Andy Warhol und seine Zeitkapseln

Andy Warhol war Mitbegründer und einer der bedeutendsten Vertreter der Pop Art Bewegung des 20. Jahrhunderts. Im Laufe seiner Karriere hat er mehr als 600 Zeitkapseln geschaffen. Jede dieser Kapseln hat ein vorbestimmtes Datum für ihre Öffnung. Erfahre in unserem heutigen Artikel mehr darüber, warum er sich dazu entschieden hat, alltägliche Gegenstände auf diese Art aufzubewahren.
Andy Warhol und seine Zeitkapseln
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Camila Thomas

Letzte Aktualisierung: 17. Februar 2023

Andy Warhol ist wohl der bedeutendste Vertreter der Pop Art Bewegung des 20. Jahrhunderts. Seine große Beliebtheit machte ihn schnell zu einem der weltweit berühmtesten Künstler. Er wurde am 6. August 1928 in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren und war sowohl Maler als auch Filmemacher. Außerdem stellte er unzählige Zeitkapseln her.

Viele halten ihn für den Begründer der Pop Art Bewegung der 1960er Jahre und er gilt als der wichtigste Vertreter dieser Kunstrichtung. Die Massenproduktion, in der er seine Kunst herstellte, war seine Form der Kritik an der Banalität der kommerziellen Kultur der Vereinigten Staaten.

Andy Warhol konnte sich selbst gut vermarkten und vermochte es, ein Image von sich zu erschaffen, welches ihn als unpersönlichen und leeren Künstler erscheinen ließ. Dennoch war er auch ein Prominenter und Geschäftsmann. Außerdem gelang ihm ein sehr erfolgreicher gesellschaftlicher Aufstieg. In unserem heutigen Artikel wollen wir über sein Leben und einige der Kernthemen in seiner künstlerischen Arbeit sprechen.

Andy Warhol: sein Leben und sein Vermächtnis

Warhol war der Sohn sowjetischer Immigranten, welche aus der heutigen Slowakei kamen. Im Jahr 1949 verließ er das Carnegie Institute of Technology (heute Carnegie Mellon) mit einem Abschluss im Fach Grafikdesign.

Später zog er nach New York City und arbeitete dort für ungefähr 10 Jahre als kommerzieller Illustrator.

Gegen Ende der 1950er Jahre begann Andy Warhol mit der Malerei. 1962 wurde er dann schlagartig bekannt. Zu dieser Zeit stellte er Gemälde von Campbell-Suppendosen, Coca-Cola-Flaschen und hölzerne Repliken von Brillo-Seifenschachteln aus.

Andy Warhol - Pop Art

Im Jahr 1963 begann er mit der Massenproduktion dieser Bilder. Er wählte dabei bewusst Motive, die Konsumprodukte des täglichen Lebens zeigten. Andy Warhol fertigte sie im sogenannten Siebdruck-Verfahren. Kurze Zeit später begann er damit, Portraits von Prominenten in unzähligen Variationen und sehr auffälligen Farben zu drucken.

Der Siebdruck war die perfekte Technik für Andy Warhol, weil er seine Bilder immer wieder reproduzierte. Durch diese fortlaufende Reproduktion der Motive verwandelte er kulturelle Ikonen in bedeutungslose und entmenschlichte Figuren. Für ihn repräsentierten diese Ikonen die Leere des amerikanischen Materialismus. Außerdem drückte er dadurch auch seine emotionale Distanz zu seiner Kunst aus.

Das Regelwerk

Wenn du dich mit verschiedenen Theorien über Ästhetik beschäftigst, dann wirst du feststellen, dass die Kunst lange Zeit als Maßstab für Schönheit angesehen wurde. Die Kunst verschönerte die Welt und zeigte sie gewöhnlich in einer realistischen Szenerie. So wurden vertraute Dinge dargestellt.

Aber im Laufe der Zeit haben sich diese Strömungen entwickelt und verändert. Gleichzeitig wurde schon immer klar zwischen der hohen Kunst und der einfachen Kunst und Kultur unterschieden. Daher stellt sich die Frage: was genau definiert, ob etwas als Kunst angesehen wird?

Das Regelwerk ist nicht komplett starr, es wurde immer wieder angepasst und verändert. Allerdings wurden populäre und gewöhnliche Dinge schon immer als Teil der “einfachen Kunst” angesehen. Wenigstens herrschte diese Ansicht bis ins 20. Jahrhundert vor.

Seit dieser Zeit wird die Kunst immer stärker auch von populären und gewöhnlichen Medien inspiriert und nicht nur wie bisher durch die “Hochkultur”. Auf einmal wurden auch Fernsehen, Nachrichten und Musik in der Kunstwelt thematisiert.

In einer Welt, in der alles gekauft und kommerzialisiert und dadurch entmenschlicht werden konnte, war diese entmenschlichte Kunstform revolutionär. Sie war ein Bekenntnis zur Pop Art und der westlichen Kultur. Seither musste Kunst nicht länger einfach nur schön sein, weil sie sich, wie die Gesellschaft auch, weiterentwickelt hatte.

Warhol´s Werke beförderten ihn an die Spitze der aufstrebenden Pop Art Bewegung in den USA. Er war bis zu seinem Tod am 22. Februar 1987 (in New York City) der bedeutendste Vertreter dieser Kunstrichtung.

Andy Warhol und seine Zeitkapseln

Im Jahr 1974 begann Andy Warhol damit, insgesamt 610 Zeitkapseln mit persönlichen Gegenständen zu befüllen. Nachdem er sie verschlossen hatte, vergrub er sie an einem dafür vorgesehenen Lagerort.

Für einige Kunstexperten ist diese riesige Sammlung von Kapseln eine eigene Kunstserie. Als das Andy Warhol Museum in Pittsburgh schließlich damit begann, die Zeitkapseln auszugraben und deren Inhalt sorgfältig zu katalogisieren, stellten die Mitarbeiter fest, dass sie alltägliche, bedeutungslose Objekte enthielten.

So fanden sie unter anderem Zeitungsartikel, Spam-Mails, halb gegessene Sandwiches und sogar abgeschnittene Zehennägel. Außerdem enthielten die Kapsel Fotografien, die für größere Projekte vorgesehen waren, Auftragsschreiben und einige aktuelle Kunstwerke.

Die Andy Warhol Stiftung engagierte ein Team von Archivaren, das den Inhalt jeder Kapsel, von der Taxiquittung bis zur Fanpost, sichtete. Ihre Aufgabe bestand darin, jedes einzelne Stück akribisch zu katalogisieren, zu fotografieren und die Herkunft der oftmals sehr merkwürdigen Artikel zu recherchieren. Anschließend wurden alle Fakten in einer Datenbank erfasst.

Welche Bedeutung haben die Zeitkapseln von Andy Warhol?

Das Neu-Verpacken alltäglicher Gegenständen unseres Lebens wurde zum Hauptthema des kreativen Schaffens von Andy Warhol. Dabei sind die Zeitkapseln ein Streich und ein Witz, den er an die westliche Kultur gerichtet hat. Sie stellen eine satirische Reflexion unseres modernen Lebensstils dar.

Bis zu seinem Tod hat Andy Warhol stets folgende Auffassung vertreten: “Ich kann ein Künstler sein, ohne jemals Kunst zu schaffen. Ich selber bin die Kunst.” Er erhob sich selbst als Künstler zu einer kulturellen Ikone. Der Künstler selbst war nicht mehr länger jemand, der die Welt schön machte. Vielmehr war er exzentrisch und visionär.  Wie er sagte: “In allem steckt Schönheit.”

Die Zeitkapseln von Andy Warhol handeln im Grunde genommen vom Tod, wie auch seine Portraits von Marilyn Monroe und Elvis. Er verwandelte sowohl den Tod als auch den Trash (Abfall) in Kunst. Begrüßungskarten, Postkarten, ein Aschenbecher (gestohlen aus einem schicken Restaurant), ein Bild von Elvis, Weihnachtsgeschenkpapier und Geschenkbänder, ein “Bitte nicht stören”-Schild aus dem Beverly Wilshire Hotel usw…

Ein Künstler ist jemand, der Dinge herstellt, die eigentlich niemand braucht.

-Andy Warhol-

Andy Warhol - Bananen

Trash (Abfall) kann auch Kunst sein

Warhol war seiner Zeit in vieler Hinsicht weit voraus. Jedes Objekt wählte er sehr sorgfältig aus, um jedem einzelnen 15 Minuten Ruhm zu verschaffen. Es fällt wirklich schwer, sich einen anderen Künstler vorzustellen, der seinen ganzen Müll aufgehoben und diesen dann als Kunst betrachtet hätte.

Ein Freund von Francis Bacon hob verschiedene Gegenstände auf, die ihm gehörten und ließ sie dann nach seinem Tod versteigern. Allerdings hat er vermutlich nicht geglaubt, dass seine alten Scheckbücher irgendeinen künstlerischen Wert darstellten.

Warhol hingegen war davon überzeugt, dass aller Abfall auf seinem Schreibtisch wertvoll war. Wenn andere Menschen diese Dinge dann aus seiner Perspektive betrachteten, würden sie dadurch zu Kunstwerken werden. Dadurch würde die Kunst dann nicht länger ein Idealbild darstellen, das an starre Regeln gebunden war. Sie wäre vielmehr ein Standpunkt oder ein bestimmter Blickwinkel.

Diese Erfahrung ist viel anspruchsvoller. Daher geben uns diese Zeitkapseln eine so faszinierende Perspektive auf Andy Warhol, der einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts war.

Das Warhol Modell

Allerdings war Andy Warhol nicht der einzige, der diese Meinung vertrat. Es gibt zahlreiche Menschen, die den inhärenten Wert der Zeitkapseln erkennen. Einer seiner Fans bezahlte unglaubliche 30.000 US Dollar dafür, dass er die letzte Zeitkapsel öffnen durfte.

“Menschen werden allein geboren, aber dennoch sie sind stets in Ketten – Verkettungen – der Interaktivität. Soziale Interaktionen sind provisorische Formen, oftmals mutig, manchmal lächerlich, immer jedoch seltsam. Und irgendwie ist jede soziale Interaktion eine Verhandlung, ein Kompromiss zwischen “seinen”, “ihren” oder “deren” Wünschen und deinen eigenen.”

-Andy Warhol-

Warhol erschuf sich eine komplexe künstlerische Persona, die damit spielte, dass der Künstler einerseits ein Prominenter und gleichzeitig ein Geschäftsmann ist. Seither haben auch andere Künstler dieses Modell kopiert. Offensichtlich ist es ein Konzept, das nach wie vor gut funktioniert.

Andy Warhol wurde zu einer Ikone. Er war das Symbol einer Zeitperiode und einer Revolution. Seine entmenschlichte Kunst spiegelte neue Bedürfnisse, neue Konsumformen und neue Lebensstile wider. Er verwandelte die Figur des Künstlers von einem einstmals gewissenhaften Handwerker zu einer Persönlichkeit, die wahrgenommen wurde. Eine exzentrische Person mit einer eigenen Sicht auf die Welt, in der der Künstler selber zur Kunst wird.


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  • Ribas, J., & Warhol, A. (1990). Comprar es más americano que pensar. Ajoblanco, 21, 22-41.
  • Honnef, K. (1991). Andy Warhol, 1928-1987: el arte como negocio. Benedikt Taschen.
  • Warhol, A., & Covián, M. (1981). Mi filosofía de A a B y de B a A. Tusquets.
  • Smith, J. W. (2001). Saving Time: Andy Warhol’s Time Capsules. Art Documentation: Journal of the Art Libraries Society of North America, Volumen 20, número 8. Pp. 8-10.

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