Wu wei - Die Kunst des Nicht-Handelns

Wu wei - Die Kunst des Nicht-Handelns
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2023

Wu wei ist ein Denkmodell aus dem Taoismus, das “Handeln durch Nicht-Handeln” bedeutet. Es geht dabei um eine Philosophie, die Folgendes besagt: Die beste Art und Weise, mit einer Situation umzugehen – besonders wenn du dich in einem Konflikt befindest – ist das Nicht-Handeln. Darüber hinaus ist es wichtig, keine Lösung zu erzwingen, sondern die Dinge einfach fließen zu lassen.

Die meisten von uns halten eine Philosophie wohl für befremdlich, die uns das Nicht-Handeln lehrt. Wir leben in einer Gesellschaft, die uns pausenlos dazu anleitet, das Gegenteil zu tun. Eigentlich führen wir ein geschäftiges Leben mit To-do-Listen und tausenderlei Gefühlen und Gedanken und Aufgaben. Und wenn wir einmal nichts tun, halten wir das für unnormal und fühlen uns schuldig. Wir sind nämlich der Auffassung, dass Nichts-Tun einfach Zeitverschwendung sei.

“Aus der Leere des Weisen entspringt die Gelassenheit, aus der Gelassenheit die Handlung, aus der Handlung der Erfolg.”

Zhuangzi

Das Hauptwerk des Taoismus , das Daodejing  wurde vom Philosophen Laotse vor mehr als 2.500 Jahren verfasst. Laotse schlussfolgerte, dass die beste Art zu leben darin bestehe, sich mit dem Fluss der Natur und dem Kosmos in Einklang zu bringen. Dies ist die zentrale Idee des Wu wei – man lässt zu, dass die Dinge ihren natürlichen Lauf nehmen und passt sich diesem an.

Die Werte und Tugenden des Wu wei

Wu wei schlägt eine einfache Lebensweise vor. Denn diese führt zu Frieden und Harmonie. Diese Einfachheit impliziert, sich nicht zu sehr an Bestrebungen und Wünsche zu klammern. Letztere erzeugen nämlich in erster Linie Chaos und Leid, anstatt Verständnis zu wecken.

Schattenriss einer meditierenden Frau im Sonnenuntergang mit Baum

Die Einfachheit unterstützt uns dabei, friedlicher zu leben. Das wird unmöglich, wenn wir nur darauf konzentriert sind, Großes zu erreichen. Es geht um die Wertschätzung dessen, wer und was wir sind und was wir haben, anstatt uns darüber zu beschweren, was wir nicht sind und was wir nicht haben.

In diesem Sinne lehrt uns Wu wei, dass die Einfachheit uns dabei hilft, die Dinge zu nehmen, wie sie sind und dem Fluss der Ereignisse nicht im Weg zu stehen. Es geht auch nicht darum, die Kontrolle über die Ereignisse zu übernehmen. Diese Werte und Haltungen widersprechen unserer westlichen Mentalität – sie führen jedoch zu einem stabileren emotionalen Gleichgewicht.

Wu wei und die Haltung zu Exzessen

  • Akzeptiere die Tatsache, dass du Probleme erzeugst. Probleme entstehen nicht aus dem Nichts. Sie werden von unseren Handlungen und Gedanken erschaffen.
  • Strenge dein Gehirn nicht an, um Probleme zu lösen. Bewege diese Probleme nicht in deinen Gedanken und finde auch keine Lösungen für sie. Lasse vielmehr zu, dass sie sich selbst lösen. Nimm sie nicht ernst.
  • Lerne den natürlichen Fluss der Dinge zu schätzen. Das heißt, du nimmst den Umständen gegenüber eine Haltung des Nicht-Handelns ein. Wisse, dass du nicht eingreifen musst.
  • Du lässt deine Gedanken fließen. Du versuchst nicht, ihnen eine bestimmte Richtung oder einen bestimmten Fokus zu geben. Du erlaubst deinen Gedanken schlichtweg, ihren eigenen Lauf zu nehmen.
Ein Mann sitzt kontemplativ am Rand eines Wolkenmeers.

Warten wir einfach ab

Eines der Grundprinzipien des Wu wei besagt: Du lernst, abzuwarten. Dieses Prinzip beruht auf der Vorstellung, dass du so deine Kräfte schonst. Solange, bis Handlungen anstehen, für die du später nicht geradestehen musst. Die Menschen, die auf den richtigen Zeitpunkt warten, wissen, wie sie sich mit großer Umsicht verhalten können. Und auch, wie sie mit einer großen Menge an Energie umgehen können. Sie haben sie ja nicht mit unbedeutenden Handlungen verschwendet.

Außerdem: Der Mensch, der abwarten kann, löst jede Situation mit großer Leichtigkeit. Da ist dann auch wenig Anstrengung involviert. Das heißt nicht, dass dieser Mensch sein Umfeld vernachlässigen würde oder passiv wäre. Er ist vielmehr im Einklang mit dem natürlichen Fluss der Ereignisse. Es soll auch ausdrücklich betont werden, dass nichts unverändert bleibt. Eigentlich passiert so ziemlich genau das Gegenteil. Alles, was existiert, befindet sich in konstantem Wandel. Ganz gleich, ob man persönlich handelt oder nicht.

Verfechter des Wu wei sind deshalb der Überzeugung, dass keinem Ereignis Widerstand entgegenzubringen ist. Einige unserer Handlungen erzeugen aber Widerstand. Daraus entsteht eine negative Kraft, die vielleicht kontraproduktiv sein wird. Anstatt uns beim Selbstschutz zu helfen, bringt uns unsere Haltung dazu, dass wir uns in jenem Kampf selbst Schaden zufügen. Das Ziel ist hier: Lasse zu, dass alles auf eine natürliche Weise geschieht, ohne dass du Widerstand leistest.


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  • Moon, S. (2015). Wuwei (non-action) Philosophy and Actions: Rethinking ‘actions’ in school reform. Educational Philosophy and Theory47(5), 455-473.
  • Chee, P. T. (1971). The Principle of “Acting by not Acting,” Wei Wu Wei, in the Tao Te Ching. International Philosophical Quarterly11(3), 362-371.

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