Was ist das Besondere an den Träumen von Menschen mit Depressionen?

Was ist das Besondere an den Träumen von Menschen mit Depressionen?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 17. Januar 2023

Menschen mit Depressionen neigen dazu, verschiedene Arten von Schlafstörungen zu erleben. Dennoch wurde bewiesen, dass die Träume von Menschen mit Depressionen dauern bis zu dreimal länger andauern als die von gesunden Personen.

Dies ist definitiv ein neues Thema, an dem bisher nur wenig geforscht wurde. Wenn wir über Depressionen sprechen, ist es üblich, dass der Fokus auf Ursachen, Symptomen und Behandlung liegt. Aber wir betrachten Depressionen nur selten aus der Perspektive der Träume. Dabei geht es darum, ein besseres Verständnis davon zu bekommen, was im Gehirn einer Person mit Depressionen passiert, wenn es ihr schließlich gelingt, einzuschlafen. Wissenschaftler haben dazu bereits erste Hypothesen formuliert. Eine dieser Hypothesen ist die folgende: Während eine Depression Unbehagen und Müdigkeit verursacht, verfolgen die Träume von Menschen mit Depressionen ein sehr spezifisches Ziel, nämlich das Ziel, ihre emotionale Welt zu regulieren. 

Die Interpretation von Träumen ist der königliche Weg zum Verständnis des Unbewussten.“

Sigmund Freud

Wir stimmen mit Freuds Aussage überein, dass Träume der königliche Weg zum Unterbewusstsein seien. Dieser Weg könnte tatsächlich eine kurvige Straße sein, die uns nirgendwohin führt. Aber es wird auf jeden Fall spektakuläre Ausblicke auf das geben, was in unseren Köpfen vor sich geht.

Träume sind ein Beweis für ein Problem. Sie sind wie eine abstrakte Kandinsky-Malerei. Sie versuchen, uns etwas zu sagen, dem, was uns wehtut, eine Form zu geben, uns zu ärgern, zu erschrecken oder zu bedrohen. Die Träume von Menschen mit Depressionen sind ein Abwehrmechanismus, den unser Gehirn benutzt, um die in ihm wütenden Gefühle zu regulieren.

Ein surreales Bild ist an der Wand

Die REM-Phase und die Träume von Menschen mit Depressionen

Dr. Rosalind D. Cartwright ist gefeierte Psychologin an der Cornell University (New York, USA). Sie hat einen großen Teil ihres Lebens damit verbracht, die Welt der Träume zu erforschen und zu verstehen. In ihrem bekannten Buch The Twenty-Four Hour Mind  beispielsweise geht sie auf die interessante Beziehung zwischen unseren Emotionen und unseren Träumen ein. Sie kommt dabei zur Erkenntnis, dass sich das Gehirn bemüht, negative Emotionen zu verarbeiten – durch Träume.

Die Art, wie es das macht, ist so faszinierend wie seltsam. Warum? Weil die Person nicht bemerkt, wie ihr Träume ihr helfen. Aber ihr Gehirn versucht dennoch, durch eine Reihe von verschiedenen Mechanismen zurück zur Harmonie zu finden. Unter anderem zeigt sich das in folgenden Symptomen:

  • Depressive Menschen sind tagsüber oft müde und können nachts schwer einschlafen.
  • Wenn sie aufwachen, fühlen sie sich wie gerädert. Das liegt daran, dass sie keinen erholsamen Schlaf hatten. Ganz im Gegenteil. Sie fühlen sich, als wäre ihr Kopf sogar noch „voller“. Sie wissen, dass sie viel geträumt haben, aber sie können sich nicht erinnern, worin es in diesen Träumen ging.
  • Was tatsächlich passiert, ist, dass depressive Menschen viel früher in die REM-Phase eintreten. Und diese Phase, in der das Träumen passiert, dauert bei ihnen länger an als beim gesunden Menschen. Das heißt, Menschen mit Depressionen träumen dreimal so viel wie die Allgemeinbevölkerung.
  • Wir sollten uns auch daran erinnern, dass wir den REM-Schlaf auch als „paradoxen Schlaf“ bezeichnen, weil er keine Ruhe bringt. In der Tat ist es eine Zeit, in der jede Menge Adrenalin freisetzen.
  • Dank neuer diagnostischer Verfahren wissen wir um die Rolle des limbischen Systems in diesem Prozess. Es ist jener Teil des Gehirns, der unsere Emotionen prägt und der während der REM-Phase besonders aktiv ist. Nicht nur bei depressiven Menschen.
Abstrakte Darstellung des Gehirns

Dr. Cartwright erklärt, wie unser Gehirn die Kontrolle übernimmt, wenn wir schlafen. Es verfolgt seine eigenen Ziele, die mehr noch als körperliche Erholung darin bestehen, jenen emotionalen Knoten zu lösen, der so schwer wiegt. Nun, manchmal macht es das auf unangenehme Art und Weise, nämlich über Albträume: Alles, was Verwirrung, Angst oder Verzweiflung in uns hervorruft, wird in dieser surrealen, uns nur scheinbar fremden Welt ebenso vorkommen. Es ist unser Gehirn, das versucht, diese negativen Emotionen zu regulieren, indem es versucht, Spannungen zu lösen.

„Wer nach draußen schaut , träumt; wer hineinschaut, erwacht.“

Carl Gustav Jung

Ruhemuster bei Menschen mit Depressionen

Wir sind uns bewusst, dass dreimal so viel träumen, Alpträume haben und unsere Augen für einen neuen Tag öffnen, wenn wir müde sind, nicht sehr effizient ist, wenn es darum geht, ein Depression zu überwinden. Wenn diese Zustände uns irgendwie weiterhelfen können, dann dabei, den Feind in unserem Inneren besser kennenzulernen.

Es ist in dieser Hinsicht immer eine gute Idee, die Schlafhygiene zu wahren, um die Schlafqualität zu verbessern, nicht nur, wenn wir an Depressionen leiden:

  • Wir sollten es vermeiden, emotionale Belastungen zu verstärken, bevor wir ins Bett gehen. Grübeln wird unsere Stimmung zweifellos verschlechtern. Dadurch wird die REM-Phase noch länger andauern und unsere Hoffnungen auf eine erholsame Nachtruhe werden zunichtegemacht.
  • Übungen wie Meditation oder andere Entspannungstechniken sind hilfreich. Sie werden uns helfen, mit einem weniger aktiven Gehirn ins Bett zu gehen.
  • Wenn wir Antidepressiva oder andere Medikamente einnehmen, ist es sinnvoll, sich darüber zu informieren, welche Nebenwirkungen sie auf unseren Schlaf haben könnten, und mit dem behandelnden Arzt über Schlafstörungen zu sprechen.
  • Und wir müssen unseren zirkadianen Rhythmen anpassen. Wir sollten versuchen, einem konsistenten Zeitplan zu folgen, in dem wir jeden Tag zur gleichen Zeit schlafen gehen und aufstehen.
Zerstörte Statue, in dessen Kopf ein Vogel ein Nest gebaut hat

Während wir in unserem Behandlungsplan voranschreiten, wird sich unser Schlafrhythmus von selbst anpassen. Die REM-Phase wird immer weniger Zeit in Anspruch nehmen und das wird uns erlauben, uns besser auszuruhen. Gleichzeitig wird unsere Traumwelt aufhören, so aufgeregt, geheimnisvoll oder gar furchterregend zu sein. Unser Gehirn wird nicht länger unsere Emotionen priorisieren müssen und zu seinen normalen nächtlichen Gewohnheiten zurückkehren.

Unsere innere Welt wird wieder ins Gleichgewicht kommen. Albträume und die Schatten der Depression werden verblassen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.