Coronavirus: Schuldgefühle der Überlebenden, eine neue Realität
Im Kontext der aktuellen Corona-Pandemie können wir immer mehr emotionale und psychologische Folgen beobachten. Auch Psychologen können nicht vorhersehen, was in den nächsten Tagen und Wochen passieren wird, doch eine traurige Tatsache ist, dass bereits viele Menschen an psychologischen Problemen leiden, zu denen auch die Schuldgefühle der Überlebenden zählen.
Dies mag überraschend klingen. Denn wenn wir erfahren, dass jemand die Krankheit Covid-19 überwinden konnte, freuen wir uns riesig und spüren hoffnungsvolle Gefühle. Vor Kurzem konnten wir uns zum Beispiel an der Nachricht erfreuen, dass Alberto Belluci, ein 101-jähriger Italiener, die Intensivstation verlassen konnte und wieder nach Hause durfte. Er ist darüber natürlich sehr glücklich und auch seine Familie.
Doch nicht alle experimentieren dieses Glücksgefühl. Viele machen sich ständige Gedanken darüber, warum sie es schafften, doch nicht ihr Vater oder ihre Mutter. Warum konnte ich die Krankheit überleben und nicht mein Bruder? Warum hatte ich nur leichte Symptome, während andere am Beatmungsgerät angeschlossen sind? Wie in jeder Krise, erlebt auch hier jeder Mensch die Ereignisse auf ganz unterschiedliche Weise.
Wir müssen deshalb einfühlsam auf die unterschiedlichen Realitäten reagieren. Wenn du selbst immer wieder diesen Gedanken nachgehst, solltest du nicht daran zweifeln, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir müssen verstehen, dass es sich um eine außergewöhnliche Situation handelt, die tiefe Spuren hinterlässt und auch die Seele stark berührt. Eine der Folgen ist das Überlebenssyndrom.
Schuldgefühle der Überlebenden in Zeiten des Coronavirus: Wie kommt es dazu?
In der aktuellen Situation können wir Angst und Nervosität mit dem Magma vergleichen, das fast unbewusst, jedoch konstant in uns schlummert. Doch nicht alle erleben die derzeitige Corona-Krise auf dieselbe Art.
Manche können in der Nacht kaum schlafen. Andere sind zu Hause isoliert, sind den ganzen Tag gelangweilt und verbringen die meiste Zeit auf dem Sofa beim Fernsehen, Essen oder beim Versenden von Nachrichten.
Manche Menschen experimentieren jedoch eine rastlose Hyperaktivität. Sie zwingen sich selbst, unentwegt Dinge zu tun, um ihre Gedanken zu vertreiben: je mehr Aktivitäten, desto besser. Dann gibt es auch jene, die bereits vor der Corona-Krise an Angststörungen litten und versuchen, diese schwierige Situation so gut wie möglich zu überstehen.
Wir können inzwischen allerdings auch immer häufiger Menschen beobachten, die an Schuldgefühlen leiden, weil sie selbst die Krankheit Covid-19 überlebt haben und andere nicht. Wir betrachten dieses Phänomen anschließend ausführlicher.
Schuldgefühle der Überlebenden: Warum ich? Schmerz durch das Schicksal anderer
Je mehr Zeit vergeht, desto tiefer prägt sich die aktuelle Corona-Pandemie in unser persönliches und kollektives Gedächtnis ein. Wir alle sind von Leid betroffen, denn eine Pandemie kennt keine Grenzen, Nationalitäten oder sozialen Schichten. Sie hat unser Leben verändert und wählt Menschen aus, meist ältere Personen mit Vorerkrankungen, um sie mit sich zu nehmen. Doch auch gesunde und jüngere Menschen können dieses Schicksal erleiden.
Wie auch immer, wir sind alle wertvoll und notwendig. Wir brauchen jeden einzelnen. Die Schuldgefühle der Überlebenden drücken diesen Schmerz aus und dafür gibt es verschiedene Gründe. Es ist sehr schwierig, einen geliebten Menschen zu verlieren. So überlebt in vielen Fällen nur ein Partner, Kinder verlieren ihre Eltern, oder Eltern ihre Kinder.
In dieser Situation vermissen wir den geliebten Menschen, experimentieren Zorn, Unverständnis und Schuld. Warum ich und nicht sie? Fragen sich viele. Auch kranke Arbeitskollegen wecken Mitleid, oder Menschen, die ihre Arbeit verloren haben und nur ungewiss in die Zukunft blicken.
Andere haben zwar keinen nahe stehenden Menschen verloren, doch Covid-19 selbst überwunden und fühlen sich von Gegensätzlichkeiten überwältigt. Eine existenzielle Leere macht sich breit, in der Fragen und irreale Empfindungen aufkommen, wenn wir sehen, wie andere Menschen erkranken oder sterben, während wir selbst in die Zukunft schauen.
Das Überlebens-Syndrom: Eine Reformulierung während der Corona-Pandemie
Vor diesen Realitäten sind wir fast gezwungen, den nächsten Schritt zu tun und das Überlebens-Syndrom aus einer neuen Perspektive zu sehen.
Dazu kommt es nach einem traumatischen Erlebnis. Schlimme Realitäten, wie eine Aggression, ein Krieg, eine Naturkatastrophe, ein Verkehrsunfall usw. führen oft dazu, dass sich betroffene Menschen schuldig fühlen, stark leiden und kontinuierlichen Stress experimentieren. In vielen Fällen entstehen folgende Symptome:
- Reizbarkeit, schlechte Laune
- Schlafstörungen
- Fehlende Motivation
- Psychosomatische Störungen, wie Kopfschmerzen, Muskelschmerzen usw.
- Das Gefühl, von der Realität weit entfernt zu sein
- Flashbacks und Erinnerungen an das traumatische Ereignis
Die Schuldgefühle der Überlebenden einer Covid-19-Erkrankungen können dieselben Symptome auslösen. Besonders kompliziert ist dies, da wir uns noch mitten in der Corona-Krise befinden und das Leid deshalb weiterhin genährt wird.
Was kann ich tun, wenn ich Covid-19 überwunden habe und mich schuldig fühle?
Als Erstes solltest du wissen, dass es völlig normal ist, diese emotionale Realität zu erleben, ganz besonders dann, wenn du eine sehr nahe stehende Person verloren hast. Diese Gedanken sind verständlich. Doch du musst jetzt einen entscheidenden Schritt tun und um diesen Menschen trauern. Akzeptiere deine Emotionen, befreie dich von deinem Schmerz und suche im Rahmen des Möglichkeit jemanden, der dir helfen und dich unterstützen kann.
Die Realität der Ereignisse zu akzeptieren, ohne dich selbst zu beschuldigen, ist grundlegend. Andererseits kann es auch sehr hilfreich sein, sich auf andere zu konzentrieren, um Zuflucht zu suchen und Gegensätzlichkeiten, das Leeregefühl und das irreale Empfinden zu lindern.
Du musst jetzt wieder zu deinen Werten, Bedeutungen und Prioritäten zurückkommen. Kümmere dich um nahe stehende Menschen, suche Unterstützung bei Freunden oder bei deiner Familie. Auch wenn die physische Distanz euch trennt: Nachrichten und Videochats können helfen!
Außerdem solltest du Routinen erstellen, deine Emotionen akzeptieren und dir neue Ziele setzen, um erneut die Zügel deines Lebens zu übernehmen. Du musst verstehen, dass du nicht alles kontrollieren kannst. Dies zu akzeptieren ist einer der Schlüssel des Wohlbefindens. Setze diese Tipps in die Praxis um!