Tourette-Syndrom - eine seltsame Krankheit?
Das Tourette-Syndrom oder Gilles-de-la-Tourette-Syndrom ist das Resultat einer neurologischen Entwicklungsstörung. Es zeichnet sich durch motorische und vokale Tics aus, die schon in der Kindheit auftreten können. Begleitet werden diese Tics häufig auch von Verhaltensänderungen.
Der französische Arzt Georges Gilles de la Tourette beschrieb dieses Syndrom im Jahr 1885, vor mehr als hundert Jahren, und v iele Menschen betrachteten es immer noch als seltsame Krankheit. Später zeigte sich, dass zwischen 0,3 und 1 % der Schulkinder die diagnostischen Kriterien für diese Störung erfüllen.
Das Tourette-Syndrom – Was ist das?
Das Hauptmerkmal dieses Syndroms ist das chronische Vorhandensein von mindestens zwei motorischen und einem vokalen Tic, die sich vor Erreichen des Erwachsenenalters manifestieren. Aber was verstehen wir unter einem “Tic”?
Tics sind Laute, Gesten oder anderweitig unwillkürliche und sich wiederholende Bewegungen, die durch die Kontraktion einer oder mehrerer Muskeln des Körpers – üblicherweise des Gesichts – hervorgerufen werden. Diese Bewegungen sind krampfhaft, unpassend und übertrieben. Ablenkung oder Willensanstrengung können sie möglicherweise reduzieren.
Das Tourette-Syndrom betrifft alle ethnischen Gruppen und kommt sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen vor. Dennoch liegt das durchschnittliche Erkrankungsalter bei nur sechs Jahren. Auch lässt sich beobachten, dass dieses Syndrom bei Männern viermal häufiger auftritt als bei Frauen.
Tics beim Tourette-Syndrom
Wie wir bereits erwähnt haben, manifestieren sich beim Tourette-Syndrom zwei Arten von Tics: Sie werden als motorische Tics und vokale Tics bezeichnet. Weiterhin werden einfache und komplexe Tics unterschieden. Das Auftreten einfacher Tics geht oft dem Erscheinen der komplexeren Tics voraus. Beispiele für einfache Tics sind Blinzeln, Grimassen schneiden, Achselzucken, Dehnen des Nackens oder der Bauchmuskeln. Komplexe Tics betreffen mehrere Muskelgruppen und bestehen in scheinbar zielgerichteten Bewegungen. Vokale Tics sind beispielsweise Schnupfen, Grunzen und Räuspern oder Husten ohne Grund.
Vom Patienten mag ein Gefühl zunehmender innerer Spannung vor dem Auftreten dieser Tics bemerkt werden. Der Ausbruch des Tics ist dann das, was diese Spannung schließlich löst. Diese Spannungsgefühle, auch bekannt als “prämonitorische Impulse”, sind für Tics sehr charakteristisch und erlauben es, das Tourette-Syndrom von anderen hyperkinetischen Bewegungsstörungen zu unterscheiden.
Die Patienten konsultieren ihren Arzt in der Regel, weil sie eine Behandlung der Tics wünschen. Einige Patienten werden bereits vorstellig, wenn sich nur leichte Symptome zeigen, die im Alltag oft unbemerkt bleiben. Es ist jedoch auch möglich, dass das Syndrom bereits so weit fortgeschritten ist, dass sie laute und energiereiche Geräusche von sich geben oder sogar anderen Menschen Verletzungen zufügen.
Diagnose des Tourette-Syndroms
Die Diagnose dieses Syndroms erfolgt klinisch und basiert auf der Beobachtung und der Krankengeschichte des Patienten. Die diagnostischen Kriterien für das Tourette-Syndrom sind folgende:
- Mindestens zwei motorische Tics und ein vokaler Tic
- Anwesenheit von Tics für mindestens zwölf Monate
- Erstmanifestation im Alter von <18 Jahren
- Tics nicht durch Substanzen (z. B. Aufputschmittel) oder anderen Krankheiten (z. B. Huntington-Krankheit) erklärbar
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten offiziell erst mit dem Tourette-Syndrom diagnostiziert werden, nachdem sie bereits jahrelang die entsprechenden Symptome gezeigt haben. Dafür gibt es viele Gründe. Angehörige und Ärzte, die mit dem Tourette-Syndrom nicht vertraut sind, können Symptome wie leichte Tics und sogar mittelschwere Tics für irrelevant halten. Sie könnten sie als Teil eines Wachstumsstadiums oder als Folge einer anderen Erkrankung betrachten. Manche Eltern denken beispielsweise, dass das Blinzeln mit Augenproblemen zusammenhinge. Andere glauben vielleicht, dass das Schnupfen in bestimmten Jahreszeiten durch Allergien verursacht würde. In wieder anderen wird die Diagnose Tourette-Syndrom abgelehnt.
Einige Patienten diagnostizieren sich schließlich selbst, nachdem sie, ihre Eltern, Verwandte oder Freunde sich über das Tourette-Syndrom belesen haben.
Was sind die Ursachen des Tourette-Syndroms?
Es gibt nicht viele Informationen zu den den Tics zugrunde liegenden zerebralen und extrazerebralen Prozessen. Neurochemische Untersuchungen des zentralen Nervensystems Betroffener deuten jedoch auf eine Funktionsstörung der dopaminergen Bahnen innerhalb der kortikostriatal-kortikofrontalen Schaltung hin. Neurologische Studien an Patienten mit Tourette-Syndrom haben auch Hinweise auf Mängel bei der Hirnreifung ergeben. In diesem Sinne wurde festgestellt, dass Neuronen des Corpus striatum in andere Bereiche wandern.
Es ist weiterhin wichtig, zu beachten, dass eine genetische Veranlagung zwar besteht, die Störung allein aber nicht erklären kann. Auf der anderen Seite haben Daten aus epidemiologischen und Laborstudien die Bedeutung von Umweltfaktoren hervorgehoben. Diese Faktoren beziehen sich auf Infektionen und Autoimmunerkrankungen sowie auf vorgeburtliche und perinatale Probleme.
Das Tourette-Syndrom auf der großen Leinwand
Das Tourette-Syndrom wurde uns auf unseren Fernsehbildschirmen und in den Kinos bereits des Öfteren gezeigt:
- In Tricks (2003) leidet Nicholas Cages Charakter an diesem Syndrom. Dieser Film erzählt die Geschichte von zwei kleinen Langfingern, die Wasserfilter verkaufen.
- Die Hauptfigur in dem von Martin Sheen interpretierten Film Dirty Filthy Love (2004; nicht synchronisiert) leidet ebenfalls an diesem Syndrom. Dieser Film erzählt die Geschichte eines Mannes, der aufgrund seiner Zwangsstörung und des Tourette-Syndroms förmlich an sich selbst zerbricht.
- Der Film Tics – Meine lästigen Begleiter (2008) handelt ebenfalls von diesem Syndrom. Die Hauptfigur ist ein Lehrer, der keine Arbeit findet, weil er an dieser Krankheit leidet.
Da Tics nicht immer zu Beeinträchtigungen führen, benötigen die meisten Menschen, die unter dem Tourette-Syndrom leiden, keine Medikamente, um ihre Tics unter Kontrolle zu halten. Es gibt jedoch wirksame Medikamente für Menschen, deren Tics und weitere Symptome ihr tägliches Leben stärker beeinträchtigen.