Überfürsorgliche und emotional teilnahmslose Eltern
Überfürsorgliche und emotional teilnahmslose Eltern können ihren Kindern schaden. Manche Leute glauben, dass eine Mischung aus elterlicher Autorität und “kleinen Dosen” an Zuneigungsbeweisen eine gute Strategie für die Kindererziehung wäre. Diese Auffassung führt in vielen Familien zu negativen Auswirkungen. Tatsächlich steht sie in direktem Widerspruch zu einer grundlegend neuen und dynamischen Kindererziehung, bei der Gefühle und Emotionen eine wichtige Rolle spielen.
Bei überfürsorglichen und emotional teilnahmslosen Eltern zeigen sich weitere Varianten eines seltsamen Mechanismus: Generationsübergreifend werden die eigenen Gefühle unterdrückt.
Wie beschreibt man überfürsorgliche und emotional teilnahmslose Eltern?
Eine Person, die Missbrauch in der eigenen Familie erlebt, spiegelt dies in ihrem Verhalten wider. Um der eigenen Realität zu entkommen, legt sie als Bewältigungsstrategie ein Vermeidungsverhalten an den Tag. Das Umfeld bietet keinerlei positive Verstärkung und dieser Mensch reagiert mit seinem Verhalten darauf. Vermeidungsverhalten kann man als die Flucht vor Schmerz bezeichnen und folglich als Flucht vor dem Leben selbst.
Überfürsorgliche und emotional teilnahmslose Eltern vernachlässigen ihre Kinder allerdings nicht notwendigerweise oder misshandeln sie körperlich. Obwohl sie ihre Kinder lieben, zeigen sie es nicht offen.
Wenn Eltern überfürsorglich sind, ihre Liebe und Zuneigung aber nicht offen ersichtlich ausdrücken, dann gerät das Kind leicht in die Falle dieser Familiendynamik. Die Fingerzeige bei der Erziehung sind widersprüchlich – eigentlich soll das Kind beschützt werden, aber das Zuhause bietet keinen sicheren Hafen.
Von außen gesehen scheinen die Eltern eine tolle Arbeit zu leisten. Es schadet aber den Kindern, wenn es an positiver Verstärkung oder offen gezeigten Zuneigungsbeweisen fehlt. Nicht zu vergessen ist die fehlende Unterstützung der Eltern bei der Entwicklung der Kinder zu unabhängigen Individuen.
Ein Beispiel für eine überfürsorgliche und emotional teilnahmslose Familie
Damit man diese Dynamik besser verstehen kann, schauen wir uns einmal ein konkretes Beispiel an. Stellen wir uns vor, dass ein vierzigjähriger Mann einen Termin beim Psychologen hat. Er versteht seit Jahren nicht, was eigentlich mit ihm los ist. Er hat feste Wertvorstellungen und weiß genau, welche Dinge er nicht duldet. Die Richtlinie bei seiner Erziehung war, dass die Eltern ihm vermittelten, was er alles nicht tun sollte. Dadurch konditionierte man ihn, auf Kritik äußerst empfindlich zu reagieren. Positive Verstärkung drang praktisch nicht zu ihm durch.
Seine Mutter küsste oder umarmte ihn fast nie. Bei den paar Malen, wo es vorkam, hatte er sich erschreckt oder war krank gewesen. Sie holte ihn von der Schule ab, zog ihn immer ordentlich an und war eine großartige Köchin. Seine Mutter kümmerte sich um alles.
Dieser Patient erzählt, dass er sich unfähig fühlt, bestimmte Erfahrungen richtig zu genießen. Er macht sich viele Sorgen, dass seinen Kindern etwas Schlechtes zustoßen könnte und freut sich kaum über das, was sie erreicht haben. Er assoziiert das Fühlen von Emotionen sehr eng mit Anspannung und Angst. Zudem bekommt er oft negative Rückmeldungen am Arbeitsplatz, weil er unter einer Depression leidet. Was immer er auch tut – er hat nie das Gefühl, dafür “gerüstet” zu sein.
Helikopter-Eltern sorgen dafür, dass ihr Kind nie mit beiden Füßen auf dem Boden steht
Der Mann im vorigen Beispiel ist das Ergebnis einer Kombination von Helikopter-Mutter und einem abwesenden Vater. Wenn ein Elternteil abwesend ist, kompensiert der andere Elternteil häufig dafür. Von diesem erhält das Kind übermäßige Aufmerksamkeit. Das kann sich schließlich zu einem Hindernis für die Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen und unabhängigen Persönlichkeit auswachsen.
Die US-amerikanische Psychologin Holly Schiffrin und ihre Kollegen an der University of Mary Washington, Virginia fanden heraus, wie Helikoper-Eltern sich auf die Selbstbestimmtheit und das Wohlergehen von Studenten im Alter von 18 – 23 Jahren auswirken. Sie entdeckten, dass dieser Erziehungsstil mit Angstgefühlen und Depressionen bei den Studenten einherging. Die Langzeit-Folgen sind eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem Leben.
Manche Eltern überwachen ihre Kinder pausenlos, aber sie lieben sie nicht bedingungslos.
Ich verletze dich nicht, aber ich helfe dir auch nicht
Einige Kinder bekommen von ihren Eltern nicht genug Liebe und Zuneigung, auch wenn diese sich nicht ausgesprochen kalt und aggressiv verhalten oder ihr Kind vernachlässigen.
Viele Eltern verwenden liebevolle und zugewandte Sätze als Erziehungs-Maßnahme. Als symbolische Zurückweisung wird häufig eine implizierte Strafe in nette Worte verpackt. Ein Beispiel dafür wäre: “Ich mag dich nicht mehr, wenn du dich so aufführst” oder “Ich hab dich lieb – besonders wenn du dich so toll verhältst wie heute Abend.”
Kinder und Teenager deuten diese Aussagen als Beweis dafür, dass ihre Eltern sie nicht so lieben, wie sie sind. Liebe sollte über errungene Erfolge und gutes Benehmen hinausgehen. Aus der Sicht des Kindes vermitteln ihm die Eltern mit ihrer Haltung, dass Liebe nur für den Moment gilt und auf Leistung beruht. Das Kind muss sich Liebe also erst verdienen.
Die Folgen der Erziehung durch überfürsorgliche Helikopter-Eltern
Überfürsorgliche Helikopter-Eltern können mithilfe ihres Erziehungsstils sehr kluge Kinder hervorbringen. Allerdings hat dieser Vorteil bei einer akademischen Laufbahn auch einen Preis. Die Eltern bereiten ihre Kinder nicht ausreichend für ein eigenständiges Leben vor. Diese Kinder entwickeln möglicherweise eine co-abhängige Persönlichkeit, weil sie von ihren Eltern nicht die Gelegenheit bekamen, Verantwortlichkeiten zu übernehmen und eigene Entscheidungen zu treffen.
Psychologische Studien zeigen immer wieder, dass Teenager und Erwachsene, die besonders im gesellschaftlichen Miteinander unter Angststörungen leiden, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit überfürsorgliche Eltern hatten.
Daneben gibt es Studien, die belegen, dass besorgte Eltern in der Regel verunsicherte Kinder haben. Diese Eltern bringen ihrem Nachwuchs nämlich bei, dass das richtige Verhalten in herausfordernden Lebenssituationen Ängstlichkeit, Besorgnis und das Zurückhalten von Gefühlen wäre.