Warum machen wir uns Vorwürfe, wenn wir Fehler begehen?

Fehler sind ein Lernprozess - warum machen wir uns trotzdem Vorwürfe? Lies weiter, um mehr über dieses Thema zu erfahren.
Warum machen wir uns Vorwürfe, wenn wir Fehler begehen?
Michael Schaller

Geprüft und freigegeben von Psychologe Michael Schaller.

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 14. September 2022

Wenn wir Fehler begehen, machen wir uns oft Vorwürfe oder entwickeln Schuldgefühle, die zu Unbehagen und Frustration führen. Wir streben nach Perfektion, sind oft unnachgiebig oder fühlen uns bei Irrtümern schwach und verletzlich. Das Wichtigste ist jedoch, Fehler als einen Lernprozess zu begreifen, der uns auf unserem Weg dem Ziel einen Schritt näher bringt.

Fehler machen ist menschlich, doch Frau hat Schuldgefühle
Die richtige Einstellung hilft dir dabei, mit Fehlern positiv umzugehen und diese als notwendig zu erachten, um auf deinem Weg voranzukommen.

Fehler sind menschlich: Warum machen wir uns Vorwürfe?

Die Einstellung und Interpretation des Irrtums oder des Missgeschicks führen häufig zu Vorwürfen oder Schuldgefühlen. Wir schauen uns nachfolgend die häufigsten Gründe an, warum wir uns schlecht fühlen, wenn wir Fehler begehen.

1. Stolz und Ego

Stolz und Ego erklären häufig, warum wir uns nach Fehlern Vorwürfe machen. Die übermäßige Wertschätzung der eigenen Verdienste oder das Gefühl der Überlegenheit werden durch Fehler verletzt. Egozentristischen Menschen fällt es oft schwer, eigene Fehler anzuerkennen. Diese Personen versuchen, Schwächen zu verbergen und fühlen sich dabei unwohl. Wenn Stolz dazukommt, sitzt das Unbehagen besonders tief.

2. Selbstwertgefühl, Kontrolle und Macht

Diese drei Konzepte stehen in enger Verbindung mit Stolz und Ego. Bei Fehlern ist nicht nur das Selbstwertgefühl in Gefahr, auch Kontrolle und Macht können ins Schwanken geraten. Deshalb bevorzugen es viele, Irrtümer nicht einzugestehen oder sogar andere zu beschuldigen.

Eine im European Journal of Social Psychology veröffentlichte Studie (2012) beschreibt, dass Menschen, die sich für ihre Fehler nicht entschuldigen, ein höheres Selbstwertgefühl aufweisen und im Vergleich zu Menschen, die zu ihren Fehlern stehen, glauben, mehr Kontrolle und Macht zu haben.

Tyler Okimoto, einer der Autoren der Studie, erklärt, dass die Entschuldigung den anderen in gewisser Weise Macht gibt. Er nennt ein Beispiel: Wenn du dich bei deinem Partner für einen Fehler entschuldigst, hat dieser die Möglichkeit, dir zu verzeihen oder deinen Kummer zu verstärken. Dein Gegenüber übernimmt also die Macht und Kontrolle.

3. Selbstanspruch und Starrheit

Sehr anspruchsvolle Menschen fühlen sich miserabel, wenn sie Fehler begehen. Warum? Sie haben das Gefühl, versagt zu haben, da sie nach Perfektion streben. Wenn sie diese nicht erreichen, sind sie frustriert und Wut staut sich in ihnen an. Diese Menschen sind oft hart und unnachgiebig mit sich selbst, was sich in einem starren inneren Dialog zeigt, der auf Selbstvorwürfen beruht.

4. Schuld

Wenn wir Fehler begehen, fühlen wir uns auch schuldig: Wir hätten diese Situation oder die Konsequenzen vermeiden können, es anders machen sollen. Dieser Mechanismus versucht, unbewusst den angerichteten Schaden zu kompensieren. Damit bestrafen wir uns selbst und “zahlen den Preis” für den Schaden, den wir verursacht haben. In Wahrheit helfen Schuldgefühle wenig: Sie führen dich in eine Opferrolle, anstatt dich aktiv werden zu lassen. Du solltest Schuld (passiv) gegen Verantwortung (aktiv) tauschen, um den Irrtum auf konstruktive Weise zu beheben, anstatt dich durch Selbstmitleid zu martern.

Fällt es dir schwer, deine Fehler anzuerkennen?

Vielen fällt es schwer, Fehler anzuerkennen, was ebenfalls Unbehagen und Schuldgefühle erzeugt. Doch das Verdrängen oder die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben, ist keine Lösung. In diesem Zusammenhang spielen zwei Dimensionen eine wichtige Rolle: der Bestätigungsfehler (engl. Confirmation bias) und die Fähigkeit zur Verhaltenskorrektur.

1. Der Bestätigungsfehler

Der Bestätigungsfehler (Plous, 1993, zitiert in einer Rezension von Scott, 1994) ist die Tendenz, Informationen, die unsere eigenen Überzeugungen oder Erwartungen bestätigen, zu bevorzugen, auszuwählen, zu interpretieren und im Gedächtnis zu speichern. Jene Informationen, die unseren Einstellungen widersprechen, berücksichtigen wir deutlich seltener.

Diese kognitive Verzerrung kann es schwierig machen, Fehler zu erkennen. Wir sind nämlich immer auf der Suche nach Informationen und Ideen, die unsere eigenen Überzeugungen und Gedanken unterstützen. Deshalb sehen wir nicht, dass wir in Wahrheit falsch liegen.

2. Die Fähigkeit zur Verhaltenskorrektur

Andererseits haben Forscher der Universität Stanford in einer Studie (2014) herausgefunden, dass Menschen eher bereit sind, ihre Fehler einzugestehen, wenn sie glauben, dass sie ihr Verhalten ändern können.

Fehler begehen ist menschlich: Mann denkt darüber nach
Wenn wir sehen, dass wir etwas nicht verändern können, fällt es uns schwerer, den Fehler anzuerkennen.

Fehler begehen: ein nötiger Lernprozess

Fehler sind menschlich und helfen uns, zu lernen und beim nächsten Mal besser zu reagieren. Du solltest dich deshalb nicht schlecht fühlen und dir keine Vorwürfe machen. Es handelt sich um einen Lernprozess, der dich auf deinem Weg weiterbringt. Das Leben ist eine Reise mit vielen Herausforderungen!

“Ich habe gelernt, dass man aus Fehlern oft genauso viel lernen kann wie aus Erfolgen.”

Jack Welch


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