Bis zu welcher Grenze kann man andere in ihrer Opferrolle akzeptieren?
Im ersten Moment fühlen Menschen gewöhnlich Empathie für das fremdes Leiden. Wir können auch auf Menschen treffen, die unter einer richtigen Depression leiden und weder Opfer sein wollen, noch nach Bestätigung suchen wollen, aber momentan eine schlechte Zeit erleben, in der ihre psychologische Gesundheit sehr fragil ist. Wir müssen Geduld und Verständnis haben und Liebe zeigen, weil sie dies wirklich brauchen.
Jedoch passiert es manchmal, dass jemand in unserer Umgebung ein Verhalten an den Tag legt, bei dem er seine Opferrolle und sein eigenes Leid übertrieben darstellt, was auch als Märtyrer-Syndrom bekannt ist und mit der Absicht gemacht wird, die Gefühle, Gedanken und die Verhaltensweisen andere zu manipulieren.
Es sind Menschen, die in einer Opfermentalität gefangen sind und in Gefühlen der Machtlosigkeit, übertriebenen Aufmerksamkeit und offensichtlichen Überempfindlichkeit verstrickt sind, sodass sie aus jeder alltäglichen Frage eine persönliche Angelegenheit machen und sich somit ständig beleidigt fühlen. Bis zu welchem Punkt kann man ein solches Verhalten ertragen?
Was sind das für Menschen, die sich in einer Opferrolle sehen?
Menschen, die sich als Opfer sehen, zeigen einige Muster, die wir identifizieren können, um uns so in unserem Verhältnis zu ihnen zu orientieren:
- Sie erwarten, immer etwas zurückzubekommen, wenn sie sich für etwas eingesetzt haben und sich als Freiwillige anbieten, um so den Schmerz und die Verlassenheit mit der Hoffnung auf eine Belohnung besser auszuhalten.
- Sie befinden sich in einem Geisteszustand, in dem sie einfache Freude nicht wahrnehmen können, ohne dass diese von Klagen oder Leid begleitet wird.
- Manchmal stellen sie die Wünsche anderer vor ihre eigenen, jedoch mit der Absicht, dadurch implizit etwas zu gewinnen, sei es Anerkennung für diese Geste, ihre Arbeit oder einfach Dankbarkeit.
- Bei manchen Gelegenheiten, wenn ihnen die Anerkennung nicht deutlich oder direkt genug erscheint, dann bringen sie Argumente ins Spiel, mit denen andere als Egoisten abstempeln, die nicht wertschätzen, was für sie getan wurde.
- Sie krallen sich an einigen sehr fixen und bestimmten Glaubenssätzen fest, wodurch es ihnen schwer fällt, die andere Seite der Medaille zu sehen.
- Sie können eine Erklärung akzeptieren, aber nur wenn sie Reue oder eine Entschuldigung enthält. Dadurch ist klar gestellt, dass sie mit der Erwartung, etwas zu erhalten, geben – und sei es nur eine Entschuldigung.
Wie geht man mit einer Person um, die sich ständig als Opfer präsentiert?
- Dieses Verhalten der Person ignorieren, denn du wirst dafür viele andere Dinge gewinnen.
- Anfangen, die Person als Ganze zu ignorieren oder mit ihr so wenig wie möglich zu tun zu haben.
- Sich entscheiden, mit ihr zu reden und zu versuchen, das Problem zu lösen, da du den Grund dieses Verhaltens kennst.
- Sage ihr, dass sie sich frei fühlen kann, den anderen Grenzen zu setzen, was diese nicht beleidigen wird, sondern vielmehr zu ausgeglicheneren Beziehungen in ihrer Umgebung führen wird. Wenn sie zu etwas nein sagen will, dann ist es absurd, dass sie ja sagt, nur um es später zu bereuen.
- Dinge aus Zwang zu tun, lässt uns nur Zeit verlieren für Dinge, die wir aus Freude machen könnten und die den gleichen Nutzen bringen.
- Erkläre ihr, dass sie sich ihr Leben unnötig schwer macht, da sie sich an ihr Leiden festklammert. Nenne ihr alle guten Dinge, die sie an sich hat, ganz spontan und ohne Stress.
- Vielleicht fühlt sie Schuld, Reue, Wut oder Depression für etwas Vergangenes. Du kannst versuchen, dass sie dich dir öffnet, da man sie nur so verstehen kann.
- Mache ihr deutlich, dass sie eine gute Person ist, und dass es deiner Meinung nach nicht nötig ist, dies ständig zu zeigen.
- Es ist gut, wenn Kritik nicht nur in eine Richtung geht. Nimm die Verantwortung auf dich, dass du nicht von Beginn an ehrlich warst und bringe so die Situation etwas ins Gleichgewicht.
- Du kannst mit ihr über “unseren inneren Kritiker” sprechen, der bei manchen Menschen mehr zum Vorschein kommt als bei anderen und dass dies auch bei ihr der Fall sein könnte.
Aufhören, perfekt sein zu wollen, sich einfach nur überwinden. Initiative zeigen, Fehler korrigieren, sich ein Leben ohne Leiden vorstellen. Sich erlauben, auf eine gesündere Art zu leben. Den Moment zu leben, ohne das Gefühl zu haben, sich für jemanden aufopfern zu müssen. All dies bringt eine Person davon ab, sich weiterhin bei allem, was ihr passiert, als Opfer zu fühlen.
Von der Opferrolle zur Verantwortung
Manchmal kann ein Gespräch alles ändern, kann das Leben eines Menschen und das Verhältnis, was du zu ihm hast, verbessern. Manchmal begründen sich unangenehme Verhaltensweisen in Schmerzen, in einem Mangel an konstruktiven, sozialen Fähigkeiten und in einem alles dominierenden Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Verständnis.
Biete dieses Gespräch dem an, der dazu bereit ist, es anzunehmen. Wenn sie dich weiterhin verletzen, dann ist der Moment gekommen, dieses Verhältnis zu beenden. Denn man ist zwar positiv eingestellt, aber nicht dumm.