeinflussbar, denn es ist stark von anderen Personen und ihrem Verhalten dir gegenüber abhängig. Das kognitive Verhaltensmodell von Fennell kann dir wertvolle Strategien an die Hand geben, um dein Selbstwertgefühl zu verbessern.

Menschen, die in einer dysfunktionalen Familie aufwachsen oder in der Schule gemobbt werden, spüren die verheerenden Folgen in der Regel auch im Erwachsenenalter. Es mangelt ihnen oft an Selbstachtung, deshalb müssen sie daran arbeiten, um gesunde Beziehungen aufbauen zu können und ihre Lebensqualität zu verbessern.

“Menschen, die immer daran denken, was andere von ihnen halten, wären sehr überrascht, wenn sie wüßten, wie wenig die anderen über sie nachdenken.”

(Bertrand Russell

Figur im Kopf symbolisiert das kognitive Verhaltensmodell von Fennell
Die Entwicklung der Selbstachtung beginnt in der Kindheit. Sie ist der Schlüssel für die Entwicklung eines gesunden Selbstbildes.

Das kognitive Verhaltensmodell von Fennell: Stärke deine Selbstachtung

Melanie Fennell ist klinische Forscherin in der Abteilung für Psychiatrie an der Universität von Oxford. Sie gilt als Pionierin auf dem Gebiet der Achtsamkeitsbasierten Kognitiven Therapie (MBCT) und Expertin für evidenzbasierte Behandlungen von Angst und Depression. In ihrem Buch Anleitung zur Selbstachtung¹ präsentiert sie hilfreiche Strategien, um eine gesunde Selbstachtung zu entwickeln.

Das kognitive Verhaltensmodell von Fennell baut auf die kognitive Therapie von Aaron T. Becks auf. Dieser berühmte Therapeut lehrte uns bereits, dass es nicht nur darauf ankommt, was uns passiert, sondern auch darauf, wie wir es interpretieren. Wir müssen Überzeugungen überprüfen, um eine gesunde Selbstachtung zu entwickeln. Wir sehen uns anschließend an, wie das Modell von Fennell dabei helfen kann.

“Wer mit sich selbst in Frieden leben will, muss sich so akzeptieren, wie er ist.”

Selma Lagerlöf

1. Geringe Selbstachtung durch frühe Erfahrungen

“Ich bin wertlos”, “Ich bin ungeschickt”, “Niemand mag mich”… Fennell erinnert uns daran, dass kritische, gefühllose oder autoritäre Kommentare und Erziehungsstile das Selbstwertgefühl bereits in der Kindheit untergraben. Kinder, die in einer negativen Umgebung aufwachsen, bauen ein verzerrtes Selbstschema auf: Sie verinnerlichen falsche Überzeugungen, die bis ins Erwachsenenalter schädliche Folgen haben.

  • Betroffene sind nicht in der Lage, sich selbst zu achten und zu respektieren. Die ständige Abwertung bewirkt, dass sie nicht an sich selbst glauben und ihre Träume nicht verfolgen.

2. Verstärker und kritische Ereignisse

In ihrer Forschung über Selbstachtung erklärt Dr. Melanie Fennell, dass wir im Laufe unseres Lebens verschiedene kritische Momente erleben, in denen Widrigkeiten oder zwischenmenschliche Beziehungen unser Selbstwertgefühl verletzen.

Wir können zwar Kindheitswunden überwinden und unser Selbstwertgefühl stärken, werden jedoch immer wieder mit Herausforderungen konfrontiert, die es erneut zerstören können. Ein Beispiel dafür ist eine traumatische Beziehung, die an deinen Kräften zehrt. Deshalb benötigen wir Bewältigungsstrategien, die in schwierigen Zeiten wie ein Rettungsanker funktionieren.

Das Selbstwertgefühl ist kein festes, unveränderliches Konstrukt. Es kann jederzeit durch Erfolge gestärkt oder durch Rückschläge geschwächt werden.

Frau, die in den Spiegel blickt, hat das Buch von Fennell mit Strategien für eine bessere Selbstachtung gelesen
Wir alle haben irrationale Überzeugungen über uns selbst, die wir überdenken müssen.

Wie du deine Selbstachtung stärken kannst

Das kognitive Verhaltensmodell von Fennell präsentiert hilfreiche Strategien für eine bessere Selbstwahrnehmung und mehr Selbstachtung.  Wir dürfen nicht vergessen, dass das Selbstwertgefühl ein Konstrukt ist, das schwankt, mit den richtigen Werkzeugen jedoch stabilisiert werden kann.

Der erste Schritt besteht darin, Überzeugungen infrage zu stellen und sich über verzerrte Schemata bewusst zu werden. Anschließend findest du weitere Tipps.

1. Was bleibt von der Vergangenheit?

Wie war deine Beziehung zu deinen Eltern? Hattest du eine schwierige Kindheit? Welche Botschaften haben dir deine Eltern vermittelt und wie hast du dich dabei gefühlt? Glaubst du, dass deine heutigen Überzeugungen vorwiegend durch deine Erziehung bedingt sind? Ein erster Schritt zur Stärkung unseres Selbstwertgefühls besteht darin, die Wunden aus der Kindheit zu analysieren. 

2. Deine Lebensregeln

Die Lebensregeln sind Ideen und Vorstellungen, die wir uns darüber gemacht haben, was wir verdienen und was nicht; darüber, wie unser Leben sein sollte. Die Bewältigung mentaler Schemata ist oft eine komplexe und mühsame Aufgabe, aber sie bietet dir viele Möglichkeiten, deine psychische Gesundheit zu verbessern.

  • Analysiere Gedanken, die mit folgenden Wörtern beginnen: “Ich muss (Sport treiben, um anderen zu gefallen…)”, “Ich sollte (freundlicher sein, um gemocht zu werden…)”; “Wenn ich das mache (werden mich andere ablehnen…)”…

In der Regel basieren diese Gedanken auf verzerrte Vorstellungen, die dein Leid nähren. Identifiziere sie und verändere sie.

3. Kritik kann wichtig sein, doch Mitgefühl ist besser

Du bist dir dessen vielleicht nicht bewusst, aber du wertest dich oft ab, kritisierst dich und projizierst Gedanken und Ideen auf dich, die du von Mitmenschen übernimmst. Du merkst es nicht, aber deine kritische Stimme ist in vielen Fällen ein Spiegelbild der Botschaften, die andere Menschen auf dich projizieren. Die Gesellschaft und soziale Netzwerke beeinflussen uns kontinuierlich.

Nur wenn du die Lautstärke deines inneren Richters senkst, kannst du dein Selbstwertgefühl heilen. Du musst dir selbst gegenüber Mitgefühl zeigen und solltest nicht vergessen, dass du aus Fehlern lernst, um beim nächsten Mal alles besser zu machen. Wir alle sind in der Lage, unsere Selbstachtung zu verbessern, wenn wir uns mit den richtigen Strategien dafür engagieren.

▶ Literaturempfehlung

  1. Anleitung zur Selbstachtung: Lernen, sich selbt der beste Freund zu sein, Melanie J. Fennell, Huber 2005
  2. Achtsamkeit und die Transformation von Verzweiflung: Mit suizidgefährdeten Menschen arbeiten, Mark Williams, Melanie Fennell, Thorsten Barnhofer, Rebecca Crane, Sarah Silverton, Arbor 2017

Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Beck, A. T. (1976). Cognitive therapy and the emotional disorders. New York: International University Press.
  • Fennell, M. J. (1997). Low self-esteem: A cognitive perspective. Behavioural and Cognitive Psychotherapy, 25(1),
    1-26.
  • Padesky, C. A. (1990). Schema as self-prejudice. International Cognitive Therapy Newsletter, 6(1), 6-7.
  • McManus, Freda & Waite, Polly & Shafran, Roz. (2009). Cognitive-Behavior Therapy for Low Self-Esteem: A Case Example. Cognitive and Behavioral Practice. 16. 266–275. 10.1016/j.cbpra.2008.12.007.

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