Wenn wir zu den Eltern unserer Eltern werden
Das rhythmische Ticken der Uhr erinnert uns daran, dass die Stunden vergehen und wir die Zeit nicht aufhalten können. Doch die Seneszenz tritt oft nicht langsam, sondern plötzlich, fast abrupt ein. In diesem Augenblick werden wir oft zu den Eltern unserer Eltern.
Ein Sturz, eine gebrochene Hüfte, Schmerzen im Knie, eine Prothese, eine Krankheit oder zunehmende Vergesslichkeit: Wir beobachten diese und ähnliche Beschwerden an unseren Eltern, die hilfloser werden und Unterstützung benötigen. Plötzlich dreht sich die Rolle um: Als Kinder sind wir jetzt für sie verantwortlich, während unsere Eltern von unserer Hilfe abhängig sind. Die Allround-Mutter, die sich immer um alles kümmerte, oder der aktive Vater, der stets zur Verfügung stand, verlieren ihre Eigenständigkeit und werden zu “Kindern”.
Wir alle halten es für selbstverständlich, dass unsere Eltern unabhängig sind, doch irgendwann kommt die Zeit, in der sie auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Wenn wir zu den Eltern unserer Eltern werden
In der Regel denken wir lange Zeit nicht daran, dass unsere Eltern älter werden: Sie sind da, wenn wir sie brauchen, auch wenn wir schon lange eigenständig und unabhängig sind. Doch eines Tages müssen sie ins Krankenhaus, haben immer mehr Beschwerden und können viele Dinge nicht mehr selbst machen. Es ist ein Gesetz des Lebens, das uns in vielen Fällen vor schwierige Herausforderungen stellt.
Zunächst müssen wir akzeptieren, dass es jetzt an der Zeit ist, die Verantwortung für unsere Eltern zu übernehmen. Dies ist für beide Seiten eine schwierige Rolle, denn schließlich ist es für die Eltern auch nicht einfach, auf andere angewiesen zu sein. Es ist ein Akt der Verantwortung, der Liebe und der sozialen Gerechtigkeit.
Wir laden dich heute ein, mit uns darüber nachzudenken, wie wir mit dieser Situation am besten umgehen können.
Es ist für beide Seiten nicht einfach, die eigenen Eltern bevormunden zu müssen. Die Eltern akzeptieren oft nicht, dass sie plötzlich von anderen abhängig sind.
Eine Art Trauerprozess: von der Verleugnung zur Akzeptanz
Wenn unsere Eltern nicht mehr für sich selbst sorgen können, verändert sich die Familiendynamik. Es ist wichtig, die Situation zu akzeptieren und mit widersprüchlichen Gefühlen richtig umzugehen. Traurigkeit und Angst sind in dieser Lage häufige Begleiter, außerdem gibt es nicht auf alle Fragen eine Antwort.
Du solltest versuchen, deine Gefühle und Empfindungen nicht zu unterdrücken. Akzeptiere die Situation und sprich mit anderen Menschen darüber, die diese Erfahrung vielleicht schon hinter sich haben und dich deshalb besonders gut verstehen.
Unsere Eltern müssen lernen, sich mit dieser neuen Situation zurechtzufinden
Väter und Mütter sind oft daran gewöhnt, Autorität zu haben. Sie sind seit Langem selbst für ihr Leben und ihre Entscheidungen verantwortlich und müssen jetzt akzeptieren, dass sie nur noch begrenzt dazu in der Lage sind, ihr Leben zu kontrollieren. Der Verlust ihrer Autorität und ihrer Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen, kann für sie traumatisch sein und sich auf ihren Gemütszustand auswirken.
Eine Studie im Zusammenarbeit mit mehreren US-amerikanischen Universitäten zeigt, dass Depressionen in der älteren Bevölkerung zwar seltener vorkommen, aber häufig nicht diagnostiziert werden. Außerdem haben Depressionen bei älteren Menschen schwerwiegendere Auswirkungen und können Demenz begünstigen.
Wir alle haben ein Kind in uns, das sich nach den erwachsenen Eltern sehnt, die immer bereit sind, uns zu helfen und uns zu unterstützen.
Fachliche Beratung und Unterstützung durch die Umwelt
Wenn unsere Eltern allmählich abhängig werden, benötigen sie Unterstützung: Psychologische, gerontologische und ärztliche Hilfe ist in dieser Situation auf jeden Fall vorteilhaft. Es geht nicht nur um die Pflege eines alternden Körpers, sondern auch um das geistige und seelische Wohlbefinden. Wir müssen außerdem die Einsamkeit unserer Eltern vermeiden, denn soziale Kontakte sind grundlegend.
Du darfst jedoch nicht vergessen, dass du auch selbst Unterstützung benötigst, um mit dieser belastenden Situation richtig umgehen zu können. Es ist sehr hilfreich, wenn Partner, Freunde und Familie ebenfalls unterstützend zur Seite stehen.
Eine neue Lebensphase, um unsere Eltern auf eine andere Art zu lieben
Vielleicht ist die Beziehung zu einem Elternteil nicht immer gut oder optimal. Es kann zu Reibereien, Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedlichen Wertvorstellungen kommen. Doch wenn unsere Eltern im Alter ihre Autonomie verlieren, ist dies eine ausgezeichnete Möglichkeit, um die Beziehung zu verbessern und zu stärken. Es geht darum, Ressentiments zurückzulassen und bereichernde Erinnerungen zu schaffen.
Es ist eine komplexe und schwierige Aufgabe, sich um die alternden Eltern zu kümmern, doch es handelt sich um eine natürliche, bereichernde und einmalige Erfahrung, die uns nicht nur verständnisvoller macht, sondern auch selbst auf unser Alter vorbereitet.
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