Apophänie: Wahrnehmung von Mustern und Regelmäßigkeiten, wo keine sind

Das menschliche Gehirn ist darauf programmiert, Muster und Zusammenhänge zu erkennen. Wir sehen jedoch manchmal auch Beziehungen zwischen komplett unabhängigen Ereignissen, für die es keine logische Erklärung gibt.
Apophänie: Wahrnehmung von Mustern und Regelmäßigkeiten, wo keine sind
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 31. Mai 2023

Apophänie bezeichnet die Erfahrung, in zufälligen und banalen Alltagserlebnissen nicht existierende Muster und Beziehungen zu erkennen. Dieses Phänomen bewirkt, dass die Realität plötzlich bedrohlich oder doppelbödig zu sein scheint.

Wir alle haben die Fähigkeit, Muster in Alltagserlebnissen zu erkennen. Dieses wahrnehmungspsychologische Phänomen kann jedoch auch krankhaft und stark einschränkend sein, wenn Betroffene in den Mustern Bedrohungen oder einen Komplott sehen und kontinuierlich Verbindungen herstellen, die nichts mit der Realität zu tun haben. Erfahre anschließend mehr darüber.

Menschen mit Apophänie sehen Zusammenhänge in zufälligen und voneinander unabhängigen Ereignissen, die sie oft durch eine höhergestellte Macht (Gottheit, Außerirdische, Schicksal, Engel…) erklären.

Was ist Apophänie?

Der deutsche Neurologe und Psychiater Klaus Conrad prägte den Begriff Apophänie 1958 und beschrieb dieses Phänomen als Wahrnehmungsverzerrung bei Psychosen. Heute wird diese Bezeichnung jedoch auch bei gesunden Menschen mit der Tendenz, Muster in unzusammenhängenden Ereignissen zu erkennen, verwendet.

Bei diesem Phänomen sind zwei wichtige Elemente zu beobachten:

  • Die Erkennung von Mustern ist willkürlich: Es gibt keine Beweise für den Zusammenhang der verschiedenen Ereignisse, nur Vermutungen und eine ausgeprägte Vorstellungskraft.
  • Die Wahrnehmung der Muster ist subjektiv, ihre Bedeutung übertrieben: Viele Personen glauben, dass sich hinter zufälligen Ereignissen bestimmte Botschaften oder Absichten verbergen. Es gibt allerdings keine logische Erklärung.

Einige Beispiele aus dem Alltag

Du hast vielleicht den Begriff Apophänie noch nie gehört, dieses Phänomen jedoch sicher schon mehrfach erlebt. Kommen dir folgende Beispiele bekannt vor?

  • Du gehst zu einem Vorstellungsgespräch und begegnest mehreren lächelnden Menschen. Du interpretierst das als gutes Omen und gehst davon aus, dass du Glück haben wirst.
  • Bei jedem Fußballmatch mit deinem Lieblingsverein trägst du einen bestimmten Schal, da du glaubst, dass er deiner Mannschaft Glück bringt.
  • Du denkst an einen Freund, den du schon lange nicht mehr gesehen hast, und in diesem Moment ruft er dich an. Du glaubst, dass es Gedankenübertragung war.
  • Nach der Trennung von deinem Partner oder deiner Partnerin hörst du immer wieder euren gemeinsamen Lieblingssong. Du glaubst, dass das ein Zeichen ist, dass dich die Person vermisst oder dass ihr es noch einmal versuchen solltet.
  • Du möchtest gerne einen Hund und siehst ständig Menschen, die mit ihren Hunden spazieren gehen. Oder du träumst von einem bestimmten Automodell und siehst plötzlich ganz viele, die dieses Auto haben.

Wie entsteht dieses Phänomen?

Wir alle haben dieses Phänomen schon öfter erlebt. Wir haben das Bedürfnis nach Sicherheit, unser Verstand liebt die Vorhersehbarkeit und Kontrolle über unsere Umgebung. Deshalb suchen wir automatisch nach Verbindungen und Mustern. Insbesondere unsichere Menschen, die ihre Umwelt als bedrohlich oder beunruhigend empfinden, haben diese Gewohnheit. Es handelt sich jedoch nicht um eine psychische Störung.

Michael Shermer erklärt in einem in der Fachzeitschrift Scientific American veröffentlichten Artikel, dass unser Gehirn darauf programmiert ist, Muster zu erkennen und einen Sinn zu finden. Es handelt sich um eine evolutionäre Fähigkeit, die zum Überleben der Spezies beiträgt. Wie Brugger (2001) feststellt, ist Apophänie mit Kreativität verbunden: Viele künstlerische Kreationen machen davon Gebrauch.

Wenn dieses Phänomen jedoch zu häufig oder intensiv wird, kann eine Psychose vorhanden sein. Ein in der Fachzeitschrift Psychiatry Research veröffentlichter Artikel weist darauf hin, dass die Tendenz, Beziehungen zwischen unabhängigen Ereignissen herzustellen, zu den positiven Symptomen der Schizophrenie zählt.

Es scheint auch einen biologischen Zusammenhang zu geben. Einigen Forschungsergebnissen zufolge, die unter anderem im Journal of Cognitive Neuroscience veröffentlicht wurden, besteht ein Zusammenhang zwischen einem erhöhten Dopaminspiegel und der Apophänie. 

Der richtige Umgang mit Apophänie

Obwohl dieses Phänomen in der Regel harmlos ist und jedem passieren kann, kann die Apophänie krankhaft sein und zu schlechten Entscheidungen führen.  Kritisches Denken ist eines der besten Gegenmittel. Zwar erfordert es gewisse Anstrengungen, doch es ist die beste Grundlage, um unlogische Muster, Aberglauben und verzerrte Wahrnehmungen zu erkennen.

Zum anderen ist es wichtig, bestimmte Drogen oder Substanzen zu vermeiden, die das Risiko für Apophänie und paranormale Erfahrungen erhöhen. Tritt dieses Phänomen im Rahmen einer Psychose auf, können Arzneimittel helfen, die den dopaminergen Spiegel regulieren.

Apophänie und Pareidolie

Es ist wichtig, Apophänie nicht mit Pareidolie zu verwechseln. Die Pareidolie ist eine Wahrnehmungsstörung, die dazu führt, dass man in einem vagen oder zufälligen visuellen Reiz erkennbare Formen sieht oder bewusst danach sucht. Ein Beispiel dafür ist das bekannte Marsgesicht in der Cydonia-Region oder Wolken, die Tierformen haben. Es handelt sich um sehr ähnliche Erfahrungen, die Apophänie ist jedoch eingegrenzter und extremer.


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