Bewusstseinsstörungen: Die Psychopathologie des Bewusstseins

Obwohl momentan kein Konsens über die Definition des Bewusstseins als Konstrukt besteht, hat die Psychologie Störungen definiert, die einen "Mangel an Wissen über die eigene Selbsterkenntnis" beinhalten. In unserem heutigen Artikel werden wir diese Bewusstseinsstörungen ausführlich klassifizieren.
Bewusstseinsstörungen: Die Psychopathologie des Bewusstseins

Letzte Aktualisierung: 12. Februar 2022

Das menschliche Bewusstsein wird schon seit den Anfängen der Philosophie erforscht und studiert und daraus ergab sich die Psychopathologie des Bewusstseins und die Definition verschiedener Bewusstseinsstörungen. Allerdings scheint nach all diesen Jahren der Forschung immer noch kein Konsens über die Definition dieses Konstruktes zu bestehen.

Descartes sprach vom Geist und seine Überlegungen konzentrierten sich darauf zu verstehen, was es für einen Geist bedeutete, etwas über sich selber sagen zu können. Block (1995) sprach über zwei Arten des Bewusstseins und Chalmers (1998) behauptete, es würde “ein oder zwei Jahrhunderte” dauern, um diese Frage zu lösen.

Momentan untersuchen Experten das psychologische Bewusstsein, um herauszufinden, ob es neuronale Korrelate mit Bewusstseinszuständen gibt (Perez, 2007). Allerdings scheinen sich die Forschungslinien nicht über das Untersuchungsobjekt einig zu sein: Sollte man sich auf die Korrelate der Bewusstseinszustände oder auf den Inhalt des Bewusstseins konzentrieren?

Bewusstseinsstörungen - erleuchtetes Gehirn

Psychopathologische Störungen des Bewusstseins

Obwohl die Definition des Bewusstseins nicht eindeutig geklärt zu sein scheint, ist die Wahrheit, dass es spezifische Bewusstseinsstörungen gibt. Der Schweizer Psychiater Bleuler (1857 – 1939) definierte Bewusstsein als “das Wissen um die eigene Selbsterkenntnis“.

Daher sind Menschen mit einem veränderten Bewusstsein nicht dazu in der Lage, weder angemessen und verständlich auf die Anforderungen der Umwelt noch auf interne Reize zu reagieren. Die Psychopathologie des Bewusstseins basiert auf dieser Definition.

Gastó und Penades (2011, in Santos; Hernángomez und Travillo, 2018) sprachen von vier Merkmalen des Bewusstseins, die bei Bewusstseinsstörungen besonders relevant sind:

  • Die Subjektivität oder Intimität unseres Geistes.
  • Die Existenz eines einzigen Bewusstseins in jedem Individuum.
  • Jede Handlung ist auf ein Ende ausgerichtet.
  • Selbst-Bewusstsein, die Fähigkeit, sich selber zu kennen und zu erkennen.

Bewusstseinsstörungen sind danach geordnet und klassifiziert, welchen Teil des Körpers oder Gehirns sie betreffen. Als Referenz dient hier das CeDe Psychopathology PIR Preparation Manual (2018).

Bewusstseinsstörungen: Gefangen im Schlaf

Die Psychopathologie des Bewusstseins beinhaltet auch Verhaltensstörungen. Diese lassen sich als Zustände des Gehirns charakterisieren, in denen die Betroffenen Schwierigkeiten beim “Aufwachen” haben und dabei, sich selber zu orientieren und auf sensorische Reize zu reagieren. Sie scheinen in der Zeit oder in ihrer Lethargie gefangen zu sein. Es gibt drei Arten von Bewusstseinsstörungen:

  • Lethargie, Schläfrigkeit. Diese Menschen sind nicht dazu in der Lage, ihre Aufmerksamkeit und Wachsamkeit aufrechtzuerhalten, selbst wenn sie sich sehr anstrengen. Lethargie ist keine subjektive Empfindung von Schläfrigkeit aufgrund unzureichender nächtlicher Erholung. Es handelt sich vielmehr um eine Veränderung, bei der die Reizschwelle der Betroffenen erheblich erhöht ist. Das bedeutet, es ist praktisch keine physische oder verbale Stimulation möglich.
  • Benommenheit (Obnubiliation). Die Betroffenen befinden sich in einem tieferen Zustand der Ablenkbarkeit und des Mangels an Stimulation. Sie fühlen sich verwirrt und irritiert, wenn eine andere Person versucht, sie aus diesem Zustand herauszuholen. Ihre gesamte psychische Funktionsweise ist gestört. Darüber hinaus kommt es auch zu Wahrnehmungsverzerrungen wie auditiven oder visuellen Problemen.
  • Stupor. Stupor lässt sich bei Störungen wie beispielsweise katatonischer Schizophrenie beobachten. Die Betroffenen geben freiwillig jede Bewegung auf und ihre Sprache ist inkohärent und nur schwer verständlich.

Das vollständige Fehlen des Bewusstseins tritt auf, wenn sich ein Mensch im Koma befindet. Wenn Reflexe wie beispielsweise der Hornhautreflex der Pupille verschwinden und für dreißig Minuten ein flaches Elektroenzephalogramm vorliegt, kann man davon sprechen, dass dieser Mensch nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Produktive Bewusstseinsstörungen: Übermäßige Halluzinationen

In der Psychopathologie des Bewusstseins finden wir auch Veränderungen, die darauf hindeuten, dass das Bewusstsein, obwohl es vorhanden ist, völlig verzerrt ist und Bilder von Halluzinationen und Wahnvorstellungen hervorruft.

Oneirismus oder Traumdelirium ist eine Verwechslung von Realem und Imaginärem. Dieser Zustand tritt bei allen produktiven Bewusstseinsstörungen auf. Inmitten dieser Verwirrung erleben Menschen schlafähnliche Zustände, die mit Momenten der Klarheit durchsetzt sind. Oneirismus oder Verwirrung lässt sich bei folgenden Störungen beobachten:

  • Asthenisch-apathisches Stadium. Dies tritt hauptsächlich bei älteren Menschen auf und dem gehen toxisch-verwirrende Zustände voraus. Das asthenisch-apathische Stadium kann bei Menschen auftreten, bei denen das Risiko eines Delirs besteht, und ist durch affektive Labilität, Reizbarkeit, Müdigkeit und Apathie gekennzeichnet. Darüber hinaus treten auch Veränderungen bei psychologischen Funktionen wie Gedächtnis oder Aufmerksamkeit auf.
  • Verwirrte Erregungszustände. Diese gehen dem akuten Verwirrtheitszustand oder Delir voraus. Dabei treten Symptome wie Kohärenzverlust, Gedächtnisverzerrung, unverständliche Sprache und Enthemmung des Verhaltens auf.
  • Delir oder Delirium. Ein Delir ist eine akute zerebrale Dysfunktion, die eine totale Veränderung des mentalen Zustands und eine Veränderung des Bewusstseins hervorruft. Hierbei treten deutliche Veränderungen der Aufmerksamkeit, Wahrnehmungsstörungen, Gedankenstörungen, Störungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, der psychomotorischen Aktivitäten und des Schlaf-Wach-Zyklus auf.

Die Veränderung des Kontextes im Delir

Das Delir tritt normalerweise bei älteren Patienten auf, die aus völlig anderen Gründen in ein Krankenhaus kommen. Während der Nacht erleben sie dann einen akuten Verwirrungszustand.

Auslöser sind die Veränderung des Kontextes und die Angst, die mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden ist. Allerdings besteht das Problem darin, dass das Krankenhauspersonal häufig nicht weiß, was genau zu tun ist, um den Betroffenen zu helfen. Der Schlüssel liegt darin, den Kontext zu verändern.

Bewusstseinsstörungen mit Verengungen des Bewusstseinsfeldes: Trennung zwischen Denken und Verhalten

Diese Störungen führen zu einer mangelnden Kontinuität zwischen Wahrnehmung und Kognition und sind gekennzeichnet durch offensichtlich “normale”, aber dennoch automatisierte Verhaltensweisen.

Wir haben herausgefunden, dass der Dämmerzustand offensichtlich die Hauptstörung ist, bei der eine Verengung des Bewusstseinsfeldes auftritt. In diesem Dämmerzustand ist das Bewusstsein vollkommen vernebelt, aber obwohl bei dem Betroffenen das Verständnis für die Welt verzerrt ist, ist es dennoch teilweise vorhanden.

Dennoch scheint sich das Verhalten des Betroffenen in Harmonie mit dem Umfeld zu befinden. Das liegt daran, dass dieses Verhalten in gewisser Weise automatisiert abläuft. Bei diesen Automatismen handelt es sich um unwillkürliche Bewegungen, was bedeutet, dass die Betroffenen sie nicht bewusst ausführen. Allerdings wussten diese Menschen, wie man sie perfekt ausführt, bevor sie in diesen Dämmerzustand fielen, der manchmal auch als Dämmerungsamnesie bezeichnet wird.

Hier besteht ein Unterschied zu Menschen, die beispielsweise an Schizophrenie leiden, deren Automatismen zu seltsamen Verhaltensweisen führen.

In Dämmerzuständen können auch Impulse auftreten. Impulse sind impulsive Handlungen ohne eine kognitive Grundlage. Und dies unterscheidet sie auch von den zwanghaften Handlungen, die beispielsweise bei Zwangsstörungen auftreten können.

Darüber hinaus ist ein Merkmal von Dämmerzuständen, dass sie abrupt auftreten. Außerdem verschwinden sie ebenso unvermittelt wieder. Normalerweise dauern sie für einige Stunden oder einige Tage an und der Betroffene hat in Bezug auf diese Episode keinerlei Erinnerung.

Bewusstseinsstörungen - gestresster Mann

Diese Bewusstseinsveränderungen treten nicht alleine auf

Die Psychopathologie des Bewusstseins findet sich auch bei Patienten mit psychischen oder neurologischen Störungen, ohne dass es sich dabei um das Hauptproblem der Betroffenen handelt. Dies ist normalerweise im Zusammenhang mit psychopathologischen Symptomen wie Depersonalisierung und Derealisation der Fall, welche bei Angststörungen, Panik und neurotischen Situationen auftreten.

Depersonalisierung wird von Cruzado, Núñez, and Rojas (2013) definiert als eine Veränderung des Selbst-Bewusstseins einer Person. Der Betroffene hat das Gefühl, er wäre von sich selbst distanziert und sehr weit entfernt und fühlt sich lediglich als Beobachter, der seine eigenen mentalen Prozesse und körperlichen Bewegungen betrachtet. Weil es so schwer ist, diese Empfindungen in Worte zu fassen, können die Betroffenen ihre eigenen Symptome nur mithilfe von Formulierungen wie “als ob” umschreiben.

Obwohl Depersonalisierung normalerweise bei psychischen und psychiatrischen Erkrankungen auftritt, kann sie ebenfalls bei Menschen vorkommen, die an keiner dieser Störungen leiden. Die Ursachen können körperliche und emotionale Erschöpfung, Stress oder Schlafentzug sein.

Derealisation ist eine ähnliche Veränderung. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Veränderung der Erfahrung und Wahrnehmung der Person in Bezug auf die Welt und nicht auf sich selbst.


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  • Pérez, D. (2014). ¿La conciencia? ¿Qué es eso? Estudios de Psicología, 28(2), 127-140.
  • Cruzado, L., Núñez, P. y Rojas, G. (2013). Despersonalización: más que un síntoma, un síndrome. Revista Neuro-Psiquiatría, 76(2), 120-125.
  • Santos, J., Hernangómez, L. y Taravillo, B. (2018). Manual CeDe de Preparación PIR, 5ª edición. Madrid, España: CeDe.

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