Was unterscheidet Waldbaden von einem Waldspaziergang?

Gastbeitrag von Angelika M. Gierer. "Dr. Wald und Menschen mit Humor sind wohl die beste Medizin."
Was unterscheidet Waldbaden von einem Waldspaziergang?

Geschrieben von Angelika M. Gierer

Letzte Aktualisierung: 25. Oktober 2022

Zur Ruhe kommen ist DIE Herausforderung unserer digitalisierten Welt. Der Wald gilt als Kraft spendender Lebensraum für reizüberflutete Multitasker. Doch was unterscheidet Waldbaden von einem Spaziergang?

Ursprung des Waldbadens – China, Japan, Korea

Die Ursprünge des Waldbadens liegen in China. Das japanische Landwirtschaftsministerium jedoch förderte in den 80er-Jahren – aufgrund vieler Krankheits-, Todes- und Suizidfälle – ein millionenschweres Forschungsprogramm. Mit Erfolg! So wurde Shinrin Yoku (Waldbaden) zur staatlich geförderten Therapie und auf der ganzen Welt bekannt.

Shinrin Yoku und Wirkung

Unter Shinrin Yoku versteht man bewusstes, absichtsloses und wertfreies Eintauchen in die Wald-Atmosphäre. Ohne Ziel. Mäandernd, verweilend, ruhend, spürend und wahrnehmend bewegt man sich meist weniger als einen Kilometer pro Stunde. Der weiche Untergrund, der harzige Duft aus erdiger Frische und das Grün statt Rot sehen beruhigt die Gedankenwellen. Waldluft ist zudem voller heilsamer Essenzen.

Dr. Qing Li, Medizinprofessor an der Nippon Medical School in Tokio, konnte nachweisen, was Shinrin Yoku bewirken kann: Stresslinderung; Stimmungs-, Energie-, Schlafverbesserung; Senkung von Blutdruck und -zuckerspiegel; Herz- Kreislauf- und Konzentrationsförderung; Schmerzschwellen-Erhöhung; Förderung von Herzschutzsubstanz (DHEA), Anti-Krebs-Proteine, Abwehrzellen u.vm.

Shinrin Yoku ersetzt zwar weder Arzt noch Medizin, ist aber eine hervorragende komplementärmedizinische Unterstützung. Bereits ein Tag im Wald soll die Abwehrzellen im Blut um bis zu 40 % steigern und eine Wirkungsdauer von bis zu 14 Tagen haben.

Und so konnten Forschungen aus aller Welt bestätigen, wie sich die Effekte eines Waldspaziergangs von denen eines Waldbaden-Aufenthalts unterscheiden. Die Terpene (Duftvokabel der Bäume) sollen das Immunsystem stärken und die Ausschüttung von Glückshormonen begünstigen. Natürlich kann auch ein Waldspaziergang wunderbare Auswirkungen haben. Waldbaden hilft, die Effekte des Waldes zu intensivieren. Während du beim Spazieren eher zierorientiert von A nach B läufst, wirst du beim Waldbaden um die aus der Achtsamkeitsforschung bekannten Auswirkungen, insbesondere auf das Nervensystem, zusätzlich bereichert.

beim Waldbaden

Biophilie & Mindfulness (Achtsamkeit)-Praxis

Das Wort Biophilie (griech.) bedeutet: Liebe zum Leben und allem Lebendigen. Weil wir evolutionär den größten Teil in der Natur verbrachten, sind wir instinktiv und genetisch darauf programmiert, uns mit der Natur zu verbinden. Die Praxis von Shinrin Yoku fungiert dabei wie eine Brücke. Indem es unsere Sinne – unsere Tore zur Seele – öffnet, überbrückt es die Kluft zwischen uns und der Natur. So wie der Wald die Luft und das Wasser reinigt, so ermöglicht er uns Menschen, Körper und Geist zu reinigen und zu heil(ig)en. Das japanische Wort Yugen (dt. Tiefe)beschreibt das Gespür, das uns die Schönheit und das große Geheimnis des Universums verleiht. Für Zen-Buddhisten ist die Heilige Schrift in die Landschaft geschrieben. Die Erde selbst gilt als Buch Gottes. Die Achtsamkeitspraxis wird oft als das Herz buddhistischer Meditationsformen bezeichnet.

“Dazu darf man wissen, dass das Wort für Herz in fast allen asiatischen Sprachen, das gleiche ist, wie das Wort für Geist (Mind). Wer das englische Mindfulness mit Herzlichkeit übersetzt, versteht, worum es geht. Atembewusstsein ist wie eine Liebesbeziehung zu mir selbst und zum Leben.”

Jon Kabat Zinn

Achtsamkeit lädt zum Durchatmen ein und lässt sich trainieren wie ein Muskel. Der Wald ist dafür das ideale Fitnesscenter.

beim Waldbaden
Foto: Werner Sedivy

5 Tipps fürs Waldbaden

  1. Erforsche die Art deiner Fortbewegung – langsam Zieh gern die Schuhe aus! Mit der Aufmerksamkeit in den Füßen wird es im Kopf still.
  2. Verbinde dich über die Atmung mit dem größeren Ganzen!
  3. Folge deinen körperlichen Impulsen! Weniger ist mehr!
  4. Entdecke mit allen Sinnen, wertfrei, neugierig, kindlich-staunend.
  5. Raste bei einem Baum deiner Wahl, atme in Symbiose und spüre die Energie dieser „kosmischen Antenne“. Auf welches Chakra wirkt dieser Baum?

Shinrin Yoga – Eine neue Form des Waldbadens

Der Unterschied zwischen Waldbaden-Angeboten und Waldpädagogik ist oft schwindend klein. Anders beim Waldbaden nach Shinrin  Yoga (dt. Wald-Verbindung), wo Erfahrungsspielräume geöffnet werden und Inspiration vor Information steht. Den stillen Phänomenen aus non-verbaler und nicht-sichtbarer Kommunikation wird Raum gegeben.

Shinrin Yoga ist ein Konzept, das – auch in Innenräumen – über die sogenannte Serie Kraftbäume, Chakras und Elemente im Körper harmonisiert. Ein Wechselspiel aus sanften Atem-/Bewegungselementen und passiver Wahrnehmung unterstützt dabei, die Qualitäten (Energie-Essenzen) ausgewählter Bäume in das Energiefeld des Menschen zu integrieren. Der Fokus auf Erdung (Füße) und Atmung (Balance) stabilisiert die Aufrichtung spielerisch von den Wurzeln weg, so wie Bäume es uns vorleben: Vertikale Ausrichtung, unten kraftvoll, oben flexibel. Analogien zwischen Mensch und Baum, zwischen Arbeitsteams und dem www (wood wide web) münden unweigerlich in einer zutiefst empathischen Verbundenheit. Kein Wunder!

Warum wird Waldbaden idealerweise in Gemeinschaft praktiziert? Natürlich ist alleiniges Waldbaden auch sinnvoll. Der Gruppen-Rahmen und die Anleitung ausgebildeter Waldbaden-Trainer*innen unterstützen dabei, in einer leistungsfreien Übung zu verweilen und bestimmte Übungen überhaupt erfahren zu können.

So lässt sich eher von Reiseleitung zu Erfahrungsangeboten als von Übungen sprechen. Manch Eine*r erfährt hier erstmalig einen meditativen Zustand. Insbesondere Arbeitsteams, aber auch Paare und Familien mit Kindern profitieren aus der Freude des ALL-EIN-SEINS im Selbsterfahrungsraum, jenseits von richtig und falsch. Von Tränen gerührt bis zu Lachkrämpfen ist dabei alles möglich. Zusammen im Wald tut einfach gut. Dr. Wald und Menschen mit Humor sind wohl die beste Medizin. Last but not least: Die Anbindung an eine größere Dimension wird spürbar. Erfahre dich selbst und deine Qualitäten beim Waldbaden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite von Frau Mag. Angelika M. Gierer. Alle Fotos wurden freundlicherweise von der Autorin zur Verfügung gestellt.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.