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Zurück in die Vergangenheit: Was bedeutet Regression?

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In der Psychologie beschreibt der Begriff "Regression" einen spannenden Prozess, bei dem Menschen in frühere Verhaltens- oder Gefühlsmuster zurückkehren – entweder unbewusst als Schutzmechanismus oder bewusst im Rahmen einer Therapie.
Zurück in die Vergangenheit: Was bedeutet Regression?
Sharon Laura Capeluto

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Sharon Laura Capeluto

Letzte Aktualisierung: 28. Mai 2025

In der Psychologie beschreibt der Begriff Regression einen spannenden Prozess: Menschen jeden Alters fallen in kindliche Verhaltensweisen oder Denkmuster zurück, um sich vor unangenehmen Gefühlen oder Situationen zu schützen. Gleichzeitig bezeichnet Regression aber auch eine therapeutische Methode, bei der du – begleitet von einer Fachperson – frühere Erlebnisse erneut durchlebst, um seelische Wunden besser zu verstehen und aufzuarbeiten.

In diesem Artikel schauen wir uns beide Formen an – und laden dich ein, das Thema ganz in Ruhe zu erkunden.

Was ist Regression in der Psychologie?

Die Regression zeigt sich in der Psychologie auf zwei zentrale Arten: als unbewusster Abwehrmechanismus und als bewusst eingesetztes therapeutisches Werkzeug. Die erste Variante geht auf Sigmund Freud zurück. Er beschrieb Regression als eine Form der Abwehr – ähnlich wie Verdrängung oder Rationalisierung – mit dem Ziel, psychischen Stress zu mildern.

Die zweite Variante ist die sogenannte Regressionstherapie. Hier wird Regression gezielt eingesetzt, um emotionale Blockaden oder Traumata, die tief in der Vergangenheit verwurzelt sind, aufzudecken und zu lösen.

Beide Formen können hilfreich sein, bergen aber auch Risiken, auf die wir später noch eingehen.

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Regression als Abwehrmechanismus

In der Psychoanalyse gilt Regression als Schutzfunktion der Psyche. Wenn du zum Beispiel starkem Druck, Angst oder emotionalem Schmerz ausgesetzt bist, kann es sein, dass du – meist unbewusst – auf frühere Verhaltensmuster zurückgreifst. Diese wirken vertraut und geben dir kurzfristig Sicherheit.

Anders gesagt: Deine Psyche greift in stressigen Momenten auf frühere, einfachere Strategien zurück, um mit der aktuellen Situation besser zurechtzukommen.

Beispiele für Regression im Alltag

Regression kann sich in ganz alltäglichen Situationen zeigen – und betrifft keineswegs nur Kinder:

  • Ein fünfjähriges Kind, das nach dem Start in die Schule plötzlich wieder einnässt, obwohl es eigentlich schon trocken war.

  • Ein Kind, das nach der Trennung der Eltern wieder anfängt, am Daumen zu lutschen.

  • Ein Teenager, der unter Leistungsdruck steht und bei Frust zu Wutanfällen oder Tränen neigt.

  • Ein Erwachsener, der nach einem Schicksalsschlag plötzlich nicht mehr allein im Dunkeln schlafen will und nachts die Nähe eines anderen Menschen sucht.

Solche Reaktionen sind nicht ungewöhnlich. Sie zeigen, wie stark emotionale Ausnahmesituationen unser Verhalten beeinflussen können. Wichtig ist allerdings, dass diese Muster nicht zur Dauerlösung werden. Denn wer dauerhaft in einer Regression „steckenbleibt“, kann Schwierigkeiten bekommen, Probleme eigenständig und reif zu lösen.

Was hat Regression mit Fixierung zu tun?

Wenn wir über Regression sprechen, lohnt sich auch ein Blick auf das Konzept der Fixierung. Eine Fixierung entsteht, wenn jemand in einer bestimmten Phase der kindlichen Entwicklung hängenbleibt – zum Beispiel, weil grundlegende Bedürfnisse damals nicht erfüllt wurden.

Ein Beispiel ist die sogenannte orale Phase: Babys erleben in den ersten Lebensmonaten Lust und Sicherheit vor allem über den Mund – beim Stillen, Nuckeln oder Saugen. Wenn in dieser Phase etwas schiefläuft (zu wenig oder zu viel Befriedigung), kann sich eine Fixierung entwickeln. Im Erwachsenenalter zeigt sich das dann vielleicht in Form von übermäßigem Essen, Rauchen oder Nägelkauen.

Und genau in solchen Momenten emotionaler Anspannung kann diese Fixierung die Regression begünstigen: Die Psyche greift auf das zurück, was sich einst sicher anfühlte.

Regression als therapeutische Technik

In der Psychologie versteht man unter Regressionstherapie (auch regressive Therapie) eine alternative Methode, bei der du dich auf frühere Lebensphasen zurückbesinnst – oft bis in die Kindheit oder sogar darüber hinaus, zum Beispiel in das Leben im Mutterleib oder frühere Leben. Ziel ist es, herauszufinden, wie diese Erfahrungen deine heutigen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen beeinflussen.

Die Therapie basiert auf der Annahme, dass dein Bewusstsein nicht an eine lineare Zeit gebunden ist. Vergangenes, Gegenwärtiges und sogar Zukünftiges kann gleichzeitig erlebt und verarbeitet werden. Um dich dorthin zu führen, kommen meist Methoden wie Hypnose, geführte Imagination oder Tiefenentspannung zum Einsatz. So sollen Erinnerungen zugänglich gemacht werden, die dir im Alltag nicht bewusst sind – aber deine Gegenwart beeinflussen.

Wie läuft eine Regressionstherapie ab?

Die genaue Vorgehensweise kann je nach Therapeutin oder Therapeut und individueller Situation leicht variieren. Grundsätzlich folgt die Regressionstherapie aber einem festen Ablauf:

  • Zielklärung: Zu Beginn sprecht ihr gemeinsam über deine Anliegen und klärt, was du erreichen möchtest. Die Fachkraft erklärt dir die geplante Methode und bereitet dich auf den Prozess vor.
  • Induktionsphase: In dieser Phase wirst du mithilfe von Hypnose, Atemübungen oder Visualisierungstechniken in einen Zustand tiefer Entspannung geführt. Das erleichtert den Zugang zu deinem Unterbewusstsein und gespeicherten Erinnerungen.
  • Erkundungsphase: Jetzt beginnt die eigentliche Rückführung: Die Fachkraft stellt dir offene Fragen und gibt gezielte Impulse, um dich zu bestimmten Erinnerungen zu führen. Du bleibst dabei wach und bei vollem Bewusstsein, wirst aber eingeladen, dich auf deine inneren Bilder und Gefühle einzulassen.
  • Ausdrucksphase: Du beginnst, das Erlebte auszudrücken – in Worten, Bildern oder Emotionen. Dabei können Details zu früheren Beziehungen, Emotionen oder unbewussten Mustern auftauchen. Die Fachkraft begleitet dich dabei einfühlsam und sorgt für einen sicheren Raum, in dem alles Platz haben darf.
  • Neuinterpretation und Integration: Zum Schluss arbeitet ihr gemeinsam daran, den alten Erfahrungen eine neue Bedeutung zu geben. Du lernst, Situationen aus einer anderen Perspektive zu betrachten und neue, hilfreiche Einsichten daraus zu gewinnen. So entsteht ein innerer Wandel, der sich positiv auf dein heutiges Leben auswirken kann.

Vorteile der Regressionstherapie

Viele berichten nach einer Regressionstherapie von einem tieferen Verständnis für sich selbst. Alte emotionale Verletzungen können erkannt und aufgelöst werden – was zu mehr innerer Klarheit, weniger Stress und einer besseren Lebensqualität führt. Auch Ängste, innere Blockaden oder destruktive Verhaltensmuster können sich deutlich verbessern. Außerdem stärkt die Arbeit mit alten Erfahrungen oft das Selbstmitgefühl und die emotionale Reife.

Kritik und Risiken

Trotz der positiven Berichte ist die Regressionstherapie innerhalb der Psychologie umstritten. Einer der Hauptkritikpunkte: Es fehlt an wissenschaftlich fundierten Belegen für ihre Wirksamkeit. Kritiker warnen zudem vor möglichen Risiken – etwa der Entstehung falscher Erinnerungen oder einer emotionalen Überforderung bei sensiblen Inhalten. Das Wiedererleben traumatischer Situationen kann – ohne professionelle Begleitung – mehr Schaden anrichten als Heilung bringen.

Daher ist es wichtig: Wenn du dich für eine Regressionstherapie interessierst, suche dir unbedingt eine qualifizierte Fachkraft mit entsprechender Erfahrung und Ausbildung.

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Zwei wichtige Begriffe im Vergleich

In der Psychologie begegnen dir oft Begriffe, die ähnlich klingen, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. So ist es auch bei der Regression als Abwehrmechanismus und der Regression als therapeutischem Ansatz.

Beide Konzepte beschreiben eine Rückkehr zu früheren mentalen oder emotionalen Zuständen. Der Unterschied liegt im Wie und Warum:

  • Abwehrmechanismus: unbewusste Schutzreaktion, um mit Stress oder inneren Konflikten umzugehen.

  • Therapeutische Regression: bewusst eingesetzte Technik, um emotionale Verletzungen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten und Heilung zu ermöglichen.

Diese Unterscheidung ist wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden – und dir ein umfassenderes Verständnis für die Komplexität deiner inneren Welt zu geben.


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Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.