Sensorische Deprivation und die beängstigenden Auswirkungen
Sensorische Deprivation wurde erstmals in den 1950er Jahren in Studien untersucht. Allerdings ist es durchaus möglich, dass bereits vor dieser Zeit geheime Studien durchgeführt wurden. An der McGill Universität in Montreal, Kanada, haben Forscher erstmals Studien mit Freiwilligen durchgeführt, um die Auswirkungen zu untersuchen, die sensorische Deprivation auf Menschen hat.
Sensorische Deprivation ist die partielle oder völlige Abschirmung von Reizen, die auf einen oder mehrere Sinne einwirken. Anders ausgedrückt wird das Sehen, das Hören oder der Tastsinn oder alles gleichzeitig blockiert und unterbunden. Diese Methode wurde sowohl für therapeutische und wissenschaftliche Zwecke, aber auch als Foltermethode eingesetzt.
Bedauerlicherweise entwickelte sich das große Interesse für sensorische Deprivation aufgrund der letztgenannten Anwendungsmöglichkeit. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es Berichte über Kriegsgefangene, die Geständnisse abgelegt hatten, ohne dass sie geschlagen wurden. Diese Gefangenen wurden dadurch gefoltert, dass ihre Sinne von jeglichen Reizen abgeschirmt wurden. Dies genügte, um ihre Willenskraft zu brechen und sie zu einem Geständnis zu bewegen.
Die Versuchsbedingungen
Letztendlich gab es nur drei verschiedene Versuchsanordungen, die bei den Experimenten zur sensorischen Deprivation angewendet wurden. Zumindest gilt das für die uns bekannten Studien.
Die erste Studie wurde von Bexton, Heton und Scott im Jahr 1954 durchgeführt. Danach führten Wexler, Mendelson, Liederman und Solomon im Jahr 1958 eine weitere Studie zu diesem Thema durch. Die dritte Studie ist die von Shurley aus dem Jahr 1960.
- Erste Versuchsanordnung. Hierbei war die sensorische Deprivation nicht absolut. Die Freiwilligen lagen dabei auf einem Bett, das sich in einem isolierten, aber beleuchteten Raum befand. Dabei trugen sie eine dunkle Brille und Handschuhe und hatten Pappkartons an den Händen. Sie verblieben dort für zwei bei sechs Tage.
- Zweite Versuchsanordnung. Der Freiwillige lag auf einer Matratze, die sich in einem sehr beengten Raum befand. Er konnte sich nur schlecht darin bewegen. Der Raum hatte kahle Wände und war kaum beleuchtet. Die Freiwilligen verblieben dort für 36 Stunden.
- Dritte Versuchsanordnung. Bei diesem Versuch wurden die völlig entkleideten Freiwilligen in einen Wassertank getaucht. Sie trugen Atemmasken, konnten aber weder sehen noch hören. Außerdem konnten sie den Grund des Wassertanks nicht mit den Füßen berühren. Sie verblieben solange in diesem Tank, wie sie konnten.
Sensorische Deprivation und Veränderung der Wahrnehmung
In diesen Experimenten untersuchten die Wissenschaftler zunächst, ob sich die Wahrnehmung der Freiwilligen durch die Versuchsbedingungen verändert hatte. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass dies der Fall war. Durch die sensorische Deprivation wurden starke visuelle Störungen verursacht. Die Freiwilligen betrachteten statische Objekte und hatten aber den Eindruck, dass sich die Objekte bewegten und ihre Form und Größe veränderten.
Sie sahen Tische und Wände, die sich bewegten. Außerdem war ihre visuelle Sensitivität stark erhöht. Nach einigen Tagen nahmen sie Reize langsamer wahr. Die Probanden betrachteten gerade Linien und sahen ein “S”. Darüber hinaus hatten sie weitere Halluzinationen.
Gleichzeitig trat eine generelle Desorientierung in Bezug auf Berührungen und die Wahrnehmung von Raum und Zeit auf. In einem der Experimente konnten Wissenschaftler außerdem beweisen, dass soziale Isolation die gleichen Auswirkungen wie sensorische Deprivation hat.
Kognitive Effekte
Viele Freiwillige gaben an, dass sie die Zeit, während der sie an dem Experiment teilnahmen, dazu nutzen wollten, um über persönliche Probleme nachzudenken. Die Zeit hatte ihnen bisher gefehlt. Zu Beginn des Experiments waren sie dazu auch noch in der Lage. Allerdings wurde es im Verlaufe des Experiments zunehmend schwieriger für sie, sich auf ihre Gedanken zu konzentrieren. Nach einiger Zeit waren sie noch nicht einmal mehr in der Lage, bis 30 zu zählen.
Die Forscher fanden heraus, dass sich die Fähigkeit der Versuchspersonen, sich Dinge zu merken und Informationen zu behalten, nach den Experimenten verbessert hatte. Gleichzeitig verringerte sich aber ihre Fähigkeit, Dinge zu abstrahieren und zu verallgemeinern und auch ihr mathematisch-logisches Denkvermögen verschlechterte sich.
Überraschenderweise verbessert sich die Lernfähigkeit von Menschen, die eine sensorische Deprivation erlebt haben, im Vergleich zu denen, die diese Erfahrung nicht gemacht haben. Allerdings verringern sich die motorischen Fähigkeiten dieser Menschen merklich, besonders nach mehr als 48-stündiger Deprivation.
Sensorische Deprivation: einige interessante Schlussfolgerungen
Zusammenfassend kann man feststellen, dass alle Experimente ergeben haben, dass es möglich ist, einen pseudo-psychotischen Zustand durch sensorische Deprivation zu erzeugen. Dabei handelt es sich um eine temporäre Psychose.
Wir haben diesen Zustand als pseudo-psychotisch bezeichnet, weil alle Symptome nach Beendigung des Experimentes wieder verschwinden. Sobald der Teilnehmer wieder in sein normales Leben zurückkehrt, wird er auch wieder über all seine Fähigkeiten verfügen.
Eines der interessantesten Ergebnisse der Experimente war die Tatsache, dass sogenannte “normale” Menschen während der sensorischen Deprivation Halluzinationen entwickelten. Gleichzeitig verschwanden bei den Menschen, bei denen eine Schizophrenie diagnostiziert wurde, genau diese Halluzinationen während der Experimente.
Außerdem stellten die Forscher fest, dass die Persönlichkeit eines jeden Teilnehmers einen Einfluss darauf hatte, wie er die sensorische Deprivation erlebte.
Alle Freiwilligen haben sich nach Kräften bemüht, sich an die Situation anzupassen, aber die Mehrheit von ihnen neigte dazu, sich auf Vergangenes zu fokussieren. Daher wurden diese Teilnehmer depressiv. Fast alle von ihnen wurden beeinflussbarer. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Auswirkungen psychologischer Folter in diesem Zustand viel weitreichender sind als die einer Psychotherapie.
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- Ardila, R. (1970). Privación sensorial. Revista Interamericano de Psicologia, 4, 253.