Schizotypie: Schaffenskraft und kreativer Wahnsinn

Was ist Schizotypie und wie hängt sie mit Wahnvorstellungen, spirituellen Erfahrungen oder Kreativität zusammen? Erfahre Interessantes über die wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale schizotyper Personen wie Camille Claudel, Vincent van Gogh oder Marie Curie.
Schizotypie: Schaffenskraft und kreativer Wahnsinn
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 01. Mai 2023

Der Ausdruck Schizotypie beschreibt exzentrische, skurrile Persönlichkeitsmerkmale, die mit sehr schwach ausgeprägten sozialen Fähigkeiten einhergehen. Persönlichkeiten wie Camille Claudel¹, Vincent van Gogh oder Marie Curie, die als verrückte Genies gelten, sind für ihre schizotypen Züge bekannt. Betroffene weisen Symptome psychotischer Störungen, insbesondere der manifesten Schizophrenie, auf und sind für ihre Schaffenskraft und ihren kreativen Wahnsinn bekannt.

Die Schizotypie bewegt sich auf einem Kontinuum, dessen extreme Form die Schizophrenie darstellt. Schizotype Persönlichkeitsmerkmale erhöhen deshalb das Risiko für Schizophrenie. Allerdings müssen wir zwischen negativer und positiver Schizotypie differenzieren.

Die positive Schizotypie – auch kognitiv-wahrnehmende Schizotypie – führt zu ungewöhnlichen Wahrnehmungserfahrungen und paranoiden Ideen (Parra, 2015). Magisches Denken, Schaffenskraft und Kreativität sind charakteristische Merkmale, die Personen mit dieser Art von Schizotypie aufweisen.

Menschen mit negativer Schizotypie – auch zwischenmenschliche Schizotypie – sind in ihren emotionalen und sozialen Fähigkeiten eingeschränkt. Außerdem sind sie desorganisiert, exzentrisch und verhalten sich eigenartig.

“Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat.”

Albert Einstein

Maler mit Schizotypie

Schizotypie: Schaffenskraft und Kreativität

Das voll-dimensionale Modell der Schizotypie von Claridge (Belloch, 2020) geht davon aus, dass schizotype Menschen bestimmte Persönlichkeitszüge und Denkmuster aufweisen, die sie in hohem Maße nonkonformistisch und impulsiv machen. Sie machen außergewöhnliche Wahrnehmungserfahrungen und sind für Psychosen anfälliger, müssen jedoch keine psychotische Störung entwickeln.

Wie bereits erwähnt, sind Menschen mit positiver Schizotypie oft sehr kreativ, künstlerisch und innovativ. In diesem Fall können wir also von Persönlichkeitszügen sprechen, die gewisse Vorteile haben. Claridge spricht auch von “happy schizotypes“, da ihre Lebenszufriedenheit im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung über dem Durchschnitt liegt.

“Ein Genie zu sein, bedeutet in Wirklichkeit nicht viel mehr, als die Fähigkeit zu haben, die Dinge auf eine andere Art wahrzunehmen.”

William James

Schizotypie und Anhedonie

Im Zusammenhang mit der Schaffenskraft und Kreativität schizotyper Personen dürfen wir die Anhedonie nicht vergessen. Dieser Begriff beschreibt den Verlust der Fähigkeit, Freude zu empfinden. Es handelt sich um eine diagnostisches Kriterium depressiver Störungen. Die Anhedonie ist bei positiver Schizotypie nicht vorhanden und dient deshalb als Unterscheidungsmerkmal (Parra, 2015).

Personen mit einem hohen Wert für Schizotypie, die eine geringe Anhedonie aufweisen, sind in der Lage, ihre Kreativität und Schaffenskraft auf positive Weise zu nutzen. Die Erfassung der Schizotypie erfolgt deshalb unter anderem durch die Chapman-Skalen Physische Anhedonie, Soziale Anhedonie und WahrnehmungsabweichungenPatienten mit Schizophrenie weisen eine signifikant höhere physische Anhedonie sowie Wahrnehmungsabweichungen auf. 

“Anhand einer Stichprobe von kreativen Künstlern und Dichtern wurde festgestellt, dass Anhedonie negativ mit Kreativität korreliert.”

Alejandro Parra

Spirituelle Erfahrungen

Ein weiteres Kriterium ist die Wahrnehmung spiritueller Erfahrungen. Diese äußern sich durch das Gefühl der Transzendenz, das “Einswerden mit dem Kosmos oder die Verschmelzung mit dem Ozean”, das Wahrnehmen übernatürlicher oder mystischer Erfahrungen oder die Verbindung mit “etwas Höherem”.

Schizotype Personen fühlen sich zum Teil “von einem spirituellen Wesen begleitet” (Parra, 2012). Trotz der Seltenheit der beschriebenen Überzeugungen, Gedanken oder Erfahrungen zeigen wissenschaftliche Erkenntnisse, dass sie sich in der Regel positiv auf die psychische Gesundheit der Menschen auswirken.

“Diese Erfahrungen sind in der Regel selten, emotional positiv und für den Einzelnen von großer Bedeutung.”

Alejandro Parra

Frau fühlt sich erleuchtet - diese Erfahrung kann ein Zeichen für Schizotypie sein

Schaffenskraft und Kreativität

Schizotype Personen nehmen sich im Vergleich zur Restbevölkerung häufig als freundlicher, weiser und bescheidener wahr. Diese Erfahrung könnte mit ihrer Kreativität und Schaffenskraft in Verbindung stehen. Die Schizotypie könnte sie anpassungsfähiger machen und vor Fremdwahrnehmungen schützen. Diese Eigenschaften könnten ihre Fähigkeit erklären, ihre Kreativität durch Poesie, Musik, Malerei oder auf anderen Wegen auszudrücken. Dies ermöglicht es uns, die Werke von außergewöhnlichen Persönlichkeiten wie Virginia Woolf² oder Vincent van Gogh³ zu bewundern.

“Es wird vermutet, dass die eigentliche Beziehung zwischen schizotyper Persönlichkeit und Kreativität besteht, wobei Schizotypie als ein Kontinuum zwischen Normalität und Schizophrenie verstanden wird.”

Patricia Mora

▶ Lese-Tipp

  1. Camille Claudel, 1864-1943, Reine-Maire Paris, S. Fischer 1991
  2. Virginia Woolf, Gesammelte Werke, Virginia Woolf, Anaconda 2022
  3. Vincent van Gogh. Geschichte eines Lebens, Vincent van Gogh, Tom Quaas (Erzähler), Otto Strecker (Erzähler), Der Sprachraum 2009

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  • Belloch, A. (2023). Manual de psicopatología, vol II.
  • Garnica, P. M., Jiménez, M. J. C., & Quirós, F. C. CREATIVIDAD Y ESQUIZOFRENIA.
  • Parra, A. (2015). Marco referencial de las creencias y experiencias paranormales y su relación con la esquizotipia positiva/negativa. Persona, (18), 123-135.
  • Parra, A. (2012). Experiencias perceptuales inusuales, experiencias anómalo/paranormales y propensión a la esquizotipia. Universitas Psychologica, 11(1), 269-278.
  • Claridge, G. E. (1997). Schizotypy: Implications for illness and health. Oxford University Press.
  • Claridge, G. (1999). Esquizotipia: teoría y medición. Rev. argent. clín. psicol, 35-51.

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