Wissenswertes über Wahrnehmungsverzerrungen
Manchmal spielt uns unser Verstand einen Streich, manchmal sind es auch die Sinne, die uns verraten. Wir sprechen heute über Wahrnehmungsverzerrungen, die dazu führen, dass wir äußere Reize anders wahrnehmen, als es zu erwarten wäre. Diese verzerrten Wahrnehmungen werden nach verschiedenen Parametern klassifiziert. Sie sollten allerdings nicht mit Halluzinationen verwechselt werden, bei denen das Wahrnehmungserlebnis nicht auf real existierenden Reizen basiert.
Sinnestäuschungen und Wahrnehmungsstörungen sind psychopathologische Auffälligkeiten, die durch eine veränderte Wahrnehmung der Realität ausgelöst werden. Dazu gehören auch Halluzinationen. Wir widmen uns heute jedoch jenen Wahrnehmungsstörungen, die durch die Fehlinterpretation realer Sinneseindrücke entstehen. Es handelt sich um ein komplexes Phänomen, das wir einfach darzustellen versuchen.
“Jeder Wahrnehmungsakt ist bis zu einem gewissen Grad ein Schöpfungsakt, und jeder Gedächtnisakt ist bis zu einem gewissen Grad ein Akt der Einbildung”
Oliver Sacks
Nach dem Handbuch von Belloch, Sandín und Ramos (2008) können die verschiedenen Arten von Wahrnehmungs- oder Sinnesverzerrungen anhand von fünf Parametern klassifiziert werden:
- Intensität
- Qualität
- Größe und Form
- Wahrnehmungsintegration
- Illusionen
Wir gehen anschließend auf die unterschiedlichen Typologien ein und sehen uns einige Beispiele an.
Wahrnehmungsverzerrungen nach ihrer Intensität
Es handelt sich um Wahrnehmungsphänomene, deren Anomalie in der Intensität zu finden ist (beispielsweise Geräusche). Die Qualität des Reizes ist normal, doch das Ausmaß weicht ab. Folgende Wahrnehmungsverzerrungen gehören zu dieser Gruppe:
Hyperästhesie
Es handelt sich um eine Sensibilitätsstörung mit Überempfindlichkeit für Berührungsreize, die in der Regel den Tastsinn betrifft, jedoch auch andere Sinne wie das Gehör beeinträchtigen kann. Außerdem kann die Hyperästhesie zu einer erhöhten Schmerzwahrnehmung führen. Einige Beispiele: das Ticken der Uhr zu laut wahrnehmen oder den Geschmack von Zucker als übermäßig süß empfinden.
Diese Wahrnehmungsstörung tritt in der Regel bei Menschen auf, die unter Angststörungen, Schizophrenie, Migräne oder einer Sucht (akuter Alkohol- oder Drogenkonsum) leiden.
Hypoästhesien
Im Gegensatz dazu sind Hypoästhesien Wahrnehmungsverzerrungen, bei denen die Empfindlichkeit für Reize abnimmt. Diese treten in der Regel bei komplexen psychischen Störungen auf. Betroffene sind unfähig, Geschmäcker, Gerüche oder Geräusche zu spüren oder wahrzunehmen.
Anästhesie
Bei einer Anästhesie fehlt die Wahrnehmung der Umwelt, es handelt sich also um die absolute Abwesenheit der Wahrnehmung der Intensität von Reizen. Im speziellen Fall der fehlenden Schmerzwahrnehmung sprechen wir von einer Variante: Analgesie.
Wahrnehmungsverzerrungen nach ihrer Qualität
In dieser Gruppe finden wir Wahrnehmungsverzerrungen, welche die Qualität der Reize beeinträchtigen. So wird beispielsweise Zucker als salzig wahrgenommen. Andere sehen alles schwarz oder beschreiben den Duft einer Blume als fäkal. In der Regel gehen diese Wahrnehmungsfehler mit einer verzerrten Intensität einher. Sie treten meist bei psychischen Störungen wie Schizophrenie und Depression auf.
Diese Wahrnehmungsverzerrungen dürfen allerdings nicht mit Geschmacks- oder Geruchshalluzinationen verwechselt werden. Wir erinnern daran, dass bei Halluzinationen kein realer Reiz vorhanden ist.
Wahrnehmungsverzerrungen nach ihrer Größe und Form
Es handelt sich in diesem Fall um Metamorphopsien, das heißt um Verzerrungen in der visuellen Wahrnehmung der Größe (Dysmegalopsie) und/oder Form (Dysmorphopsie). Diese Wahrnehmungsfehler treten in einer Vielzahl von Situationen auf: von neurologischen Störungen bis hin zu den Folgen der Wirkung bestimmter Medikamente. Bei akuten Schizophrenie-Episoden und neurotischen Störungen sind sie jedoch außergewöhnlich selten.
Wir betrachten diese Wahrnehmungsverzerrungen etwas genauer:
Dysmegalopsie
Wenn eine Person ein Objekt als größer wahrnimmt, als es in Wirklichkeit ist, handelt es sich um eine Makropsie oder Megalopsie. Solche Phänomene treten auch auf, wenn das Objekt oder der Reiz näher wahrgenommen wird, als dies tatsächlich der Fall ist. Ein Beispiel dafür wäre “eine Ameise in der Größe eines Hundes sehen”.
Wenn die Person das Objekt hingegen kleiner oder weiter von der Realität entfernt wahrnimmt, sprechen wir von Mikropsie.
Autometamorphopsien sind Verzerrungen, die sich auf den eigenen Körper beziehen (Betroffene sehen sich größer als sie tatsächlich sind).
Dysmorphopsie
Dysmorphopsien haben mit der Form zu tun. Sie werden wie folgt klassifiziert:
- Plagiopsie: Betroffene nehmen vertikale Linie nicht richtig wahr.
- Dysplatiopsie: Betroffene nehmen Objekte breiter wahr, als sie in Wirklichkeit sind.
- Kinetopsie: Betroffene nehmen Bewegungen wahr, die nicht vorhanden sind.
Ein Beispiel für eine Dysmorphopsie ist die typisch verzerrte Uhr des Malers Salvador Dalí.
Wahrnehmungsverzerrungen durch die falsche Integration der Reize
Die Information der Reize, die eine Person wahrnimmt, kann nicht immer richtig integriert werden. Wir sprechen in diesem Fall von einer perzeptiven Exzision oder einer Agglutination, zwei seltenen Anomalien. Diese treten manchmal bei organischen Zuständen und bei Schizophrenie auf.
Perzeptive Exzision
Bei dieser Wahrnehmungsspaltung nehmen Betroffene Objekte oder deren Inhalte getrennt voneinander wahr. Entsteht der Wahrnehmungsfehler auf der Ebene der Form, sprechen wir von einer Morpholyse. Wenn die Farben von der Form getrennt wahrgenommen werden, kommt der fachärztliche Ausdruck Metachromie zur Anwendung. Betroffene sehen zum Beispiel die Zeiger einer Uhr getrennt von den Zahlen.
Kopplung
Synästhesien entstehen durch die Kopplung zweier oder mehrerer Sinnesmodalitäten. Dadurch entsteht zum Beispiel die Verflechtung von Musik und Farben.
Andere Wahrnehmungsverzerrungen: Täuschungen
Optische Täuschungen sind ebenfalls Wahrnehmungsverzerrungen. In diesem Fall handelt es sich um Anomalien in der Strukturierung von mehrdeutigen Reizen: um eine Illusion, eine falsche Wahrnehmung eines konkreten Objekts.
Es kann sich um eine Pareidolie (wenn ein vager und zufälliger Reiz fälschlicherweise als erkennbare Form wahrgenommen wird) oder um ein Präsenzgefühl (das falsche Gefühl, dass eine Person physisch anwesend ist) handeln.
“Die Wahrnehmung ist real, auch wenn sie nicht die Realität ist..
Edward de Bono
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Belloch, A., Sandín, B. y Ramos, F. (2008). Manual de Psicopatología. Madrid: McGraw-Hill (vol I). Edición revisada.
- Sacks, O. (1987). El hombre que confundió a su mujer con un sombrero. Muchnik editores, S.A. Barcelona.