Das autobiographische Gedächtnis

Kannst du dir vorstellen, dass du dich nicht mehr an deine erste Liebe oder deine Kindheitserlebnisse erinnern kannst? Heute erfährst du mehr über das autobiographische Gedächtnis und welche Funktion es in deinem Alltag hat.
Das autobiographische Gedächtnis
María Alejandra Castro Arbeláez

Geschrieben und geprüft von der Psychologin María Alejandra Castro Arbeláez.

Letzte Aktualisierung: 09. April 2023

Die Erinnerungen an deinen allerersten Kindheitsfreund oder wie du als Kind oder in jungen Jahren warst, deine Lieblingsgerüche, deine Erlebnisse und Erfahrungen, die du im Laufe deines Lebens gemacht hast… All diese Informationen sind in deinem autobiographischen Gedächtnis abgespeichert. Kannst du dir vorstellen, dass du die Menschen, die dir nahestehen, nicht mehr erkennst? Oder dass du dich nicht mehr an deinen ersten Kuss oder deine Lieblingsorte erinnern kannst? Das autobiographische Gedächtnis speichert all diese und noch viele andere Momente ab.

Heute wollen wir dir mehr über dieses Gedächtnis erzählen. Zuerst werden wir dir erklären, was das autobiographische Gedächtnis ist und wie es mit deinem Bewusstsein zusammenhängt. Anschließend werden wir uns einige vielversprechende Forschungen in Bezug auf eine mögliche Behandlung (oder Heilung) der Alzheimer-Krankheit ansehen.

“Das Parfüm der Seele ist die Erinnerung.”

-George Sand-

Was ist das autobiographische Gedächtnis?

Das autobiographische Gedächtnis hängt mit persönlichen Erfahrungen zusammen. Es besteht aus den Erinnerungen, die die Geschichte deines Lebens erzählenFolglich ist es die Grundlage deiner Biographie, denn es fungiert wie ein Organisator deiner Erfahrungen.

Dieses Speichersystem ist das Resultat deiner Interaktionen mit der Außenwelt sowie deiner Handlungen. All dies definiert das autobiographische Gedächtnis. Nach Aussage von Jose Maria Ruiz-Vargas, einem Professor und Forscher an der Universidad Autónoma de Madrid (Autonome Universität Madrid), ist dieses Gedächtnis durch Folgendes gekennzeichnet:

  • Die Beziehung mit dem Selbst. Diese Erinnerungen enthalten Informationen, mit denen du bestimmen und definieren kannst, wer du bist.
  • Narrative Struktur. Wenn du dich an persönliche Erfahrungen erinnerst, tust du dies, indem du eine Geschichte erzählst. So wird die Erfahrung während des Erinnerungsprozesses zu einer Erzählung (Ruiz-Vargas, 2004, S. 10).
  • Mentale Bilder. Das autobiographische Gedächtnis enthält visuelle Bilder. Darüber hinaus speichert es auch andere sensorische Modalitäten wie Hören und Riechen ab.
  • Die emotionale Komponente. Emotionen verstärken und intensivieren häufig deine Erinnerungen.

Das autobiographische Gedächtnis hat auch eine zeitliche Komponente. Aber es gibt kein einheitliches Schema, nach dem die Informationen über die Vergangenheit eines Menschen verfügbar sind. Die Verfügbarkeit variiert von Gedächtnis zu Gedächtnis und auch in Abhängigkeit von der jeweiligen Lebensphase, in der du dich befindest.

Die zwei Elemente des autobiographischen Gedächtnisses

Das autobiographische Gedächtnis besteht aus zwei Hauptelementen:

  • Episodisches Gedächtnis. Dieser Teil hängt mit den Erinnerungen an deine eigene Vergangenheit zusammen. Mit anderen Worten, mit den Erinnerungen an deine persönlichen Erfahrungen, die du zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gemacht hast.
  • Semantisches Gedächtnis. Dies sind Erinnerungen an Ereignisse, die sich wiederholt ereignet haben, und an vergangene Erfahrungen, die sich über lange Zeiträume erstreckten.

Zur Verdeutlichung geben wir dir einige Beispiele. Episodische autobiographische Erinnerungen: “Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich beim Schnorcheln zum ersten Mal eine Schildkröte gesehen habe” oder “Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich aufgrund von Depressionen in eine Klinik eingeliefert wurde”. Eine semantische Erinnerung wäre hingegen beispielsweise folgende: “Als ich ein Kind war, besuchte ich jeden Samstag meine Großmutter”.

Wenn du diese beiden Gedächtnisarten analysierst, wirst du feststellen, dass das episodische autobiographische Gedächtnis durch ein subjektives Zeitempfinden gekennzeichnet ist. Denn es ermöglicht dir, frühere Erfahrungen durch ein autonoetisches Bewusstsein wieder zu erleben. Mit anderen Worten, du bekommst das Gefühl, als würdest du deine Erfahrungen noch einmal durchleben; in einer Art geistiger Zeitreise. Das semantische autobiografische Gedächtnis beschränkt sich dagegen eher auf ein Gefühl der Vertrautheit.

Forschungen über das autobiographische Gedächtnis

Für die Forschung ist das autobiographische Gedächtnis heute von großer Bedeutung. Insbesondere aufgrund des Zusammenhangs, der zu neurodegenerativen Erkrankungen und posttraumatischem Stress besteht.

Beispielsweise verschlechtert sich speziell bei Alzheimer-Patienten das autobiographische Gedächtnis mit fortschreitender Erkrankung. Außerdem konnten Wissenschaftler in einer Reihe von Studien feststellen, dass dieser degenerative Prozess je nach Art der Erkrankung unterschiedlich verläuft. Darüber hinaus haben sie herausgefunden, dass dies auch bei normaler und pathologischer Alterung erfolgt.

Wenn du dich an deine Vergangenheit erinnerst, hast du Gedanken, die mit dem episodischen Gedächtnis verbunden sind. Allerdings ist die “Produktion” dieser Erinnerungen im Vergleich zur “Produktion” semantischer Erinnerungen gering. In diesem Zusammenhang solltest du wissen, dass Menschen mit Alzheimer-Krankheit nur sehr schlecht episodische autobiografische Momente wiederherstellen können.

Um das autobiographische Gedächtnis bei Alzheimer-Patienten zu untersuchen, haben Forscher Experimente mit dem Reminiszenzprozess durchgeführt. Mit anderen Worten, sie fordern Menschen dazu auf, sich Ereignisse und Erinnerungen ins Gedächtnis zu rufen.

Gedächtnistrigger

El Haj, Fasotti und Allain (2012) haben ihre Studienergebnisse in der Fachzeitschrift Consciousness and Cognition publiziert. Sie untersuchten die Unwillkürlichkeit autobiographischer Erinnerungen, die durch Musik hervorgerufen werden. Darüber hinaus weisen auch andere Autoren auf  Erinnerungen hin, die durch Bilder, Videos und sogar Gerüche erzeugt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das autobiographische Gedächtnis sehr eng mit dir selbst verbunden ist, da es sowohl in allgemeiner als auch in detaillierter Weise mit deinen Erfahrungen zusammenhängt. Darüber hinaus verändert sich die Art und Weise, wie verschiedene Dinge autobiographische Erinnerungen hervorrufen, je nachdem, ob der Alterungsprozess normal oder pathologisch verläuft.

Alzheimer-Patienten zeigen auch einen fortschreitenden Verlust des episodischen autobiographischen Gedächtnisses. In mehreren laufenden Studien wird diese Art des Gedächtnisses noch weiter erforscht. Wir hoffen, dass die Ergebnisse dieser Studien dazu beitragen, den Weg zur Heilung neurodegenerativer Erkrankungen aufzuzeigen.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • El Haj, M., Antonie, P., Nandrino, J.L., & Kapogiannis, D. (2017). Discrepancy berween subjective autobiographical reliving and objective recall: The past as seen by Alzhimer’s disease patients. Consciousness and cognition, 49, 111-116.

  • El Haj, M., Antonie, P., Nandrino,J. L., & Kapogiannis, D. (2015). Autobiographical memory decline in Alzheimer’s disease, a theoretical and clinical overview. Ageing research reviews, 23, 183-192.

  • El Haj, M., Fasotti, L., & Allain, P. (2012). The involuntary nature of music-evoked autobiographical memories in Alzheimer’s disease. Consciouness and cognition, 21 (1), 238-246.

  • Ruiz-Vargas, J.M. (2004)- Clavers de la memoria autobiográfica. En Autobiografía en España: un balance: acta del congreso internacional celebrado en la Facultad de Filosofía y Letras de Córdoba.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.