Warum manche Menschen in ihrer Opferrolle verharren

Kennst du jemanden, der sich in der Opferrolle wohlfühlt? Erfahre, welche möglichen Ursachen sich dahinter verbergen und was du tun kannst.
Warum manche Menschen in ihrer Opferrolle verharren
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 24. September 2023

Menschen, die sich in der Opferrolle wohlfühlen, sind nicht in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Sie sind dem Schicksal ausgeliefert und versuchen, durch diese Haltung Aufmerksamkeit, Teilnahme und Verstärkung zu erhalten.

Diese Personen haben oft traumatische Erfahrungen hinter sich. Unbewältigte emotionale Probleme prägen ihr Verhaltensmuster, denn sie versprechen sich davon (unbewusst) einen klaren Nutzen. Wer jedoch ständig das Opfer spielt, erschöpft sein Umfeld und macht sich oft unbeliebt. Trotzdem reagierst du am besten mit Empathie und hilfst der Person, den Kreislauf des ständigen Jammerns zu durchbrechen.

“Hüte dich vor der Traurigkeit, sie ist ein Laster.”

Gustave Flaubert

Charakteristisches Verhalten von Menschen in der Opferrolle

Die Opfermentalität ist hartnäckig, denn Betroffene glauben, dass sie keine Kontrolle über ihr Leben haben. Sie sehen immer das halb leere Glas und glauben, dass ihnen niemand helfen wird. In Wahrheit sind sie selbst hilflos und durch Negativität und Frustration gekennzeichnet.

Auch folgende Charakteristiken definieren Menschen in der Opferrolle:

  • Widerstand gegen Veränderungen: Die Opferrolle gibt Betroffenen das Gefühl von Identität und Sicherheit, deshalb fühlen sie sich darin wohl.
  • Fokus auf Negatives: Sie sehen nur, was sie nicht haben, was ihnen fehlt, was sie verloren haben. Ihre negative Wahrnehmung der Realität lässt nicht zu, dass sie schätzen, was sie haben.
  • Gefühle der Ungerechtigkeit: Sie fühlen sich konstant ungerecht behandelt, auch wenn das nicht der Fall ist.
  • Abhängigkeit: Diese Menschen suchen ständig nach Bestätigung und Unterstützung, da es ihnen an Selbstwertgefühl mangelt.
  • Fehlende Eigenverantwortung: Menschen, die in der Opferrolle verharren, machen andere für ihre eigenen Probleme verantwortlich, da sie selbst nicht in der Lage sind, damit umzugehen.
  • Fehlendes Empowerment: Diese Menschen verhalten sich auf affektiver Ebene oft verantwortungslos. Sie sind in ihrer Negativität gefangen und nicht fähig, Veränderungen zu bewirken.
  • Kognitive Verzerrungen: Die Zeitschrift Changing Societies & Personalities erklärt, dass irrationale Überzeugungen oft ein Auslöser für die Entwicklung der Opfermentalität sind. Gedanken wie “ich kann von niemandem erwarten, dass er mir hilft” oder “immer passiert mir alles Schlechte” sind charakteristisch.

Die Ursache für die Opfermentalität liegt fast immer in einem Vertrauensbruch oder -verrat. Wenn diese Erfahrung nicht entsprechend verarbeitet wird, entsteht ein stilles Trauma, welches das Verhalten und den Umgang mit anderen prägt.

Warum manche Menschen in der Opferrolle verharren

Verschiedene Ursachen führen zu innerem Leid, das diese Menschen in die Opferrolle drängt. Sie benötigen Hilfe, da sie ihren emotionalen Schmerz nicht ertragen. Wir sehen uns nachfolgend die häufigsten Gründe dafür an.

1. Vertrauensbruch

Hat dich jemand verletzt? Wurdest du betrogen oder verraten? Ein Artikel in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychologie erwähnt, dass Vertrauensbrüche in vielen Fällen eine Opfermentalität verursachen.

2. Traumatische Erfahrungen

Manche Menschen sind mit Resilienz ausgestattet, andere reagieren auf traumatische Erfahrungen mit Verhaltensveränderungen oder psychischen Problemen. Niedergeschlagenheit, Negativität und ein erhöhter Bedürfnis nach Aufmerksamkeit sind häufige Folgen.

Unbewältigte Trauer nährt die Vorstellung, das Leben nicht im Griff zu haben. Betroffene glauben, dass andere an ihrem Leid schuld sind und sie nichts dagegen tun können. Sie geraten in eine Spirale, der sie schwer entkommen. Ein Artikel in Personality and Individual Differences zeigt, dass das Bedürfnis nach Anerkennung häufig mit einem Mangel an Empathie einhergeht.

3. Das soziale Umfeld

Das Umfeld und das Erziehungsmodell können die Opfermentalität verstärken. Sobald sich diese Denkweise verfestigt und zur Gewohnheit wird, ist es schwierig, sie zu durchbrechen.

4. Fehlende Bewältigungskompetenzen

Nicht jeder hat die Fähigkeit, mit Stress und Herausforderungen umzugehen. Personen, die in der Opferrolle verharren, entwickeln diese Strategie, um diesen Mangel auszugleichen. Schließlich verfestigt sich die Opfermentalität, da sie einen gewissen Nutzen bringt:

  • Sie müssen keine Selbstverantwortung übernehmen.
  • Andere lösen ihre Probleme.
  • Sie erhalten Aufmerksamkeit und Mitleid.
  • Außerdem werden sie nicht mit Sorgen anderer belastet, da alle wissen, dass sie mit ihrem eigenen Kummer beschäftigt sind.
  • Sie haben in ihrer Opferrolle mehr Einfluss auf andere.

5. Manipulationstechnik

Wir dürfen nicht übersehen, dass die Opfermentalität auch manipulative Absichten verfolgt. Manche nutze diese Strategie sehr geschickt, um über andere Macht zu gewinnen. Im Allgemeinen handelt es sich jedoch um emotional verletzte oder traumatisierte Menschen.

So kannst du einer Person in der Opferrolle helfen

Du solltest diese Personen weder ignorieren noch kritisieren. Zeige Mitgefühl und ermutige die Person zu folgenden Schritten:

  • Akzeptanz der Gefühle: Beginne damit, deine Gefühle oder die der anderen Person zu akzeptieren. Es handelt sich um eine innere Realität, die du nicht verurteilen oder verdrängen solltest.
  • Resilienz: Es ist an der Zeit, kleinen und großen Herausforderungen positiv, proaktiv und resilient zu begegnen. Betrachte das Leben mit Hoffnung und verlasse dich auf deine inneren Stärken.
  • Entwickle Bewältigungskompetenzen: Du musst lernen, mit schwierigen Situationen effektiv umzugehen. Besuche einen Kurs zur Stressbewältigung oder zur selbstbewussten Kommunikation.
  • Ermutigung zur Selbsterkenntnis: Fördere einen reflektierenden mentalen Ansatz, um dir bewusst zu machen, wie deine Opferrolle dein Leben und dein Glück beeinträchtigt.
  • Psychologische Unterstützung: Bei einem unverarbeiteten Trauma empfiehlt sich eine kognitive Verhaltenstherapie.
  • Eigenverantwortung: Es ist wichtig, ein gewisses Maß an Kontrolle über dein eigenes Leben und deine Entscheidungen zurückzugewinnen. Beginne mit kleinen Schritten, z. B. indem du versuchst, deine Stimmung durch angenehme Aktivitäten zu verbessern. Ein großer Schritt ist es, dich nicht mehr auf andere zu verlassen, um deine Probleme zu lösen.

Opferrolle, ein Hilferuf

Eine Enttäuschung, ein Vertrauensbruch oder ein schmerzhaftes Ereignis – es gibt viele Gründe, die eine Opfermentalität begünstigen. Diese Strategie bezweckt, Aufmerksamkeit und Unterstützung zu erhalten. Es handelt sich um einen Hilferuf eines Menschen, der Mitgefühl benötigt, um sein Leid zu lindern.


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